Integration im 16:9 Format
Dani und koreanische Vater-Sohn Gespräche
In letzter Zeit kommt es öfters vor, dass ich mit meinem Vater, Vater-Sohn Gespräche führe. Zuletzt haben wir Vater-Sohn Gespräche in einem Mietwagen geführt, mit dem wir nach meinem Universitätsabschluss in Amerika die Nordostküste entlang fuhren.
Von Martin Hyun Montag, 31.01.2011, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 09.05.2020, 1:03 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Wir waren mit zwei Pkws unterwegs. Vater entschied sich in meinem Wagen mitzufahren. Ihm war klar, dass er seine Nikotinsucht nur in meinem Auto stillen konnte. Im Auto der Familienfreunde galt striktes Rauchverbot. Im Tausch gegen passiv rauchen musste Vater im Gegenzug meinen Fragen Rede und Antwort stehen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass koreanische Väter ihre eigene Art haben den Kindern ihre Liebe zu zeigen, speziell dem Sohn. Vielleicht ist das nicht unbedingt ein koreanisches Phänomen, sondern Ethnien unabhängig und bei jeder Generation so, die gebrandmarkt ist vom Krieg, Unterwerfung und Hunger. Mein Vater ist Jahrgang 39’ und hat Korea unter japanischer Kolonialmacht erlebt und den Bruderkrieg zwischen den Norden und Süden (1950-1953). Die Vater-Sohn Beziehung ist zwar von Liebe geprägt, aber ein wenig komplex und distanziert. Keinem koreanischen Vater käme es in den Sinn, seinen Sohn zu umarmen. Der koreanische Vater zeigt seine Zuneigung viel mehr mit Worten beziehungsweise Ermahnungen und Kritiken. Die Worte und dessen Wahl variieren von konstruktiv bis destruktiv und hängen vom jeweiligen Vater ab.
Während meiner Zeit in Amerika wurde ich ständig von Vater ermahnt, dass ich mich strikt auf zwei Dinge konzentriere – Schule und Sport. Ich sollte mich von den Frauen fernhalten, weil sie mich nur unnötig ablenken würden, sagte Vater. Ich erinnerte mich an Jean-Jacques Rousseau, der einmal gesagt hat „Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will. Im Land der Freiheit war ich fern von der stringenten Obhut Vaters und warum nicht dort die süßen Früchte der Freiheit auskosten, dachte ich mir. So erlaubte ich mir aus der Ferne kleine Späße mit meinem Vater. Ich erzählte ihm, dass ich die Schule schmeißen würde, um bei der Bundesmarine als Matrose anzuheuern und seinen Namen an jedem Hafen dieser Welt berühmt zu machen. Ich trug meinem Vater von den Vorzügen der Liebe und Freiheit vor und sagte ihm, dass ein Mensch ohne Liebe und Freiheit kein Mensch sei, sondern nur eine Synkope. Vater interessierte das nicht. Er drohte mit finanziellen Sanktionen, dessen Druck ich mich beugen musste.
Vor Kurzem sprachen mein Vater und ich über den Tod. Ich erzählte ihm, dass ich bei meinem Tod gerne verbrannt werden möchte. Meine Asche sollte irgendwo verstreut werden. Mein Vater wollte eine normale Beerdigung haben, eventuell mit Gottesdienst und einer kleinen anschließenden Trauerfeier. Ich wollte keines dergleichen, sagte ich ihm, weder ein Gottesdienst noch eine Trauerfeier. Das Leben geht unaufhaltsam weiter, begründete ich meine Ansicht. Egal was man auf dieser Erde war, letztlich war man doch nur eine ganz kleine Nummer. Warum also sollte diese Welt für einen stoppen und innehalten. Die Erde muss sich weiterdrehen. Wie heißt es so schön, leben und sterben lassen. Zudem wäre es mir unangenehm, wenn ich den Menschen ihre kostbare Zeit stehlen würde.
Mit meiner einheimischen Freundin Dani habe ich mal über Bestattungen nach dem muslimischen Gebrauch diskutiert. Nach islamischem Gebrauch wird der Leichnam in ein Leinentuch gewickelt. In vielen Bundesländern ist die islamische Bestattung bereits erlaubt. Dani meinte, dass bedingt durch die Altersarmut sich viele einheimische Deutsche keine Bestattung mit einem Sarg aus Holz leisten können. Der Sarg ist eine teure Angelegenheit. Warum sollte man nicht deshalb gleiches Recht für alle gewähren, ob man nun Muslim ist oder nicht. Eine Bestattung in einem Leinentuch ist erheblich günstiger trotz der größer werdenden Anzahl von Bestattungsdiscounter nach McDonald Vorbild. Neben Fast-Food gibt es nun auch den Fast-Tod. Dani wohnt in der Nähe eines solchen Bestattungsdiscounters der zu allem Übel noch neben einem Flatrate Solariumanbieter angesiedelt ist. Pietätlos, meinte sie nur. Das Gespräch mit Dani hatte mich sehr nachdenklich gestimmt.
Es gibt keine statistischen Erhebungen darüber, wie viele Koreaner der ersten Generation in Deutschland begraben werden. Die Todesanzeigen werden in der koreanischen Wochenzeitung Kyoposhinmun veröffentlicht. Aus der Berichterstattung entnehme ich, dass die meisten nach deutschem Gebrauch beerdigt werden. Die Trauerfeier wird oftmals nach koreanischem Ritual abgehalten. Das hat sich trotz der vielen Jahrzehnte in Deutschland erhalten. Ich bin mir sicher, dass einige den Wunsch gehabt hätten, unter koreanischem Boden begraben zu werden, weil sie mit ihrer neuen Heimat Deutschland nie so wirklich warm geworden sind. Doch die finanzielle Lage lässt eine Rückkehr in die Heimat oft nicht zu. Die Überführung in einem Zinksarg ist bis zu fünfmal teurer als im lebendigen Zustand. Das der Tod teurer ist als das Leben, ist irgendwie bizarr.
Ich weiß nicht, wann ich demnächst zuhause sein werde. Doch bin ich jetzt schon gespannt darauf, worüber mein Vater und ich wohl demnächst diskutieren werden. Ganz so lang wird das Gespräch mit meiner einheimischen Freundin Dani nicht mehr auf sich warten lassen. Das Thema Tod haben wir ja nun hinter uns. Dann kann es ja nur noch über die Liebe sein. Aktuell Meinung
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Tolle Kolumne!
Solche Gespräche kenne ich auch. Ist kein Migranten Phänomen per se….