Diskriminierung

Studie belegt Nachteile für Bewerber mit türkischen Namen

Trotz Antidiskriminierungsgesetz und allgemein wachsender Integrationsbereitschaft werden Stellenbewerber mit türkischen Namen auf dem deutschen Arbeitsmarkt noch immer eklatant benachteiligt. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor, die beim Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn erschienen ist.

Dienstag, 09.02.2010, 8:04 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Forscher der Universität Konstanz hatten in einem Feldversuch über 1000 Bewerbungen auf Praktikumsstellen für Wirtschaftsstudenten verschickt. Dazu verwendeten sie inhaltlich gleichwertige Bewerbungsunterlagen, denen per Zufall ein Name eindeutig deutscher oder türkischer Herkunft zugeordnet wurde. Die fiktiven Bewerber hatten nicht nur vergleichbare Qualifikationen und Fähigkeiten, sondern waren zudem ausnahmslos deutsche Staatsbürger und Muttersprachler. Das Ergebnis: Bewerber mit türkischen Namen erhielten insgesamt 14% weniger positive Antworten.

In kleineren Unternehmen war die Ungleichbehandlung sogar noch ausgeprägter: Hier hatten Bewerber mit türkisch klingenden Namen trotz gleicher Qualifikation eine um 24% geringere Chance auf ein Vorstellungsgespräch. Die Autoren führen diese Diskrepanz darauf zurück, dass Großunternehmen häufiger standardisierte Auswahlverfahren mit weniger Raum für subjektive Einschätzungen nutzen.

___STEADY_PAYWALL___

Download: Die englischsprachige Studie „Ethnic Discrimination in Germany’s Labour Market: A Field Experiment“ steht auf der IZA-Homepage zum kostenlosen Download bereit.

Diskriminierung trotz hoher Qualifizierung
Im internationalen Vergleich stehen deutsche Arbeitgeber dennoch nicht so schlecht da: Ähnliche Studien belegen für Länder wie die USA, Großbritannien oder Schweden eine deutlich größere Benachteiligung ethnischer Minderheiten. Allerdings wurden im Feldversuch der Konstanzer Ökonomen ausschließlich Stellen für hochqualifizierte Bewerber untersucht. Es ist also denkbar, dass in Branchen, die weniger vom Fachkräftemangel betroffen sind, auch in Deutschland noch stärker diskriminiert wird.

Ein weiteres interessantes Resultat der Studie: Wurden Empfehlungsschreiben früherer Arbeitgeber mit der Bewerbung eingereicht, hatten die türkischstämmigen Bewerber annähernd gleiche Chancen. Die Ökonomen werten diesen Befund als Beleg für „statistische Diskriminierung“, die darauf beruht, dass Personalmanager die Persönlichkeitseigenschaften von Bewerbern türkischer Herkunft schlechter einschätzen können. Diese Beobachtung zeigt, wie wichtig es ist, den „Teufelskreis“ der Diskriminierung zu durchbrechen. Erst wenn benachteiligten ethnischen Gruppen die Gelegenheit gegeben wird, sich auf dem Arbeitsmarkt zu beweisen, können sie die Vorurteile gegenüber ihrer vermeintlich geringeren Eignung ausräumen. Im Sinne einer vollständigen Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern ist daher ein Umdenken seitens der Arbeitgeber notwendig, das sich durch Gesetze allein nicht erzwingen lässt.

Weitere Studien, Statistiken und Um- fragen rund um Integration und Migration von Zuwanderern und Minderheiten in Deutschland gibt es im MiGAZIN Dossier: Studien.

Antidiskriminierungsstelle in der Pflicht
Ein Umdenken fordern angesichts solcher Studienergebnisse auch Volker Beck und Memet Kilic (beide Grüne) auf Seiten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. „Auf dem deutschen Arbeitsmarkt gibt es vielfältige rassistische Diskriminierungen und Benachteiligung von Migrantinnen und Migranten. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes muss deshalb endlich aktiv werden und Vorschläge erarbeiten“, so die beiden Grünen-Politiker. Viele Studien belegten, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz effektiver gestaltet werden müsse.

Bereits zuvor hatte eine Untersuchung des futureorg Instituts auf diese Problematik aufmerksam gemacht. „36 Prozent der jungen türkischstämmigen Akademiker sehen ihre Zukunft in die Türkei“, war der Grundtenor des Studienergebnisses (wir berichteten). Eines der Hauptursachen war das Gefühl der Benachteiligung auf dem hiesigen Arbeitsmarkt. Gesellschaft Studien

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Pragmatikerin sagt:

    @ Alan
    Sie schrieben:
    „Tippfehler, Rechtschreibfehler oder Grammatikfehler schenke ich einem Deutschen!)“

    Von meiner Mutter – Gott habe sie seelig – habe ich gelernt, dass ich von Fremden und im speziellen von fremden Männern nichts annehmen soll. Darum muss ich leider Ihr „Geschenk“ zurückweisen (es waren zudem nur wenige „Fehler“ ;-) )

    Pragmatikerin

  2. Pingback: Ab- und Ausgrenzungsrituale – Das Geschwätz von “Bringschuld” und “Opfermentalität” | MiGAZIN

  3. Pingback: Berlin: Pilotprojekt für anonyme Bewerbungsverfahren gestartet - MiGAZIN

  4. Thomas Ersoy sagt:

    Ich kann mich nur wundern über die Aussagen einiger vermeintlichen
    Deutschstämmigen hier.
    Mein Vater (Deutsch) . Mutter (Türkin).
    Bin 50 Jahre alt und spreche akzentfrei.
    Bin in 4.Generation in Dutschland. Mein Sohn der Drei Staaten inne hat ist die 5. Generation.
    Auch den heimischen Dialekt ( schwäbisch) beherrsche ich.
    Was bedeutet hier für manchen Deutsch sein ?