Niedersachsen

Verdachtsunabhängige Moscheekontrollen sind rechtsmissbräuchlich und grundgesetzwidrig

Der Niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gerät zunehmend unter Druck. Grüne, SPD und Linke fordern den sofortigen Stopp der verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen. Auch Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) habe Schünemann gebeten, davon Abstand zu nehmen - Für Experten ist die Rechtslage eindeutig: rechtsmissbräuchlich und grundgesetzwidrig.

Freitag, 29.01.2010, 8:08 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 21.02.2023, 8:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Bei Verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen handelt es sich um polizeiliche Kontrollen vor den Moscheen. Diese werden von der Polizei ohne Anlass bzw. Verdacht durchgeführt. D.h., es gib keinerlei Anzeichen dafür, dass die Polizei dort in irgendeiner Form fündig wird, da sie selbst nicht nach irgend etwas bestimmtes sucht. Diese Kontrollen werden laut Innenministerium lediglich durchgeführt, um Präsent zu sein und der Nachbarschaft dadurch ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln.

Die Grünen, die SPD und die Linke im Niedersächsischen Landtag fordern den sofortigen Stopp der umstrittenen verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen. Auch nach dem Willen des Ministerpräsident Christian Wulff sollen die Kontrollen eingestellt werden. Hintergrund ist eine Sitzung des Innenausschusses des Landtages, bei der der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst (GBD) des Landtages eine Expertise zu diesem Thema abgegeben hat. Darin stellt der GBD fest, dass die von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) angeordnete Praxis der verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen rechtsmissbräuchlich und grundgesetzwidrig ist.

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Es sei nicht vorstellbar gewesen, so der GBD, dass § 12 Absatz 6 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, der zur Terroristenfahndung und zur Bekämpfung internationaler Kriminalität dient, eines Tages für solche Kontrollen verwendet werde. Damit bestätigte der GBD die Rechtsauffassung der Sachverständigen, die bei einer öffentlichen Anhörung am 2. Dezember auf Initiative der Grünen vorgetragen hatten (wir berichteten).

Unbeirrt auch von der Einschätzung der hauseigenen Fachjuristen, sprach ein Sprecher des Innenministeriums von einer „Einzelbewertung“. So wie es scheint, wird das Innenministerium mit Kleinreden der nunmer zahlreich vorliegenden Expertenmeinungen an seiner bisherigen Praxis aber nicht festhalten können.

Politischer Kreuzzug
Denn bestärkt von der GBD-Rechtsauffassung fordern die Landtagsgrünen erneut mir Nachdruck, die niedersächsische Landesregierung zur endgültigen Einstellung anlassloser Moscheekontrollen auf. Die Rechtslage sei nach einer „hochkarätigen Fachanhörung und einer klaren Stellungnahme des GBD mehr als eindeutig“, sagte der innenpolitische Sprecher Ralf Briese.

Innenminister Schünemann verstoße mit den Kontrollen eindeutig gegen das Grundgesetz. Briese weiter: „Dies ist mehrfach von hochrangigen Juristen festgestellt worden. Dem Innenministerium mangelt es offenkundig an Sachverstand in Verfassungsrecht“. Innenminister Uwe Schünemann habe allem Anschein nach „Probleme mit der Religion“. Anders seien seine Attacken gegen religiöse Würdenträger und Gebetsräume nicht mehr zu verstehen. Briese weiter: „Statt Verantwortungsethik findet ein politischer Kreuzzug statt.“

Als bezeichnend für die Sicht des Innenministeriums wertete Filiz Polat, migrationspolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion, die Reaktion des Sprechers des Innenministeriums: „Bisher haben alle gehörten Juristen die Moscheekontrollen ganz klar als verfassungswidrig bewertet. Dennoch hält das Innenministerium an seiner Einschätzung fest. Dies ist rechtswidrig und absolut unverständlich.“

Eine Lektion erteilt
Auch für den integrationspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus-Peter Bachmann, ist die Angelegenheit klar: „Verdachtsunabhängige Moscheekontrollen verstoßen eindeutig gegen Artikel 4 des Grundgesetzes, der freie Religionsausübung garantiert“. Bachmann forderte daher „die sofortige Einstellung der Moscheekontrollen, wenn keine konkreten Tatverdachtsmomente belegt werden können“.

Für den sofortigen Stopp sprach sich auch Pia Zimmermann, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion aus. Die Moscheekontrollen seien „falsch – nicht nur politisch, sondern auch juristisch.“ Mit dem nun vorliegenden Gutachten der GBD sei dem Innenminister „eine Lektion erteilt“ worden, die nicht einfach abgetan werden könne.

Grüne wollen Gesetzesänderung
Die Grünen wollen bereits im nächsten Landtagsplenum ihren Antrag zur Änderung des niedersächsischen Polizeirechtes einbringen, um damit anlasslose Polizeikontrollen deutlich zu beschränken. Außerdem soll die Landesregierung befragt werden, ob sie weitere anlasslose Kontrollen an Gebetsstätten durchführen will. Politik

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