Schwarz und Weiß
Eine überfällige Diskussion über den sichtbaren und unsichtbaren Rassismus
Der Dokumentarfilm „Schwarz auf Weiß“ des Undercoverjournalisten Günter Wallraff sorgt bundesweit für Aufsehen, stößt jedoch auch auf Ablehnung und Empörung.
Von GastautorIn Dienstag, 03.11.2009, 10:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 16:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Wallraff wird u.a. als „Kölner Kostümjournalist“ betitelt, der sich wieder einmal in die Requisite begeben habe oder mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er Minderheiten nachäffe. Durch solch eine Kritik, wird der Verdienst Wallraffs, mit seinem filmischen Werk die Normalität und Alltäglichkeit des Rassismus in Deutschland schonungslos auf die Leinwand projiziert zu haben, überschattet.
Rassistische Diskriminierung trifft Menschen hauptsächlich aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Nationalität, ihres Aufenthaltsstatus, ihrer Hautfarbe oder äußeren Erscheinung. Sie findet auf verschiedenen Ebenen statt und tritt in unterschiedlichen Formen in Erscheinung: In öffentlichen Institutionen und Behörden, im Bereich der Beschäftigung, in privaten und öffentlichen Einrichtungen der schulischen Aus-und Weiterbildung, in öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Zugang zum Gesundheitswesen, in der Gesundheitsversorgung selbst, im Unterhaltungs-und Freizeitgewerbe, in Gaststätten, bei der Wohnungssuche/ -anmietung, im öffentlichen Raum, bei Personal-und Verkehrskontrollen, in und durch Medien.
Im Unterschied zu anderen EU-Staaten ist in Deutschland die öffentliche und politische Sensibilität für Rassismus äußerst gering ausgeprägt. Rassistische Diskriminierungen werden am ehesten in Form gewaltsamer körperlicher und verbaler Übergriffe auf ethnische Minderheiten, meist verursacht von rechtsextremistisch orientierten Gruppierungen wahrgenommen. Dabei wird allzu oft verkannt, dass Rassismus und Diskriminierung schon längst keine Randerscheinungen mehr sind, sondern aus der „Mitte der Gesellschaft“ kommen.
Selbstverständlich sind diese Erkenntnisse nicht neu. Erst jüngst – Ende Juni 2009 – besuchte der UN-Sonderberichterstatter zu zeitgenössischen Formen des Rassismus, rassistische Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und verwandte Formen von Intoleranz, Githu Muigai, Deutschland und forderte die Bundesregierung zum Abschluss seines Besuches auf, mehr gegen alltäglichen Rassismus zu unternehmen.
Umso grotesker wirkt die vermeintliche Aufgeklärtheit mancher Medien und ihren VertreterInnen, wenn sie Günter Wallraff vorwerfen, dass die Erkenntnisse seines Films, dass Deutschland nicht „ausländerfreundlich“ ist, längst bekannt seien. Und dennoch musste erst Günter Wallraff kommen und das den Medien allzu bekannte Thema „Alltäglichkeit und Normalität von Rassismus in Deutschland“ in das öffentliche und mediale Bewusstsein lancieren. Meinung
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Nebenan Der Feind heißt nicht AfD
- „Minusrunde“ für Geflüchtete Kürzung der Sozialleistungen für Asylbewerber…
- Drastische Kürzungen Integrationskurse in ihrer Existenz bedroht
- Hamburg Großteil der Ausreisepflichtigen geht „freiwillig“
- Studie Afghanische Zugewanderte verbunden mit Deutschland
- Mangelnde Sprachflexibilität Deutsche Unternehmen bestehen öfter auf…
Kommentar eines indisch-stämmigen deutschen Schauspielers zu Günter Wallraffs neuem Film:
„Jetzt hat es endlich mal ein Weißer selbst erlebt:
ich möchte Günter Wallraff danken für seinen neuen Film „Schwarz auf Weiß“ und verneige mich vor ihm.
Mein Name ist Murali Perumal, ich bin ein deutscher Schauspieler indischer Herkunft und lebe in Köln. Ich bin festes Ensemblemitglied am Schauspiel Köln bei Karin Beier und habe bisher 31 Filme gedreht. Als gebürtiger Bad Godesberger habe ich in Bonn 20 Jahre lang fast keinen Rassismus erlebt, erst als ich ins Berufsleben kam und in Berlin, München und Wien wohnte, musste ich Alltagsrassismus am eigenen Leib erfahren. Ich arbeite seit neun Jahren für Theater, Film und Fernsehen, wo es gerade angeblich „weltoffene“ Akademiker und Intellektuelle waren, die mich nur aufgrund meiner Hautfarbe ausgrenzten, und keine rechtsradikalen Neonazis. Das bestätigt mir wieder, dass rechtes Gedankengut inzwischen auch in der Mitte der deutschen Gesellschaft angekommen ist. Statistiken und Berichte der OECD und der Friedrich-Ebert-Stiftung haben dies immer wieder belegt, aber diese Tatsachen tauchen in den Zeitungen und Medien leider nur sporadisch auf, meist in Kleinstartikeln, und lösen deshalb leider nie eine Debatte aus. Ich habe das Gefühl, dass die Presse den Alltagsrassismus zu sehr unter den Tisch kehrt, ignoriert oder gar leugnet. Vielleicht soll vor der Welt ein guter Ruf von Deutschland bewahrt werden, nämlich eine „weltoffene“ BRD wie zur Fußball-WM 2006 zu sein. Vielleicht schämen sich die Medien aber einfach auch, dass Diskriminierung hierzulande immer noch stark im Alltag vertreten ist, und diese Scham behält man besser für sich.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe Deutschland, es ist meine Heimat und es ist hier sicher weltoffener als in vielen anderen Ländern der EU. Trotzdem bitte ich die
Medien darum, diese Missstände in unserer Gesellschaft ernst zu nehmen und ihnen auch eine Aufmerksamkeit zu geben.
Der Kritik an Wallraff, er würde Schwarze nachäffen und sich eitel selbst darstellen, widerspreche ich vehement. Er hat sich für diese Sache eingesetzt und damit die alltägliche Diskriminierung, die ihm von Menschen aus der deutschen Mittelschicht entgegengebracht worden ist, ins öffentliche Zentrum gerückt. Er hat als Weißer das erlebt, was viele Farbige in Deutschland tagtäglich erfahren. Es ist schade, dass sich die Kritik inzwischen zum Großteil nur noch auf die Person von Günter Wallraff bezieht und damit das eigentliche Thema des Films immer mehr in den Hintergrund rückt. Es geht nun mal nicht darum, dass er angemalt und verkleidet aussah, denn bis auf einen Menschen haben ihn alle als Schwarzen angesehen und ihn nur aufgrund seiner Hautfarbe abgestempelt, ausgeschlossen, angelogen und beschimpft. Es geht darum, dass, hätte sich ein echter Farbiger (prominent oder nicht) auf diese Reise begeben, man dessen Erfahrungen nicht ernst genommen hätte. Man hätte ihn ignoriert, nicht angehört und das Thema wiederum schön unter den Teppich gekehrt: „Ach ja, jetzt jammert er, jetzt beklagt und beschwert er sich …“ Und schon würde er als Opfer angesehen und die breite Öffentlichkeit könnte das Thema Diskriminierung wieder von sich weisen. Es ist schlimm genug, dass Farbige in der Öffentlichkeit kaum Gehör finden. Für uns bietet Günter Wallraffs Film zum ersten Mal eine Möglichkeit, „weißen“ Deutschen zu zeigen, was wir jeden Tag zu spüren bekommen. Meiner Meinung nach schafft der Film es, allen Deutschen dieses wichtige Thema näher zu bringen, wenn nicht gar unter die Haut zu gehen.
Ich wünsche mir nur als farbiger Mitbürger von den Medien und Zeitungen, dass sie das Thema Diskriminierung hierzulande ernst nehmen und ihm mehr Aufmerksamkeit schenken. Ich wünsche mir, dass sie alles dafür tun, mitzuhelfen, Vorurteile gegenüber Farbigen in Deutschland abzubauen und vielleicht einfach auch mal über positive Beispiele von Integration berichten.
Mit freundlichen Grüßen des Indo-Germanen
Murali Perumal
Auf Ihren Bildern im Internet sehen Sie keineswegs „farbig“ sondern hellhäutig aus. Mein bester Freund dagegen ist ein fast schwarzer Inder, den ich noch nie habe klagen hören.
Meiner Meinung nach kommt es auf einen selbst an, welchen Anklang man findet. Hören Sie doch mal in sich hinein.
Liebe Johanna,
schön das Ihr indischer Freund bisher keine schlimmen Erfahrungen in Deutschland gemacht hat. Wie gesagt habe ich auch 20 Jahre lang kaum Diskriminierung erfahren, erst als ich beim Theater und Film angefangen habe zu arbeiten.Deswegen hat es mich dann umso mehr verwundert, daß gebildete Kultur- und Medienschaffende,Redakteure wie Theaterintendanten mich nur aufgrund meiner Hautfarbe ausgeschlossen haben, mit der Begründung, „Sie sind zu speziell für unser Ensemble ( mit 50 Schauspielern)…es gibt ja keine Rollen für Sie (außer Illegale,Rosenverkäufer,Terroristen in gebrochenem Deutsch)…oder Sie kennen doch unsere Zuschauer…das muß man dann erklären, wenn Sie einen Kommissar spielen“. Im Tanztheater, in der Oper, im Sport wie auch im Moderationsbereich spielt die Herkunft/Hautfarbe kaum noch eine Rolle, nur im Schauspiel. Meine Schauspielkollegen arabischer,asiatischer, afrikanischer und lateinamerikanischer Abstammung(dunkel oder hell) haben genau die selben Probleme,ich habe genug Freunde, die das Selbe erlebt haben.Und da kommt die Ausgrenzung nur aufgrund der „fremden“ Herkunft/Hautfarbe zustande. Einige haben sich bereits einen deutschen Künstlernamen zugelegt, um an mehr Rollen zu kommen. Aber es ist Besserung in Sicht,defintiv.
Mir ging es nur darum,das die Presse und die Medien nicht Alles verharmlost und ignoriert, sondern die Misstände veröffentlicht und mehr dagegen unternimmt, Vorurteile abzubauen, anstatt sie zu schüren.
Ich möchte nicht anklagen,denn ich liebe Deutschland.
Ich bin in viel in Deutschland herumgekommen und habe in allen Bundesländern tolle Freunde.
Trotzdem sind es meine Erfahrungen, die ich hier schildere. Und nicht nur meine.
Was meine Hautfarbe auf meinen Fotos anbelangt, so spielt da die Belichtung eine große Rolle, deswegen komme ich auf den Fotos vielleicht heller rüber,als ich bin. Ich bin nicht schwarz,sondern braun, aber keinesfalls hellhäutig wie Sie sagen.Aber das nur nebenbei.
Grundsätzlich finde ich es aber super, das hier diskutiert wird. Das ist doch klasse.
Ihr Murali Perumal
Zunächst einmal bin ich davon überzeugt, dass Fremdenfeindlichkeit und Rassismus völlig „normale“ Reaktionen von Menschen überall auf der Welt sind.
Selbst wenn ein unberührtes Naturvolk in besonderer Weise gastfreundlich wäre, hätte es Mechanismen zum Schutz seiner bisherigen Lebensweise.
Vom modernen Menschen dürfen wir überall auf der Welt erwarten, dass er sich auseinandersetzt mit dem Bekannten und dem sich Veränderndem in seinem Umfeld. Dabei darf er durchaus unerwünschte Veränderungen ablehnen. Dabei müssen wir allerdings den Respekt vor dem anderen einfordern.
Ich persönlich empfinde den Mangel an Respekt als größte Belastung jeder Integrationsdebatte.
@ Andreas Scholz
Mangel an Respekt ?
Da möchte ich Ihnen ein Zitat von Zafer Senonak entgegenhalten:
Religion ist ein Teil der Kultur und nicht umgekehrt. Und die Kultur ist nur dann ein Maßstab, wenn sie zivilisatorische Komponenten aufweist.
Was will uns der Autor damit sagen?