Deutsches Institut für Menschenrechte

Datenerhebung zum Erweis ethnischer Diskriminierung

Am 12. Juni 2008 fand im Deutschen Institut für Menschenrechte ein Fachgespräch zum Thema „Datenerhebung zum Erweis ethnischer Diskriminierung“ statt. Fachleute referierten unter anderem zu den Themen „Ethnische Datenerhebungen - Einschlägige Empfehlungen universeller und europäischer Menschenrechtsorgane“, „Erhebung ethnischer Daten in Deutschland — Kritische Bestandsaufnahme und Vorschläge“, „Ethnische Datenerhebungen und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ und „Ethnisierung durch Kategorienbildung bei der Datenerhebung?“. Vor kurzem hat das Deutsche Institut für Menschenrechte nun eine Dokumentation des Fachgesprächs veröffentlicht.

Montag, 27.07.2009, 6:57 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 04.09.2010, 1:55 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Statistische Daten könnten dazu beitragen, Diskriminierungen zu belegen um somit faktenbasiert auf Missstände hinzuweisen. Insbesondere wenn es um strukturelle Diskriminierung gehe, könnten statistische Daten wichtige Impulse liefern, heißt es in dem Papier. Dr. Hendrik Cremer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Menschenrechte, führt dazu auf, dass insbesondere solche Benachteiligungen durch Datenerhebung nachgewiesen werden können, die ihrem Anschein nach neutral und nicht diskriminierend sind, faktisch aber zu einer Benachteiligung führen. Zur Illustration führte Cremer das Beispiel einiger Angehöriger der Roma in Tschechien an, die gegen ihre Unterbringung in Sonderschulen geklagt und eine Verletzung des Diskriminierungsverbots in Verbindung mit dem Recht auf Bildung geltend gemacht hatten. Als ein Beweismittel — neben anderen — führten sie nicht amtlich erhobene Daten über den hohen Anteil von Roma-Kindern an tschechischen Sonderschulen an; der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gab ihnen Recht.

Ähnliche Daten lassen sich auch in Deutschland finden. Eine Mitte der 1990er Jahre in der Stadt Bielefeld durchgeführte Studie 1 untersuchte etwa die institutionelle Diskriminierung im Rahmen von Selektionsentscheidungen an zentralen Übergangsschwellen im Grundschulbereich 2. Ausgehend von statistischen Hinweisen auf eine Ungleichbehandlung von Kindern aus eingewanderten Familien an den drei Entscheidungsstellen ermittelten die Wissenschaftler in qualitativen Analysen eine Bandbreite idealtypischer Mechanismen direkter und indirekter institutioneller Diskriminierung. Zusammengenommen lassen sie das Bild eines feinmaschigen Netzes entstehen, das für Kinder mit einem Migrationshintergrund und/oder aus unteren sozialen Schichten, wenig Chancen lässt.

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Die Urteilskraft solcher Daten machten die Datenerhebung zu einem wichtigen Instrument der Antidiskriminierungspolitik. Dr. Kurt Salentin, Sozialforscher an der Universität Bielefeld, macht dabei auf die Grenzen der empirischen Forschung aufmerksam. Drei Probleme stünden dem eindeutigen Erweis von Diskriminierungen durch die empirische Wissenschaft hauptsächlich entgegen und machten es schwierig, zu beurteilen, ob und in welchem Maße Diskriminierung vorliege. Zum einen seien Handlungen zwar beobachtbar, ihre Hintergründe aber nicht. Zum anderen seien die gesellschaftlichen Prozesse, die zu Ungleichheiten führten, vielfach sehr komplex und erforderten multikausale Erklärungen. Zum dritten sei es nicht möglich, von einem „unerklärten Rest“ bei statistischen Analysen zweifelsfrei auf eine vorliegende Diskriminierung zu schließen.

Zudem bestünde die Gefahr, durch die Kategorienbildung von Massendaten zu einer Homogenisierung oder gar einer Stigmatisierung von Menschengruppen beizutragen. Besonders offenkundig ist diese generelle Gefahr bei der Erhebung „ethnischer” Daten, also bei Daten, mit denen rassistische Diskriminierung untersucht werden soll, sagte Doris Angst von der Eidgenössische Kommission gegen Rassismus. Dem Staat die Definitionsmacht über seine Minderheiten zu lassen, sei riskant. Auch lenke der Diskurs der Ethnisierung und Kulturalisierung der sozialen Schichtung von den sozialen Konflikten ab.

Alexander Dix, Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Berlin, erklärte, dass es in den Mitgliedsstaaten der EU deshalb grundsätzlich untersagt sei, Informationen über „ rassische“ und ethnische Herkunft zu verarbeiten. Beispielhaft führte Dix die immer wieder vorkommende Veröffentlichung „ethnischer Daten“ durch die Medien infolge von Straftaten (teilweise durch Beamte vermittelt) auf, die er als „informationelle Gruppendiskriminierung“ bezeichnet. Es geschehe immer wieder, dass die statistiken gegen die Betroffenen ausgelegt würden oder dass Wissenschaft selbst diskriminiere.

Einige der Teilnehmer hätten darauf hingewiesen, dass in Deutschland Diskriminierungen nicht wahrgenommen würden. Deshalb brauche die Antidiskriminierungspolitik starke Beweise. Generell müsse in Deutschland auf eine andere Antidiskriminierungspolitik hingearbeitet werden, da bisher der Diskriminierungsschutz politisch nicht gewollt sei. Auf richterliche Entscheidungen und Leiturteile allein sollten keine allzu großen Hoffnungen gesetzt werden, vor allem müsse die Politik geändert werden. Die Debatte um das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) habe verdeutlicht, dass es in Deutschland zwar wissen über, aber kein Bewusstsein für das Phänomen der Diskriminierung gebe.

  1. Gomolla/Radtke 2002, Institutionalisierte Diskriminierung – Untersuchungen zur Herstellung ethnischer Differenz in der Schule
  2. Einschulung, Überweisung auf die Sonderschule für Lernbehinderte (SOLB), Übertritt in die Sekundarstufe I
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  1. Boli sagt:

    Alexander Dix, Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Berlin, erklärte, dass es in den Mitgliedsstaaten der EU deshalb grundsätzlich untersagt sei, Informationen über „ rassische“ und ethnische Herkunft zu verarbeiten. Beispielhaft führte Dix die immer wieder vorkommende Veröffentlichung „ethnischer Daten“ durch die Medien infolge von Straftaten (teilweise durch Beamte vermittelt) auf, die er als „informationelle Gruppendiskriminierung“ bezeichnet.

    Gut wenn dies nicht erlaubt ist bzw. wäre wie soll man dann mit rechtsradikalen Übergriffen umgehen. Darf man dann hier auch nicht sagen wer es war? Wobei ich sagen muss das „Rechtsradikalität“ nicht nur deutschen Tätern angelastet werden kann. Die gibt es bei JEDER Nation.
    Ich finde es nicht diskriminierend egal von welcher Nation ein Verbrecher ist diese auch zu benennen.

    Es geschehe immer wieder, dass die statistiken gegen die Betroffenen ausgelegt würden.

    Hä, wie soll das denn gemeint sein. Ich meine wenn die Betroffenen die Täter sind kann man wohl kaum etwas dagegen sagen, das die Statistik gegen diese ausgelegt wird. Sie haben ja auch selbst negativ dazu beigetragen. Und das die ganze ethnische „Gruppe“ deswegen diskriminiert wird, nun das gab es schon immer und zu allen Zeiten und es geschieht überall auf der Welt. Wobei ich denke das vor allem die am lautesten Schreien die selbst Dreck am Stecken haben. Und die die nichts getan haben und voll integriert sind haben bei etwaigen Vorfällen auch genug deutsche Freunde und legale Möglichkeiten die ihnen helfen werden dagegen vor zu gehen. Wirklich diskriminiert werden vor allem die, welche aus Sicht der Europäer keine Integrationsbemühungen tätigen und womöglich noch alles hassen was europäisch ist. Das heißt in der Schlussfolgerung, das die Diskriminierungen und Repressalien immer weiter zu nehmen werden, je weniger sich bestimmte Migrantengruppen einfügen wollen. Und spätestens bei Landfriedensbruch ist der Ofen komplett aus.

    • Markus Hill sagt:

      Auf falsche Befindlichkeiten sollte man weniger Rücksicht nehmen, als auf die Möglichkeit, durch das klare Nennen von Tätergruppen (auch nach Nationaliät etc.) evtl. Einfluss nehmen zu können. Wenn ich klar belegen kann, dass zum Beispiel Türken und Araber in Berlin überdurchschnittlich viele Straftaten in bestimmten Segmenten begehen, habe ich die Möglichkeit, auch auf die Verbände einzuwirken. Diese könnten dann zum Beispiel flankierend einmal in den Dialog mit der eigenen Community diese Themen auch noch einmal diskutieren. Diese haben vielleicht auch eher Zugang zu den Familien der Straftäter oder Straftätergruppen. Zu mehr sollen diese Erhebungen und Veröffentlichungen auch nicht dienen. Sie sind einfach nur ein Mittel, bei Problemen gezielt die Adressanten anzusprechen. Das trifft auch auf die Nennung von Deutschen bei bestimmten Segmenten zu, NATÜRLICH!:-)