Studie

Deutsche Muslime identifizieren sich mehr mit Deutschland als die Allgemeinheit

Der Bericht ,,Der Gallup Koexistenz-Index 2009: Eine globale Studie interkonfessioneller Beziehungen ist der erste Jahresbericht über die Beziehung verschiedener Konfessionen in Ländern überall in der Welt. Im Rahmen der Studie wurde aufgedeckt, dass mehr als zwei von fünf deutschen Muslime (40 %) sich mit dem Land Deutschland identifizieren, verglichen mit einem Drittel der breiten Öffentlichkeit (32 %).

Donnerstag, 07.05.2009, 14:33 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

Ein aufsehenerregender neuer Bericht über eine von Gallup und der Coexist Foundation durchgeführte Umfrage wurde heute veröffentlicht. Im Rahmen des Berichts wurde festgestellt, dass sich deutsche Muslime mehr mit Deutschland identifizieren, als dies in der breiten Öffentlichkeit der Fall ist.

Der Bericht ,,Der Gallup Koexistenz-Index 2009: Eine globale Studie interkonfessioneller Beziehungen“ (The Gallup Coexist Index 2009: A Global Study of Interfaith Relations) ist der erste Jahresbericht über die Beziehung verschiedener Konfessionen in Ländern überall in der Welt. Im Rahmen der Studie wurde aufgedeckt, dass mehr als zwei von fünf deutschen Muslime (40 %) sich mit dem Land Deutschland identifizieren, verglichen mit einem Drittel der breiten Öffentlichkeit (32 %).

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Außerdem wurde festgestellt, dass in diesem Zusammenhang eine Fülle von Missverständnissen vorherrscht: fast vier von zehn (39 %) Befragte der Allgemeinheit glauben, dass in Deutschland lebende Muslime sich gegenüber dem Land loyal verhalten. Im Vergleich dazu gaben sieben von zehn deutsche Muslime an (71 %), zu glauben, Muslime würden Deutschland loyal gegenüberstehen.

Die deutsche Allgemeinheit und deutsche Muslime vertreten hinsichtlich der Frage, was Integration vorantreibt, nahezu die gleiche Ansicht. 97 % der Befragten aus der Allgemeinheit gaben dabei an, dass die Beherrschung der deutschen Sprache eine essentielle Voraussetzung hierfür darstelle, verglichen mit 96 % der befragten Muslime. 94 % aus beiden Gruppen vertreten die Meinung, dass Arbeit zu finden in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle spiele und 95 % der befragten Muslime gaben an, bessere Ausbildungsmöglichkeiten seien entscheidend, wobei 86 % der Befragten aus der allgemeinen Bevölkerung diese Meinung teilten.

Die Autoren des Berichts erklärten, diese Umfrageergebnisse seien ein eindeutiges Beispiel dafür, dass Religion und nationale Identität als sich gegenseitig ergänzende und nicht miteinander konkurrierende Faktoren zu verstehen sind. Außerdem wurde der Mythos ausgeräumt, Muslime fühlten sich gegenüber dem Land Deutschland zu keinerlei Loyalität verpflichtet – den Vorurteilen in der breiten Öffentlichkeit zum Trotz.

Die geschäftsführende Direktorin des Gallup Center für Islamstudien Dalia Mogahed erklärte, dass eine erneute Diskussion über die Ansichten der muslimischen Mehrheit angebracht sei. Mogahed, die kürzlich von Präsident Obama zu seiner Beraterin für religiöse und nachbarschaftliche Partnerschaften ernannt wurde, betonte auch in welchem Maße diese Studie dazu beigetragen habe, vielerlei Mythen über die Einstellung der muslimischen Bevölkerung zu entkräften.

,,Diese Studie zeigt, dass viele Annahmen über Muslime und Integration weit von den eigentlichen Tatsachen entfernt sind. Deutsche Muslime wollen ein Teil einer breiteren Gemeinschaft sein und sich noch mehr in die Gesellschaft einbringen.“

,,Das von deutschen Muslimen den Institutionen des Landes entgegengebrachte Vertrauen beweist, dass starke religiöse Überzeugung nicht zwangsläufig mit mangelnder Loyalität einhergehen muss“, erklärte sie bei der Veröffentlichung der Ergebnisse.

Zu den weiteren wichtigen Erkenntnissen aus Deutschland zählen:

  • Im Hinblick auf institutionelle Einrichtungen haben deutsche Muslime im Vergleich zur Allgemeinheit ein größeres Vertrauen in Gerichte (73 %/49 %), die Bundesregierung (61 %/36 %), die Aufrichtigkeit des Wahlverfahrens (62 %/42 %) sowie in Finanzinstitutionen bzw. Banken(69 %/54 %). Deutsche Muslime bringen jedoch dem Militär (55 %/67 %) und den Medien ein geringeres Maß an Vertrauen entgegen (28 %/34 %).
  • Fast die Hälfte (47 %) der deutschen Muslime würde sagen, dass sie gut und erfolgreich lebt, verglichen mit (36 %) der deutschen Allgemeinheit.
  • Die Fragestellung, ob man im Augenblick einen bezahlten oder unbezahlten Arbeitsplatz habe, wurde von 53 % der deutschen Muslime und von 58 % der breiten Öffentlichkeit bejaht.
  • Nahezu drei von zehn (29 %) deutsche Muslime sind der Überzeugung, dass es für die gesellschaftliche Integration notwendig sei, den Gesichtsschleier abzulegen. Weniger als die Hälfte der allgemeinen Bevölkerung teilt (45 %) diese Meinung.

Im Rahmen des Berichts wurde auch die gesellschaftliche Integration von Muslimen in Großbritannien und Frankreich untersucht. Obwohl befragte europäische Muslime im Hinblick auf moralische Grundsätze eher dazu neigen, konservative Meinungen zu vertreten, als die breite Öffentlichkeit in Frankreich, Deutschland und Großbritannien, so zeigen die Untersuchungsergebnisse auch, dass die europäische Allgemeinheit ebenfalls streng konservative Ansichten vertritt.

Der Bericht beinhaltet darüber hinaus Umfrageergebnisse aus 27 Ländern in vier verschiedenen Kontinenten. In diesem Rahmen wurde festgestellt, dass Bangladesch das Land ist, in dem Religion die größte Rolle im täglichen Leben spielt (99 %). Norwegen nimmt in dieser Hinsicht den letzten Platz ein (20 %) und Deutschland weist einen Wert von 44 % auf.

Die Untersuchung

Das Gallup Center für Islamstudien baut seine Analyse auf Daten aus der Gallup World Poll, einem fortlaufenden Untersuchungsprojekt, in dessen Rahmen Bewohner von über 140 Ländern und Regionen der Welt befragt werden. In dieser Umfrage spiegeln sich die Meinungen von 95 % der Weltpopulation wider.

Die allgemeine Bevölkerung in Deutschland wurde im Jahr 2008 vier Mal befragt. In den Monaten Juni, Juli, Oktober und Dezember wurden Interviews mit jeweils 1011, 1003, 1002 und 1008 Personen durchgeführt. Sofern verfügbar wurden Umfragedaten aus den Monaten Juni und Juli verwendet, da es sich hierbei um die zeitgerechtesten Ergebnisse für einen Vergleich mit den in Großbritannien und Frankreich gesammelten Daten handelte. 506 deutsche Muslime wurden zwischen Mitte Juni und Mitte Juli 2008 per Telefon befragt und die Ergebnisse nach Geschlecht, Alter und Größte des Haushalts gewichtet. Für alle sechs Stichprobengrößen beträgt die größtmögliche Fehlerspanne 5 Prozentpunkte.

Informationen zum Muslim West Facts Project

Das Muslim West Facts Project ist eine gemeinnützige Organisation, die von Gallup und der Coexist Foundation gemeinschaftlich mit dem Ziel geführt wird, die Ergebnisse aus unabhängigen Untersuchungen führenden Meinungsmachern in aller Welt zur Verfügung zu stellen. www.muslimwestfacts.com.

Informationen zur Coexist Foundation

Die Coexist Foundation ist eine im Jahr 2006 gegründete Wohltätigkeitsorganisation, die sich für die Förderung des gegenseitigen Verständnisses zwischen Juden, Christen und Muslimen – den Abrahamitischen Religionen – einsetzt. Dieses Ziel wird mithilfe von Aufklärung, Dialog und Forschungsarbeit verfolgt. Wir hoffen, den Menschen dieser Glaubensrichtungen mit den von uns unterstützten Projekten und Programmen dabei helfen zu können, ihre gegenseitigen Beziehungen zu verbessern – in erster Linie untereinander, aber auch mit Menschen anderer Glaubensrichtungen und jenen ohne jeglichen Glauben. www.coexistfoundation.net.

Informationen zum Gallup Center für Islamstudien

Das Gallup Center für Islamstudien ist ein unparteiisches Forschungszentrum, das sich dem Angebot datengestützter Analysen, Beratung und Aufklärung hinsichtlich der Überzeugungen muslimischer Bevölkerungen überall in der Welt widmet. Dabei stützt sich die Einrichtung auf die unerreichten weltweiten Umfrageinitiativen von Gallup, Gallup World Poll und Gallup Poll of the Muslim World, um Entscheidungsträgern, Institutionen sowie der Öffentlichkeit weltweit die Möglichkeit zu geben, fundiertere Entscheidungen zu treffen. Für weitere Informationen besuchen Sie bitte www.gallupmuslimstudies.com.

Gallup widmet sich seit über 70 Jahren der Studie der menschlichen Natur und des menschlichen Verhaltens. Den Grundstein des Unternehmens bildet Gallups Ruf für relevante, zeitgerechte und zukunftsorientierte Marktforschung im Hinblick auf das, was Menschen überall in der Welt denken und fühlen. Gallup beschäftigt eine Vielzahl weltweit führender Wissenschaftler aus den Bereichen Management, Wirtschaft, Psychologie und Soziologie. Unsere Berater unterstützen Entscheidungsträger dabei, Konjunkturindikatoren auf Grundlage menschlichen Verhaltens überall in der Welt zu identifizieren und zu überwachen.

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  1. Tut mir leid. Da hab ich dann doch so meine Zweifel.
    Das erscheint mir dann doch ein wenig geschönt. Welchen Grund sollten Muslime in Deutschland zu solcher positiven Haltung haben?
    Wobei, wenn ich recht überlege, vielleicht haben sie einfach nur mehr realistische Vergleichsmöglichkeiten.

    • Wieso sollen sich Muslime nicht mit Deutschland identifizieren können? Wir sprechen hier von Menschen, die teilweise schon in der dritten Generation in diesem Land leben, hier geboren und aufgewachsen sind – also, wieso nicht?

      • Da habe ich gar keine Zweifel, dass sie sich auch mit Deutschland identifizieren können.
        Nur bin ich mir nicht so sicher, ob man als Zuwanderer oder Zuwandererkind Deutschland so positiv erlebt, wie es die Studie nahelegt.
        Wenn die Zustimmung so groß wäre, müßte sie sich auch durch eine deutlicher gesellschaftliche Präsenz erkennen lassen. Wo sind die „Türken“ in Parteien und Verbänden?
        Wie erklärt sich das Empfinden, gut und erfolgreich zu leben?
        Mir ist zwar schon aufgefallen, wenn ich mal ne R-Klasse sehe, wird die meist von einem türkischen Yuppie gefahren (Scherz), ich weiß aber einfach auch, dass es erhebliche Problem mit Schul- und Berufsabschlüssen gibt.

  2. Mayade Abdulmajid sagt:

    Also Türken gibt es in der Politik. Vielleicht nicht bis Bundesebene, jedoch auf Landesebene und zwar in verschiedenen Parteien, wie SPD, FDP und natürlich den Grünen.

  3. Schneter sagt:

    Diese Studie ist doch quatsch, bzw. die Aussagen der Befragten. JEDEN(!) Türken, den ich kenne, ob deutscher Pass oder nicht, sieht sich als Türke. Das mag nicht schlechtes sein, doch diesbezüglich muss ich an der obigen Studie schon arg zweifeln.

    Wenn jemand nicht oder wenig an einer Gesellschaft teilhat bzw. teilhaben will, der kann sich nicht mit der Gesellschaft identifizieren. Ausnahmen bestätigen die Regel.

  4. Teleprompter sagt:

    „Nahezu drei von zehn (29 %) deutsche Muslime sind der Überzeugung, dass es für die gesellschaftliche Integration notwendig sei, den Gesichtsschleier abzulegen …“

    „Nahezu drei von zehn.“ Oiii, so viele? Bin beeindruckt.

    „… Weniger als die Hälfte der allgemeinen Bevölkerung teilt (45 %) diese Meinung.“

    Wers glaubt, wird selig. Dieses „Umfrageergebnis“ ist eine Lachnummer.

    Mich würde interessieren, mit welchen Fragen man zu so etwas kommt. Bekanntlich kann man durch das richtige Design der Fragen so ziemlich jedes gewünschte Umfrageergebnis produzieren.

    Übrigens habe ich vor einiger Zeit gelesen, dass diese Galupp-„Studien“ über den Islam, die seit einiger Zeit regelmäßig die Zeitungsspalten befüllen, zu einem erheblichen Teil, aber höchst inoffiziell, von Saudi-Arabien finanziert werden. Das würde die eigenwilligen Ergebnisses erklären.

    • Mayade Abdulmajid sagt:

      Also ich sehe da keinen Wiederspruch: Kann man nicht zu seinen Wurzeln stehen und gleichzeitig sich mit der zweiten Heimat identifizieren? Ich selbst bin „Deutsche“, bin hier geboren und aufgewachsen, meine Eltern kommen aus dem Irak und ja, wenn jemand frägt, bin ich Irakerin. Aber trotzdem ist das Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland selbstverständlich da. In den USA ist es ganz normal ein „afro-american“ oder „latin-american“ zu sein, warum funktioniert denn dieses Prinzip nicht in Deutschland? Ich wäre gern irakisch-deutsch. Und ich denke die meisten hier aufgewachsen Türken wissen, dass sie deutscher sind, als jeder Türke aus der Türkei, das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass sie auf ein Mal deutsch sind. Mal ehrlich: Warum sollten wir Bikulturell aufgewachsenen das sein?

      Und zu deiner Lachnummer, Herr Teleprompter: 3 von 10 gegen das Kopftuch für Integration? -Meinetwegen. Kopftuch ist eine Sache zwischen der Person, die es trägt und Gott. Warum sollte Religionsfreiheit was mit Integration zu tun haben? Ich glaube du müsstest einfach mal über den Tellerrand hinausschauen, bevor du gleich losschießt. Ich kann nur jedem empfehlen sich interkulturell zu öffnen, denn eins zeigt die Studie deutlich: Die allgemeine Bevölkerung hat zum Teil keine Ahnung über ihre muslimischen Mitmenschen

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