EU-Recht

Erste Ausländerbehörde streicht Gebühren bei Türken

Bochumer Ausländerbehörde setzt die Gebühren für Aufenthaltstitel bei Türken aus. Damit setzt sie eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts um. Innenministerien sowie der Innenausschuss im Bundestag beraten derzeit.

Mittwoch, 10.04.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 15.04.2013, 21:39 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Ausländerbehörde Bochum hat die Gebühren für Aufenthaltstitel bei türkischen Staatsbürgern ausgesetzt. Damit ist sie die erste Behörde bundesweit, die die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom März 2013 umsetzt. Darin hatten die obersten Verwaltungsrichter die Unvereinbarkeit der Gebührenpraxis mit EU-Recht festgestellt. Danach dürfen von türkischen Staatsbürgern keine Gebühren erhoben werden, die im Vergleich zu entsprechenden Gebühren für Unionsbürger unverhältnismäßig hoch sind. Derzeit müssen türkische Staatsbürger für einen unbefristeten Aufenthaltstitel 135 Euro bezahlen, bei Unionsbürger beträgt die Gebühr hingegen nur 28,80 Euro.

Gegenüber dem MiGAZIN erklärte eine Sprecherin der Ausländerbehörde in Bochum, dass man sich zu diesem Schritt entschlossen hat, weil derzeit unklar ist, wie hoch die Gebühren sein dürfen. Laut EU-Rechtsexperten und Richter am Verwaltungsgericht Darmstadt, Dr. Klaus Dienelt, ist das Vorgehen der Behörde korrekt. Zwar seien Ausländerbehörden an die Direktiven der Innenministerin gebunden, doch in diesem Fall gelte nicht nationales, sondern höherrangiges EU-Assoziationsrecht. Die Behörden müssten das unmittelbar umsetzen. Und in diesem Punkt sei die Rechtslage eindeutig. „Gefordert sind nunmehr die Innenministerin des Bundes und der Länder“, sagte Dienelt dem MiGAZIN. Sie müssten die Gebühren den Vorgaben der Rechtsprechung entsprechend anpassen.

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Bundesweite Beratung
Wie ein Sprecher des Nordrhein-Westfälischen Innenministeriums dem MiGAZIN mitteilte, befinden sich die Länder derzeit in einem gemeinsamen Abstimmungsprozess. Man sei bemüht, eine einheitliche Lösung für das gesamte Bundesgebiet zu finden. Erörtert wird das Thema am 15. April auch auf Bundesebene, wenn im Innenausschuss des Bundestages erstmals eine Anhörung zum Assoziationsrecht stattfindet.

Beraten werden über einen Gesetzentwurf der Grünen sowie ein Antrag der Linksfraktion. Die Grünen fordern eine Klarstellung des assoziationsrechtlichen Rechtsstatus‘ türkischer Staatsbürger. Sie verweisen auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, das in mehr als 50 Entscheidungen festgestellt hat, dass die EU-Staaten den in der Union lebenden türkischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen Rechte vorenthalten.

Opposition fordert Verankerung im Gesetz
Diese Rechte müssten im deutschen Recht verankert werden, damit sie in den Amtsstuben auch tatsächlich angewendet werden. Und das betreffe nicht nur die Höhe der Gebühren. Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung auf, die „Verschlechterungsverbote im Assoziationsrecht EWG-Türkei entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes“ umfassend umzusetzen und gesetzlich zu verankern. Dies erfordere unter anderem die Rücknahme der seit August 2007 geltenden Regelungen der Sprachnachweise im Ausland als Voraussetzung für den Ehegattennachzug sowie die „Ermöglichung einer weitgehend visumfreien Einreise, jedenfalls auch zu touristischen und familiären Besuchen im Rahmen der passiven Dienstleistungsfreiheit“, heißt es in dem Antrag der Linksfraktion.

Bundesregierung dagegen
Bei einer Bundestagsdebatte im Vorfeld der Anhörung wurde dieser Vorstoß von der SPD unterstützt, die CDU und die FDP sprachen sich strikt dagegen aus. Das war vor dem Leipziger Richterspruch. Dass die Regierungsparteien nach dieser Entscheidung einlenken, ist dennoch eher unwahrscheinlich. Auf eine parlamentarische Frage der Linkspartei hatte das Bundesinnenministerium geantwortet, die Entscheidung des BVerwG binde nur den betroffenen Kläger und die jeweilige Ausländerbehörde – sie entfalte also keine Allgemeinwirkung.

Für den Rechtsexperten Dienelt, der auch als Sachverständiger bei der Anhörung im Innenausschuss vortragen wir, ist das zwar formal juristisch korrekt, in der Praxis habe die Entscheidung des BVerwG aber eine andere Wirkung. Dienelt: „Natürlich werden sich die Gerichte an der höchstrichterlichen Rechtsprechung orientieren.“ (bk) Leitartikel Recht

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