Im Tal der Wölfe

Ich bin sehr enttäuscht. Wirklich sehr.

Der angekündigte Kinostart von "Tal der Wölfe Palästina" am Gedenktag des Holocaust hat für viel Aufregung in der Öffentlichkeit gesorgt, die Nichtfreigabe des Streifens seitens der FSK - zwar kaum beachtet - ebenfalls. Der Film spielt dabei kaum mehr als eine Nebenrolle.

Von Donnerstag, 27.01.2011, 8:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 31.01.2011, 14:10 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Kinofilm „Tal der Wölfe Palästina“ hat im ersten Moment nicht das geringste mit der Integration der in Deutschland lebenden Menschen zu tun. Es ist eine rein türkische Produktion aus der Türkei im typischen Hollywood Manier. Wenn aber gefordert wird, dass es verboten wird, erlangt es eine andere Dimension, eine integrationspolitische Bedeutung. Auf den Inhalt des Streifens, kommt es dann nicht einmal mehr an.

Denn gemessen wird nur noch nach der Messlatte, die zuvor angesetzt wurde. Die Mohammed Karikaturen und die anschließende Auszeichnung des Karikaturisten von Bundeskanzlerin Angela Merkel höchstpersönlich oder das Theaterstück „Idomeneo“, in der der Prophet Mohammed geköpft wurde, sind nur zwei Beispiele, in denen die Fahne der Meinungs- und Kunstfreiheit hochgehalten wurde. Integrationspolitisch zu hoch, wenn nun das Verbot von „Tal der Wölfe Palästina“ gefordert wird.

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Die Leserkommentare vieler MiGAZIN Leser nach der Nichtfreigabe des Films seitens der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) sprechen für sich. Das Verbot bestärke die Muslime nur darin, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird, meint beispielsweise bogo70. Sie wird bestätigt von Farukkk, der sich über die „doppelmoral der Deutschen“ beschwert und wissen will, was denn nun Freiheit bedeute und ob er als Muslim auch Freiheiten habe. Ein DeutscherMitMigrationshintergrund fordert: „Lasst den Film laufen! Im Gegenzug können wieder 15 weitere islamfeindliche Filme ausgestrahlt werden. Wir sind es schliesslich gewohnt und lassen allen anderen ihren Spaß.“ Und Durgud meint: „den migranten wird doch nur wieder gezeigt, auf euch trifft das recht der meinungsfreiheit nicht zu. für uns schon. Ich bin sehr enttäuscht. wirklich sehr.“

Bezeichnend ist, dass sich kein einziger darüber aufregt, dass er den Film nicht sehen kann. Ihre Aufregung bezieht sich im Grunde auch nicht auf den Verbot des Films. Nein, die Aufregung entspringt einzig und allein dem Gefühl, nicht gleich behandelt worden zu sein. Sie fühlen sich belogen und betrogen weil die Messlatte der Meinungs- Kunstfreiheit doch nicht so hoch zu hängen scheint, wie man es ihnen nahelegen wollte, als sie sich gekränkt und verletzt fühlten und ihre Sensibilitäten betroffen waren. Sie sind verärgert weil sie der Meinung sind, dass die Fahne der Meinungs- und Kunstfreiheit – je nachdem – gewedelt wird. Und da kommt man an einen Punkt, wo deutlich wird, dass Deutschland nicht in der Lage ist, integrationspolitisches Fingerspitzengefühl zu zeigen. Nicht wegen den Wölfen im Tal, sondern wegen der Fahne, die zuvor noch ein unbeschreiblich hohes Gut zu sein schien.

Mit fatal Folgen: Denn Integration ist mehr als Bildung, Sprache oder der deutsche Pass. Integration ist auch ein Gefühl, dass einem sagt, ob man willkommen ist, respektiert und als gleichberechtigtes Mitglied akzeptiert wird – mit allen Rechten und Pflichten! Spürt man das nicht, wird es schwierig, Heimatgefühle zu entwickeln, auf der dann alles andere erlernt und erlangt werden könnte.

Integration ist auch Selbstbewusstsein, ohne die man nicht teilhaben kann. Und auf diesem trampelt man herum, wenn einem signalisiert wird, dass auf seine Meinung, kein Wert gelegt wird.
Meinung

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  1. Türkenarabermoslem sagt:

    Schön, daß hier alle diskutieren, ohne auf die Begründung für die Zensur gegen den Film einzugehen:

    Hier die Begründung der FSK:

    http://www.yazete.com/haberdetay.asp?Newsid=70479

    In der Begründung wird in keinster Weise der Begriff „antisemitisch“ verwendet. Dies wäre bei dem Filmszenario auch nicht möglich, da die Palästinenser ebenfalls Semiten sind.

    Das größte KZ der Geschichte befindet sich zur Zeit in Gaza. Dort werden 1,5 Mio Menschen kollektiv bestraft, die Hälfte davon Kinder!

    Die kollektive Bestrafung von Zivilisten ist laut Genfer Kriegskonvention verboten und gilt als Kriegsverbrechen. Alles andere ist Heuchelei.

  2. Manfred O. sagt:

    @LoLoshHara

    Die Produktionsfirma und Macher der Serie und des Films sind sich sehrwohl bewußt, was sie da produzieren. Sie die Stellunghame der Produktionsfirma PANA. Daraus geht klar hervor „wessen Geistes Kind“ da die Hand am Schneidetisch hat.

  3. gaugin sagt:

    Sehr geehrter Herr Senol,

    wenn sie kritisieren, dass beim Thema Meinungs- und Pressefreiheit doppelte Standards praktiziert werden, haben sie natürlich völlig recht. Dies gilt für alle Beteiligten. Es ist in jüngster Zeit eine Unsitte geworden
    bei mißliebigen Meinungen, oder im vorliegenden Fall Filmen, gleich nach Verboten oder gar dem Staatsanwalt zu rufen. Wer sich im Karrikaturenstreit als Hüter der Pressefreiheit aufgespielt hat und nun Kinofilme zensieren will ist schlicht nicht glaubwürdig.

    Trotzdem finde ich es schon ziemlich irritierend, wenn sie sich, mit dem antisemitischen Charakter des Films konfrontiert, zum wiederholten Male auf den Standpunkt zurückziehen es gehe hier nicht um den Inhalt des Films. Auch ich bin strikt gegen ein Verbot der Austrahlung. Das hindert mich aber nicht daran den Film als das zu bezeichnen was er ist : primitive antisemitsche Hetze, auf seine Art durchaus vergleichbar mit „Werken“ wie Jud-Süß.
    Migazin ist meiner Wahrnehmung nach ja recht schnell mit Vorwürfen bei der Hand andere seien islamophob oder rassistisch. Oft haben sie damit Recht. Finden sie aber nicht auch, dass sie dann folgerichtig Vorurteile in der „eigenen“ Community genauso scharf kritisieren müssten ?
    Warum schweigen soviele muslimsche Intellektuelle, dazu rechne ich sie jetzt mal, beim Thema muslimischer Antisemitismus ?
    Wie ist das Schweigen zu deuten?
    Wissen sie eigentlich, dass viele von uns Juden mittlerweile genausoviel Angst vor jungen Türken und Arabern haben wie vor Neo-Nazis?

    Auf eine ehrliche Antwort die nicht „es geht nicht um den Inhalt des Films“ lautet würde ich mich sehr freuen.

    • @ gaugin

      Gerne gehe ich auf Ihre Netiquette – vielen Dank dafür – ausführlicher ein :)

      Sie fragen mich nach meiner Meinung zum Film: Ich habe es nicht gesehen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es geeignet ist, bei Zuschauern Ressentiments oder sogar Hass zu schüren, weil leider nicht jeder in der Lage ist, Fiktion von der Realität zu trennen oder auch zu differenzieren, sofern der Film selbst differenziert oder was auch immer angeprangert.

      Insofern bin ich froh, dass Serkan Tören hier im MiGAZIN schreibt: „Ich möchte junge Migranten dazu ermutigen und auffordern, sich mit der Geschichte Deutschlands auseinanderzusetzen. Das ist für unsere Einwanderungsgesellschaft Pflicht und Chance zugleich, wertvolle Lehren zur Verhinderung von Diskriminierung, Rassismus und Ausgrenzung zu ziehen.“ Er macht auf etwas ganz Wichtiges aufmerksam. Denn ich bin der Überzeugung, dass gerade Minderheiten eine ganz andere Sorgfalt an den Tag legen und ein ganz besonderes Interesse daran haben sollten, dass man den Holocaust nicht vergisst, relativiert oder leugnet.

      In diesem Zusammenhang finde ich es einfach nur beschämend, wenn wer auch immer von wem auch immer Angst haben muss. Das ist selbstverständlich kein Zustand, den man tolerieren darf. Niemand sollte Angst haben müssen. Das steht außer Frage. Und wenn Ihre Aussage stimmt, muss man Aufklärungsarbeit leisten – und zwar schleunigst.

      Mein Beitrag bezieht sich auf die integrationspolitischen Folgen des fehlenden Fingerspitzengefühls im Umgang mit den Empfindlichkeiten und Sensibilitäten von einzelnen Minderheitengruppen, weswegen es auf den Inhalt des Films – und das zeigen die Leserreaktionen – leider nicht mehr ankommt.

      PS: Dass das MiGAZIN generell mehr „Selbstkritik“ bringen könnte, stimmt. Wir arbeiten daran. In diesem Fall aber stehen die kritischen Aussagen von Serkan Tören in Richtung „eigene Community“ nach wie vor unangetastet auf MiGAZIN und – wie ich finde – nicht ohne Schärfe.

      Beste Grüße

  4. MoBo sagt:

    @ Türkenarabermoslem: Antisemtismus bezieht sich nicht auf die Semiten als Ethnie/ Völker sondern auf Juden. Es gibt demnach auch Araber die antisemitisch sind.

    Bei allem übel im Gaza würde ich es auch nicht „KZ“ nennen, weil es die Diskussion emotionalisiert. zum Beispiel, Sie sagen „Die kollektive Bestrafung von Zivilisten ist laut Genfer Kriegskonvention verboten und gilt als Kriegsverbrechen. Alles andere ist Heuchelei.“ Da stimme ich voll zu. Aber da sie Gaza pauschal mit Orten wie Auschwitz gleichsetzen habe ich dann Probleme da weiter zu folgen. Das klingt zu sehr nach „Israel = Nazis“. Interessanterweise macht Ägypten ja auch den Gaza dicht. (mir geht es hier nicht um eine Verharmlosung des Leids der Palästinenser, ich bin nur strikt gegen eine Gleichstellung mit der Shoa)

  5. Bülent Bayraktar sagt:

    Die Produzenten: Dieser Film ist antizionistisch, antiisraelisch (nicht antisemitisch!) […]

    Dr. Dieter Graumann (Vorsitzender des Zentralrats der Juden): „[…] Natürlich ist es legitim, die konkrete Politik der israelischen Regierung zu kritisieren. Das geschieht in Israel auch ständig. Dort wird sehr leidenschaftlich diskutiert. Auch wer in Deutschland israelische Politik leidenschaftlich ablehnt, ist damit noch längst nicht Antisemit. […] „

  6. Ali sagt:

    Sehr geehrter Herr Senol,

    ich denke, Sie wissen sehr genau , dass eine sehr große Anzahl der türkisch-arabisch-moslimische Community-Mitglieder eine antisemitisch-antiisraelische-rassistische Haltung gegenüber Juden einnimmt.
    Der Film versucht genaue diese Zielgruppe mit sehr primitiven, menschenverachtende Vorurteilen zu bedienen.
    Wer versucht die Befriedigung dieser Vorurteile mit der Meinungsfreiheit zu begründen, der offenbart wes Geistes Kind er ist.

  7. Tal der Wölfe sagt:

    Wenn Mohammed-Karikaturisten geehrt werden, dann bin ich dafür, dass auch Produzenten von Filmen wie „Tal der Wölfe“ geehrt werden.

  8. Frollein XY sagt:

    … Die Meinungsfreiheit rechtsradikaler autochthoner Deutscher bleibt aber per Verfassung geschützt (ohne auch nur einen Hauch weniger menschenverachtend und antisemitisch zu sein)…
    Armes Deutschland!

  9. Pingback: Chajms Sicht » Tal des Hasses

  10. ebabil sagt:

    Sehr gelungener Artikel. Auffällig ist, dass der Film in allen deutschsprachigen Medien schlecht geredet wird. Am gemeinsten finde ich den Antisemitismusvorwurf. Eine Heldin des Filmes ist Jüdin, in mehreren Szenen wird darauf hingewiesen, dass dies kein Konflikt zwischen Juden und Muslimen ist. Der Film möchte auf die unmenschliche, ja grausame israelische Besatzungspolitik hinweisen. Aber der Antisemitismus-Vorwurf kam ja schon noch bevor den Film irgendjemand gesehen hatte. Das zeigt wie voreingenommen man hier zu Lande an diesen Film herangeht. Eine weitere Kritik richtet sich an die Handlung. Der Film sei „dumm“ (taz) und kitschig. Er würde schwarz-weiß Malerei bereiben. Ich kann mich nicht erinnern, dass Filme wie Rambo, Rocky 4, American Fighter oder James Bond hier genauso kritisiert wurden wie Tal der Wölfe. Obwohl all diese Kritikpunkte auch auf sie und ein dutzend weiterer Hollywood-Filme zutreffen würden. Im Gegenteil, diese Filme wurden begeistert aufggenommen, ohne sie inhaltlich zu hinterfragen. Warum also jetzt?