Fachkräfteeinwanderungsgesetz
Fortschritte bei Erwerbsmigration – aber hohe Hürden und Diskriminierung bleiben
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz erleichtert Einwanderung, doch hohe Hürden und häufige Diskriminierung belasten Erwerbsmigranten weiterhin. Eine IAB-Studie beleuchtet die aktuellen Herausforderungen.
Montag, 28.10.2024, 10:51 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 28.10.2024, 10:52 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Mit dem 2020 in Kraft getretenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) wurden die Einwanderungswege nach Deutschland für Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten neu geregelt. Ziel war es, den Fachkräftemangel durch gezielte Zuwanderung zu lindern. Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt nun erste Effekte: Der Anteil an Frauen und jüngeren Menschen unter den Erwerbsmigranten ist gestiegen. Doch trotz Fortschritten bleiben viele Hürden bestehen – und Diskriminierungserfahrungen sind weit verbreitet.
Seit Einführung des FEG stieg die Zahl der Erwerbsmigranten aus Drittstaaten auf 72.000 Personen im Jahr 2023. Die Altersstruktur hat sich dabei verändert: Während vor 2020 nur 42 Prozent der Erwerbsmigranten jünger als 31 Jahre waren, sind es nun 61 Prozent. Auch der Anteil der Frauen unter den Erwerbsmigranten ist gestiegen und liegt aktuell bei 39 Prozent – ein deutlicher Anstieg gegenüber den 30 Prozent vor der Gesetzesreform.
Diese Entwicklung zeigt, dass Deutschland offenbar attraktiver für jüngere Menschen und Frauen geworden ist. Doch hinter den Zahlen verbergen sich auch Herausforderungen: Erwerbsmigranten mit beruflichen Abschlüssen haben es weiterhin schwer, einen Aufenthaltstitel zu erhalten. Ihr Anteil ist von 19 Prozent auf 11 Prozent gesunken, während die Zahl der Hochschulabsolventen stieg. Laut IAB-Forscherin Tanja Fendel ist der Grund dafür die komplizierte Anerkennung beruflicher Abschlüsse. „Der Nachweis der Gleichwertigkeit für im Ausland erworbene Berufsabschlüsse, vor allem in nicht reglementierten Berufen, ist langwierig, während Hochschulabschlüsse international besser vergleichbar sind“, erklärt Fendel.
Hohe Beschäftigungsquoten, aber häufige Diskriminierung
Positiv fällt auf, dass Erwerbsmigranten in Deutschland hohe Beschäftigungsquoten erreichen. Bereits im ersten Jahr nach dem Zuzug sind laut Studie 92 Prozent der zu Erwerbszwecken eingewanderten Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder in Ausbildung. Auch langfristig bleiben die Quoten hoch: Nach fünf Jahren liegt der Anteil vollzeitbeschäftigter Erwerbsmigranten bei 75 Prozent der Frauen und 86 Prozent der Männer. Dies übertrifft die Beschäftigungsquote der deutschen Bevölkerung, die 2022 bei 65,5 Prozent lag.
Dennoch werden Erwerbsmigranten im Alltag oft diskriminiert. So berichtet mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Befragten von Diskriminierungserfahrungen in mindestens einem Lebensbereich. Besonders belastend sind die Erfahrungen bei der Wohnungssuche: Hier fühlten sich 40 Prozent diskriminiert. Auch am Arbeitsplatz nehmen Erwerbsmigranten Diskriminierung wahr; rund 21 Prozent gaben Benachteiligungen an. Der Umgang mit Ämtern und Behörden wurde ebenfalls von einem Fünftel als diskriminierend erlebt. Laut IAB-Forscher Boris Ivanov kann die negative Erfahrung die Wahrnehmung Deutschlands als Einwanderungsland trüben. „Deren Erfahrungen können damit entscheidend zur Wahrnehmung Deutschlands als attraktives Ziel für Fachkräfte beitragen“, so Ivanov.
Bürokratische Hürden belasten den Einwanderungsprozess
Die Studie zeigt, dass die gesetzlichen Änderungen des FEG zwar einige Hürden abgebaut haben, es jedoch weiterhin bürokratische Schwierigkeiten bei der Visumserteilung und der Anerkennung von Qualifikationen gibt. Besonders belastend ist dies im Familienkontext, da Einwanderungsentscheidungen oft gemeinsam mit Partnern und Kindern getroffen werden. Eine ganzheitliche Betreuung des Einwanderungsprozesses, die auch die Jobsuche der Partner und die Kinderbetreuung berücksichtigt, wäre laut Fendel ein wichtiger Schritt, um Einwanderung langfristig zu fördern.
Die IAB-Untersuchung zeigt zudem, dass die Realität für Einwanderer weiterhin und Vorurteilen geprägt ist. Wenn Deutschland als Einwanderungsland nachhaltig attraktiv bleiben solle, brauche es umfassende Maßnahmen gegen Diskriminierung. Persönliche Kontakte stellten eine zentrale Informationsquelle für potenzielle Migranten dar. Erfahrungen von bereits in Deutschland lebenden Personen könnten somit entscheidend für den Erfolg des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sein – im positiven wie im negativen Sinne. (mig) Leitartikel Panorama
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