Hasskommentare und weniger Umsatz
Jüdische Lokale kämpfen gegen Antisemitismus
Negative Online-Kommentare und Antisemitismus nehmen seit dem 7. Oktober zu. Auch jüdische Restaurants in Frankfurt verzeichnen seither weniger Umsatz. Der Gastronom Nir Rosenfeld wehrt sich gegen Ressentiments.
Von Marie Kröger Sonntag, 25.08.2024, 11:58 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 25.08.2024, 13:00 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Wörter sind so kleingeschrieben, dass man sie nur erkennt, wenn man wenige Meter vor dem großen Namensschild des Restaurants steht: Unter „Kuli Alma“ steht „Israeli Kitchen“. Dieser Zusatz macht dem Frankfurter Gastronomen Nir Rosenfeld große Probleme.
„Anonyme Anrufe nehmen wir im Restaurant nicht mehr an. Wir wurden bereits häufiger gefragt, warum man uns noch nicht vergast hätte“, sagt Rosenfeld, der in Israel geboren wurde und seit 21 Jahren in Deutschland lebt. Von den vier Restaurants, die Rosenfeld in Frankfurt am Main betreibt, sind drei koscher. Frankfurt hat nach Berlin mit 6.300 Mitgliedern die zweitgrößte jüdische Gemeinde in Deutschland, es gibt in der Banken-Metropole sogar mehr koschere gastronomische Angebote als in der Bundeshauptstadt.
Doch seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und der anschließenden Gewalteskalation im Gazastreifen ist der Umsatz in Rosenfeld Restaurants zurückgegangen. Im Gegenzug seien antisemitische Bewertungen über seine Lokale gestiegen. Auf Google etwa schreibt eine Nutzerin über ihren angeblichen Besuch, den sie mit einem Stern bewertet hat: „Ziemlich irreführend. ‚Palästinensisches Essen‘ müsste es heißen, so etwas wie ‚Israelisches Essen‘ gibt es nicht, da es dieses Land überhaupt nicht gibt. Keine Empfehlung.“
Antisemitismus on- und offline
Für solche Kommentare bezahlt Rosenfeld einen Anwalt, damit Google sie löscht. Hasskommentare entferne Google in der Regel, doch nicht die Ein-Stern-Bewertungen ohne eine Angabe von Gründen, erzählt Rosenfeld. Doch auch offline sieht sich Rosenfeld mit Antisemitismus konfrontiert. Ein Bekannter habe ihm neulich einen – freundlich gemeinten – Hinweis gegeben, dass er als Jude in Deutschland keine Steuern zahlen müsse.
Im Jüdischen Museum Frankfurt, in dem Rosenfeld das Restaurant „Life Deli“ betreibt, zeigt sich ein ambivalentes Bild. Seit Beginn des Jahres verzeichne man einen Besucherrückgang um 15 Prozent, teilt das Museum mit. Aber bei Events wie der „Nacht der Museen“ kämen mehr Besucher. Zwar erhalte das Museum zahlreiche Solidaritätsbekundungen von Besuchern, doch hätten antisemitische Zuschriften, Kommentare und Bewertungen auf Social Media sowie auf den Feedback-Wänden innerhalb des Museums zugenommen. Da das Jüdische Museum eine Einrichtung der Stadt Frankfurt am Main ist, übernimmt die Stadt auch die rechtliche Vertretung.
Koscher ist auch Halal für Muslime
Die Schutzmaßnahmen für jüdische Einrichtungen sind laut der Polizei Frankfurt weiterhin auf einem „dauerhaft hohen Niveau“. Dies betreffe aber nur öffentliche Einrichtungen, wie Synagogen, Museen und Schulen, die koscheren Restaurants von Nir Rosenfeld sind ausgenommen. In den ersten Tagen nach dem Terroranschlag habe er auf eigene Kosten einen Sicherheitsdienst für seine Restaurants engagiert, sagt er.
Rosenfeld hat auch viele muslimische Gäste. Weil er die Kaschrut, die jüdischen Speisevorschriften, befolgt, können Muslime sicher sein, dass sein Essen auch halal ist. Täglich – außer am Schabbat – kommt ein von der Gemeinde bestellter Aufseher in Rosenfelds Restaurants und überprüft den Zubereitungsprozess. „Bei uns wird in jeden Pilz geguckt. Denn ein Wurm im Salat ist für gläubige Juden genauso schlimm wie zum Beispiel der Verzehr von Schweinefleisch“, sagt der Gastronom.
„Trotzdem mache ich mir Sorgen“
Das koschere Restaurant „Sohar’s“ befindet sich auf dem Gelände der jüdischen Gemeinde Frankfurt und wird von Sicherheitskräften sowie von der Polizei mit beschützt. Doch auch das „Sohar’s“ hat mit fehlenden Einnahmen zu kämpfen, sagt Matan Gur, der Sohn des Geschäftsführers. Anders als in Rosenfelds Restaurants liegt es dort jedoch an dem verstärkten Sicherheitskonzept, das Gäste abschreckt. In den ersten Monaten nach dem 7. Oktober seien zudem Einnahmen für Catering weggefallen, weil in der jüdischen Community auch niemand für private Feste in der Stimmung gewesen sei.
Noch fühlt sich der Gastronom in Deutschland wohl und sicher. „Trotzdem mache ich mir Sorgen, wenn ich sehe, was in anderen europäischen Ländern oder den USA mit jüdischen Menschen passiert“. Rosenfeld erinnert sich in letzter Zeit öfter an seinen polnischen Großvater, der die Schoah überlebte. „Er hat Hitlers Drohungen sofort ernst genommen und wanderte nach Israel aus. Irgendwann wird es auch für mich zurückgehen“, ist sich Rosenfeld sicher: „Ich will meine israelische Identität leben und nicht verstecken müssen.“ (epd/mig) Leitartikel Panorama
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