Sachsen-Anhalt
Debatte um CDU und AfD in den Kommunen: „Die Brandmauer hält nicht“
Nach den Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt haben sich die Mehrheiten vielerorts verschoben. Gerade kommen Kreistage und Stadträte zu den ersten Sitzungen zusammen. Bei der Wahl der Präsidien kommt es zu Überraschungen: AfD-Politiker werden gewählt – mit mehr Stimmen, als sie haben.
Von Simon Kremer Sonntag, 07.07.2024, 12:49 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 07.07.2024, 12:49 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Bei den ersten Sitzungen der Kommunalparlamente geht es kaum um inhaltliche Diskussionen. Die Tagesordnungen sind technisch geprägt, es wird permanent gewählt und abgestimmt: Es geht um die Bestätigung der Gültigkeit der Geschäftsordnung, die Sitzordnung der Fraktionen, die Zusammensetzungen der Ausschüsse. Und es geht um Posten, die nicht so repräsentativ sind, wie die von Bürgermeistern oder Landräten, aber die Einfluss haben. Es geht um die Frage, wer die Sitzungen der Stadträte und Kreistage leitet.
In den vergangenen Tagen wurden mehrfach AfD-Vertreter in Präsidien gewählt. Das treibt andere Parteien im Land auf die Palme. Sie sehen die vielbeschworene „Brandmauer“ der CDU gegen die AfD bröckeln. Linke und SPD in Sachsen-Anhalt werfen der CDU vor, dass AfD-Vertreter in kommunale Präsidien gewählt worden seien. Die CDU müsse den Beschluss zur „Brandmauer gegen rechts“ konsequent durchsetzen, heißt es etwa in einem Beschluss des SPD-Landesvorstandes.
Nach den Kommunalwahlen, bei denen Anfang Juni die AfD in zahlreichen Kommunen und Landkreisen die meisten Stimmen erhalten hatte, finden aktuell die konstituierenden Sitzungen von Stadträten und Kreistagen statt. Im Kreistag des Salzlandkreises wurde Claudia Weiß von der AfD zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Sie bekam 34 Stimmen, die AfD hat im Kreistag 16 Sitze, die CDU 15.
Im Stadtrat von Stendal wurde ein Vertreter der AfD mit 23 Stimmen zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt, hier hat die AfD zwölf Sitze, die CDU elf. Auch in anderen Städten, etwa in Mansfeld, wurden AfD-Vertreter in die Präsidien gewählt. In Sachsen-Anhalts zweitgrößter Stadt, Halle, fiel der Vorschlag der AfD für den prestigeträchtigen Posten dagegen durch, obwohl die AfD die meisten Stimmen bei der Wahl bekommen hatte.
Politikwissenschaftler sehen keinen Automatismus bei Wahl der Vorsitzenden
Die Diskussion um den Vorsitz der Kreistage und Stadträte ist dabei nicht unerheblich, findet Professor Jörg Bogumil vom Lehrstuhl für Öffentliche Verwaltung, Stadt- und Regionalpolitik an der Ruhr-Universität Bochum. „Die Funktion des Vorsitzenden ist es, die Sitzungen zu leiten und Tagesordnungen vorzubereiten“, erklärt Bogumil. „Mit dem Verfahren kann man auch in Teilen die Inhalte steuern.“ Der Vorsitz sei schon eine Funktion mit gewissen Einflussmöglichkeiten.
In der Vergangenheit sei es so gewesen, dass es ein ungeschriebenes Gesetz gewesen sei, dass die stärksten Fraktionen auch die Vorsitzenden stellten. „Aber es gibt keinen Rechtsanspruch darauf. Und man hat es nie für die AfD gemacht.“ Im Bundestag sowie im Landtag von Sachsen-Anhalt fielen AfD-Abgeordnete bei der Wahl in die Präsidien der Parlamente regelmäßig durch.
Wenn jetzt auf kommunaler Ebene AfD-Vertreter in die Präsidien gewählt würden, dann sei es ein erster Hinweis darauf, dass man auf kommunaler Ebene der Meinung sei, man müsse mit der AfD zusammenarbeiten, sagt Bogumil. „Die Brandmauer hält nicht.“ Das Argument, dass es im Kommunalen um Sachpolitik gehe, stimme bei der Besetzung von Ämtern so nicht. „Man sieht hier auch, dass es für die CDU als Partei schwierig ist, im Kommunalen zu kontrollieren, wie abgestimmt wird. Die CDU macht nach außen diese Politik der Brandmauer, aber sie kann es letztlich nicht vollständig kontrollieren.“
„Gefährlich, wenn ein Repräsentant einer im Kern rechtsextremen Partei solch ein Amt übernähme.“
Auch Politikprofessor Benjamin Höhne von der TU Chemnitz sieht die vielbeschworene Brandmauer der CDU gefallen. Gerade im Osten habe man es bei der AfD mit einer gesichert rechtsextremen Organisation zu tun. „Sie ist deshalb keine normale Partei“, führt Höhne aus. „Es ist Strategie der AfD, sich als normal hinzustellen und solche Wahlen tragen zur Normalisierung der Partei bei.“
Mit der Übernahme von Funktionen wie etwa im Präsidium von Kommunalparlamenten gehe es auch um bestimmte Mittel, die Demokratiefeinde nicht bekommen sollten. „Es wäre gefährlich, wenn ein Repräsentant einer im Kern rechtsextremen Partei solch ein Amt übernähme.“
Die CDU verteidigt dagegen das Abstimmungsverhalten ihrer Mitglieder in den Kommunen. „In den Kommunen haben sich die Mehrheitsverhältnisse verschoben“, sagt der Generalsekretär der CDU Sachsen-Anhalt, Mario Karschunke. „Für uns ist wichtig, dass wir in Sachthemen gesprächsbereit bleiben und Entscheidungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger treffen.“ Die von Ideologie getriebene Bundesregierung habe mit ihrer bürgerfremden Verbots- und Gebotspolitik dafür gesorgt, dass extreme Parteien gestärkt worden seien.
„Unsere Brandmauern stehen fest.“ Aber die Arbeitsfähigkeit der kommunalen Gremien stehe an erster Stelle. Es wäre kaum vermittelbar, sich auf kommunaler Ebene flächendeckend in Personaldebatten zu verlieren, sagt Karschunke. In den kommenden Tagen finden in weiteren Kreisen und Städten die ersten Sitzungen statt, bei denen es dann erneut um die Wahl der Präsidien geht. (dpa/mig) Aktuell Politik
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