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Agentur für Arbeit, Arbeitsamt, Gebäude, Arbeitslosigkeit
Bundesagentur für Arbeit (Archiv) © Tim Reckmann @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Berufsbegleitende Integrationskurse

Geflüchtete sollen schneller in Arbeit – auch ohne Sprachkenntnisse

Wer als Flüchtling nach Deutschland kommt, hat es auf dem Arbeitsmarkt oft schwer. Dabei brauchen die Firmen jeden Mitarbeiter. NRW und weitere Bundesländer wollen Hindernisse aus dem Weg räumen. Im Fokus stehen Ukrainer. Auch aus der Wirtschaft werden Forderungen laut.

Montag, 08.04.2024, 14:16 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 08.04.2024, 14:16 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Die NRW-Landesregierung und die Arbeitsagentur wollen geflüchteten Menschen schneller den Weg in eine Erwerbstätigkeit ebnen. In einer landesweiten Initiative sollen Abläufe beschleunigt und Hürden auf dem Weg in den Arbeitsmarkt für Migranten beseitigt werden, teilten Landesregierung und Arbeitsagentur mit.

Vor allem wollen die Akteure dafür sorgen, dass nicht eine staatliche Maßnahme auf die andere aufbaut – sondern dass vieles parallel und dadurch schneller funktioniert. So würden seit Jahresbeginn die beruflichen Kompetenzen geflüchteter Menschen schon während der ersten Integrationskurse abgefragt. Dadurch könne früher begonnen werden, im Ausland erworbene Qualifikationen anzuerkennen und nach passenden Praktikums- und Arbeitsstellen zu suchen, teilten Landesregierung und Arbeitsagentur mit.

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Integrations- und Sprachkurse künftig berufsbegleitend

Außerdem sollen Einwanderer nicht erst Integrations- und Sprachkurse besuchen müssen, um dann arbeiten zu können – sondern mit berufsbegleitenden Sprachkursen beides gleichzeitig machen. Das nütze sowohl den geflüchteten Menschen als auch den mit Fachkräftemangel kämpfenden Unternehmen in Nordrhein-Westfalen.

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Im Moment sei der Weg in den Arbeitsmarkt für zugewanderte Menschen oft schwierig, sagte NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). „Wir sind hier längst nicht so gut, wie wir es gerne sein wollen.“ Die Behörden müssten insgesamt „noch viel zuversichtlicher auf die Potenziale der Menschen schauen“ – so könnten gezielt Hindernisse bei der Vermittlung in einen Job beseitigt werden.

Einen Fokus will die Arbeitsagentur auf Menschen legen, die vor dem Krieg in der Ukraine nach Nordrhein-Westfalen geflüchtet sind. Von gut 112.000 erwerbsfähigen Ukrainern in NRW seien im Februar 2024 nur 19 Prozent tatsächlich einer Berufstätigkeit oder Ausbildung nachgegangen. Dadurch gingen den Unternehmen dringend benötigte Arbeitskräfte verloren – und den Flüchtlingen fehle die Chance auf eine gute Integration in Deutschland über den Arbeitsplatz, sagte der NRW-Chef der Arbeitsagentur, Roland Schüßler.

Arbeitsagentur dringt auf schnelle Integration von Ukrainern

Bereits Ende Februar hatte NRW-Arbeitsagentur-Chef Roland Schüßler auf eine schnelle Integration ukrainischer Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt gedrängt. „In den nächsten Monaten werden in NRW rund 27.000 potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Sprach- und Integrationskurse beenden“, erklärte der Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion NRW in Düsseldorf. Diese Menschen seien häufig gut qualifiziert.

Derzeit arbeiteten in NRW bereits mehr als 30.000 Ukrainer in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Das seien rund 20.000 mehr als vor dem russischen Angriffskrieg. „Hinter ihnen stehen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die gute Erfahrungen machen“, so Schüßler. Sie seien Vorbilder für andere Unternehmen, die etwa an Jobbörsen teilnähmen.

Von den positiven Beispielen könne man etwa lernen, wie man scheinbare Hindernisse pragmatisch aus dem Weg räumen kann. „Dazu gehört nicht selten, dass Sprachkenntnisse noch nicht hundertprozentig sind und damit die Einstellung erschweren.“ Doch daran lasse sich mit der passenden Unterstützung gut arbeiten. „Zumal, da sich im beruflichen Alltag Sprache am besten lernen lässt.“

Sachsen-Anhalt appelliert: Arbeit auch ohne Sprache möglich

Ähnliche Bestrebungen gibt es auch in anderen Bundesländern. In Sachsen-Anhalt beispielsweise sollen Geflüchtete ebenfalls schneller als bisher in Unternehmen arbeiten, auch ohne weitreichende Sprachkenntnisse. „Wir setzen auf eine zügige Arbeitsmarktintegration parallel zu möglichen Anerkennungsverfahren von Berufsabschlüssen, berufsbegleitenden Sprachkursen und unmittelbarer Sprachanwendung im Berufsalltag“, erklärte Arbeitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) Mitte März.

„Unser Ziel ist, mit Weiterbildungen den Weg in qualifizierte Berufe zu ebnen. Jetzt braucht es mehr Unternehmen, die Geflüchteten eine Chance geben, auch wenn sie noch nicht perfekt Deutsch sprechen.“ Absolventen aus den Integrationskursen sollten so schnell wie möglich Arbeitserfahrungen sammeln und weiterqualifiziert werden.

Arbeitsminister Heil: „Nicht zufrieden mit den Integrationsquoten“

Auf Bundesebene hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Unternehmen dazu aufgefordert, mehr Geflüchtete wie etwa aus der Ukraine in Arbeit zu bringen. „Ich bin nicht zufrieden mit den Integrationsquoten, die wir haben“, sagte Heil in Berlin. Der Minister warb um Geduld: „Wir brauchen ein bisschen Zeit, um auch Erfolge zu haben.“ Heil appellierte an die Arbeitgeber, auch Menschen mit wenig Deutschkenntnissen einzustellen. „Wir sollten dafür sorgen, dass wir jetzt nicht Menschen in Arbeitslosigkeit hängen lassen“, sagte er.

Aus der Opposition wurden zuletzt Forderungen laut, wonach die Zahlung von Bürgergeld an Geflüchtete aus der Ukraine auf den Prüfstand gestellt werden soll. Unionspolitiker monierten, dass ukrainische Geflüchtete in Deutschland im Vergleich zu Ukrainern in anderen EU-Ländern seltener arbeiten. Ursache sei möglicherweise das deutsche Bürgergeld, das vergleichsweise höher sei als in anderen Ländern.

Intel-Manager für mehr Mühe bei Integration ausländischer Fachkräfte

Forderungen nach schnellerer und unbürokratischer Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt kommen zunehmend auch aus der Wirtschaft. Intel-Manager Bernd Holthaus etwa fordert von der Politik mehr Anstrengungen. „Es geht darum, den Standort Deutschland zum attraktivsten Standort weltweit zu machen“, sagte Holthaus Ende März dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Wer ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz mache, sollte auch die Kommunen so ausstatten, dass die Integrationsprozesse bewerberfreundlich abliefen.

Der Personalchef für das geplante Intel-Werk in Magdeburg verweist darauf, dass Fachkräfte, die mit hohen Qualifikationen ihre Heimat verlassen, sich in der Regel das Land aussuchen könnten, in dem sie arbeiten. Im Fall von Magdeburg sei Intel daran interessiert, dass die Einstellung von Arbeitskräften nicht an bürokratischen Hürden für Migranten scheitert: „Wichtig ist uns auch, dass Politiker durchdenken, was es aus Sicht eines Kandidaten oder einer Kandidatin bedeutet, nach Magdeburg zu kommen.“ Beim Thema Willkommenskultur komme es auf das Engagement aller an.

„Die Themen Wohnraum und Bildung sind für junge Familien sehr wichtig“, sagte Holthaus. „Da hat Magdeburg im Vergleich zu Baden-Württemberg oder Ballungsgebieten einiges zu bieten, wo Wohnraum kaum noch bezahlbar ist.“ Wichtig sei auch, wie es um das Schulsystem oder die Dienstleistungen im Gesundheitssystem stehe. Der US-Konzern will am Rand der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt zwei Halbleiterfabriken errichten. Investitionen von mehr als 30 Milliarden Euro sind geplant. (dpa/epd/mig) Aktuell Wirtschaft

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