Berlin
Krasse Diskriminierung von Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt
Wenn Geflüchtete einen Job suchen, sind sie in einer Position der Schwäche. Sie kennen sich kaum mit Arbeitsrecht aus - und werden dann regelmäßig ausgenutzt. Dabei gibt es immer wieder krasse Fälle.
Mittwoch, 21.06.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 21.06.2023, 14:19 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund werden nach Einschätung der Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales auf dem Arbeitsmarkt oft ausgenutzt. In Berlin betrifft das zunehmend auch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Arbeitsausbeutung sei gerade dann zu beobachten, wenn es um Menschen aus anderen Ländern gehe, die mit den gesetzlichen Regelungen in Deutschland nicht vertraut seien, sagte Arbeits-, Sozial- und Integrationssenatorin Cansel Kızıltepe (SPD) am Mittwoch bei einem Besuch des Berliner Beratungszentrums für Migration und Gute Arbeit (BEMA) in Berlin-Tempelhof.
Das Zentrum hat im vergangenen Jahr für rund 4200 Menschen aus 113 Ländern etwa 6000 Beratungen zu sozial-, arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Fragen angeboten. Zum Teil ging es dabei auch um Straftaten wie Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung. Derzeit begleitet das BEMA nach eigenen Angaben zwölf Personen, die Zeugen in Ermittlungsverfahren des Landeskriminalamts oder des Zolls sind.
Häufig sind Fälle von Lohnbetrug. Mit BEMA-Hilfe konnten den Angaben zufolge mehr als 100 000 Euro an ausstehenden Arbeitslohnforderungen durchgesetzt werden. Das Geld für die Beratungsangebote kommt von der Arbeits- und Sozialverwaltung. Für die Jahre 2023 bis 2025 sind jährlich rund 1,2 Millionen Euro vorgesehen, für die Beratung von Geflüchteten aus der Ukraine jährlich weitere 165 000 Euro.
Beratungen in elf Sprachen
Die Zielgruppe der Beratungen in elf Sprachen von Arabisch über Griechisch, Kurdisch und Polnisch bis Türkisch sind Geflüchtete, Migranten und sogenannte mobile Arbeitnehmer in prekären Arbeitssituationen wie zum Beispiel Erntehelfer. Das zusätzliche Beratungsangebot für Geflüchtete aus der Ukraine gibt es seit Mai 2022 – und nach BEMA-Einschätzung gerade hier wachsenden Bedarf.
„Im Herbst letzten Jahres haben wir deutlich gemerkt, dass jetzt mehr ukrainische Geflüchtete in Arbeitsverhältnissen sind“, sagte BEMA-Berater Jonas Eichhorn. Die Zahl der Anfragen zu arbeitsrechtlichen Themen sei erheblich gestiegen. „Unsere Erwartung ist, dass das kontinuierlich zunimmt und auch nächstes Jahr noch deutlich mehr werden wird.“ Derzeit sind es monatlich rund 40 Ratsuchende aus der Ukraine, die beim BEMA Hilfe suchen.
„Der Klassiker ist Lohnbetrug“
Deren Probleme sind nach den Erfahrungen der Berater ähnlich wie in anderen Fällen: „Der Klassiker ist Lohnbetrug“, sagte Eichhorn. Typisch seien auch unberechtigte fristlose Kündigungen, mündliche Kündigungen, Arbeiten ohne Vertrag, Kündigungen bei Krankheit und Missachten von Urlaubsansprüchen. „Es sind die typischen Branchen: Kurierdienste, Reinigung, Pflege, Bau – und ich habe sehr viele Fälle aus der Zeitarbeit“, so der Berater, der sich gezielt um Ratsuchende aus der Ukraine kümmert.
Typisch sei ein Beispiel, bei dem eine Zeitarbeitsfirma mehreren Drittstaatlern aus der Ukraine – Flüchtlingen ohne ukrainische Staatsangehörigkeit – Stellen angeboten und auch eine Wohnung zur Verfügung gestellt, nach einigen Monaten aber allen gekündigt habe. Unter fadenscheinigen Begründungen seien ihnen monatlich jeweils mehrere hundert Euro vom Lohn abgezogen worden. „Viele Arbeitgeber haben das Gefühl, dass sie machen können, was sie wollen.“
Migranten haben das Nachsehen
Aus Gewerkschaftssicht gibt es insgesamt noch viel zu tun: „Die migrantischen Beschäftigten sind in der Regel diejenigen, die das Nachsehen haben, was das Thema gute Arbeit, gute Bezahlung, Tarifbindung und Mitbestimmung angeht“, sagte die Bezirksvorsitzende für Berlin-Brandenburg beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Katja Karger. Sie seien auf dem Arbeitsmarkt ganz häufig benachteiligt.
Beratung sei deshalb wichtig. Aber auch Kontrollen müssten verstärkt werden. „Der Mindestlohn gilt für alle, aber wie weit das eingehalten wird, ist eine Frage der Kontrolle, und da gibt es noch Verbesserungsbedarf.“ (dpa/mig) Leitartikel Panorama
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