Samuel Yeboah, Asylbewerber, Rechtsextremismus, Brandanschlag, Rechtsterror
Samuel Yeboah © Landespolizeipräsidium Saarland

Ende des Schweigens?

Ausschuss untersucht Mord nach Brandanschlag auf Flüchtlingsheim

Lange Zeit war das Interesse am Tod eines ghanaischen Flüchtlings im Saarland begrenzt. Vor allem bei Polizei und Justiz. Jetzt hat sich das geändert. Der Landtag will den Grund für die jahrzehntelange Schweigsamkeit herausfinden. Und daraus lernen?

Mittwoch, 21.06.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 21.06.2023, 14:37 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Der saarländische Landtag hat am Mittwoch einen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung von rassistischen Brandanschlägen Anfang der 90er-Jahre eingesetzt. Gut 30 Jahre nach dem Tod des Ghanaers Samuel Yeboah (27) bei einem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis vom September 1991 beschloss das Landesparlament den Ausschuss einstimmig. Das Gremium soll den Umgang der saarländischen Behörden mit diesem Brandanschlag sowie mit fünf anderen offensichtlich rassistischen Anschlägen bis hin zum Oktober 1992 untersuchen.

Die regierende SPD und die oppositionelle CDU brachten den Beschluss zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses gemeinsam ein. „Es gab ein dröhnendes Schweigen über drei Jahrzehnte. Dieses Schweigen hat nun ein Ende“, sagte die Abgeordnete Kira Braun (SPD). Roland Theis (CDU) sprach von einem „schwierigen, traurigen, dunklen Kapitel“ in der Geschichte des Saarlandes: „Weil Rassismus in diesem Land getötet hat.“

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Yeboah war bei einem nächtlichen Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft im September 1991 nach schwersten Verbrennungen gestorben. Zwei andere Hausbewohner wurden verletzt. Die Ermittlungen wurden schon 1992 eingestellt. Seit November 2022 steht jedoch ein 52-jähriger Deutscher wegen des Brandanschlags vor dem Oberlandesgericht Koblenz.

Ausschuss soll Behördenfehler aufklären

Im Beschluss des Landtags heißt es, der Ausschuss solle „Fehler im Handeln und mögliches Unterlassen der saarländischen Landesregierungen und ihrer nachgeordneten Behörden“ aufklären. Dadurch erhoffe man sich Hinweise auf „einen möglichen Veränderungsbedarf“ der Strukturen der saarländischen Sicherheits- und Justizbehörden. „Es gibt Hinweise darauf, dass es Versäumnisse gab, auch bei der Polizei“, sagte die Ex-Polizistin Sandra Quinten (SPD).

Theis sagte, den Opfern sei 30 Jahre lang zu wenig Gehör geschenkt worden. „Wir müssen die Frage stellen, ob wir sicher sein können, dass sich ähnliche Fehler heute nicht wiederholen können.“ Die Täter nicht aufgeklärter schwerer Straftaten dürften sich auch nach langer Zeit niemals sicher sein, dass der Rechtsstaat „nicht mehr hinschaut“. Die Abgeordnete Sevim Kaya-Karadag (SPD), die den Vorsitz des fünfköpfigen Untersuchungsausschusses führen wird, sagte: „Rassismus tötet, Rassismus verletzt, Rassismus darf im Saarland keinen Platz haben.“

Entschädigungsfonds für Opfer rassistischer Gewalt angekündigt

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) hatte Mitte Juni ihr „tiefes Bedauern über die gemachten Fehler“ im Umgang mit dem Tod von Samuel Yeboah bekundet und sich für „Fehler der damaligen Zeit“ entschuldigt. Zugleich kündigte sie einen Entschädigungsfonds für Opfer rassistischer Gewalt an. Er soll allen Opfern „schwerer Gewalttaten von überregionaler Bedeutung mit rassistischem, antisemitischem, extremistischem oder terroristischem Hintergrund“ zugutekommen.

Der Vorsitzende der dreiköpfigen AfD-Fraktion, Josef Dörr, kritisierte, dass seine Fraktion neben den Mitgliedern der SPD (3) und CDU (2) nicht ebenfalls mit einem ordentlichen Mitglied in dem Ausschuss vertreten ist. „Dann ist dieser Ausschuss nach unserem Empfinden eher ein Vertuschungsausschuss als ein Ausschuss, der die Wahrheit ermitteln soll.“ Raphael Schäfer (CDU) wies darauf hin, dass die AfD mit einem ständigen beratenden Mitglied in dem Ausschuss mitarbeiten könne. (dpa/mig) Aktuell Panorama

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