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Asylbewerberunterkunft in Saarlouis nach dem Brandanschlag 1991

Verdächtiger nach 30 Jahren gefasst

Brandanschlag auf Asylbewerberheim vor 30 Jahren war rassistisch motiviert

Die Bundesanwaltschaft sieht den tödlichen Brandanschlag 1991 auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis aufgeklärt. Ein Deutscher wurde 30 Jahre nach der Tat festgenommen. Sein Motiv: Rassismus. Die Polizei entschuldigt sich für Defizite bei den bisherigen Ermittlungen. Abgeordnete nennen die Festnahme „unerträglich spät“.

Montag, 04.04.2022, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 05.04.2022, 5:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Mehr als 30 Jahre nach dem Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Saarlouis mit einem Toten und zwei Verletzten hat die Polizei den mutmaßlichen Täter gefasst. Dem Deutschen wird vorgeworfen, aus rassistischen und rechtsextremistischen Motiven heraus am 19. September 1991 in der Unterkunft ein Feuer gelegt zu haben, wie die Bundesanwaltschaft am Montag in Karlsruhe mitteilte.

Einer der 21 Bewohner, ein 27 Jahre alter Ghanaer, starb. Zwei weitere Menschen retteten sich nur durch Sprünge aus dem Fenster und erlitten Knochenbrüche. Den übrigen 18 Bewohnern gelang es, sich unverletzt in Sicherheit zu bringen.

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Der mutmaßliche Täter wurde nach Angaben der Bundesanwaltschaft am Montagmorgen von Beamten des Landespolizeipräsidiums Saarland festgenommen. Ihm werden Mord, versuchter Mord sowie Brandstiftung mit Todesfolge vorgeworfen. Noch im Tagesverlauf sollte dem Tatverdächtigen der bereits erlassene Haftbefehl von einem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe verkündet werden.

Vorbild: Hoyerswerda

Den Ermittlungen zufolge hatte sich der Mann am Abend des 18. Septembers 1991 in einer Gaststätte in Saarlouis mit rechtsextremistischen Gesinnungsgenossen unter anderem über die rassistisch motivierten Anschläge auf Unterkünfte für Ausländer in Hoyerswerda unterhalten. „Die Gesprächsteilnehmer machten deutlich, dass sie die Begehung solcher Anschläge auch in Saarlouis gutheißen würden“, erklärte die Bundesanwaltschaft.

Nach Schließung der Gaststätte habe sich der Mann zu dem Wohnheim für Asylbewerber begeben, im Treppenhaus des Erdgeschosses aus einem Kunststoffkanister Benzin ausgeschüttet und entzündet. Das Feuer habe sich mit großer Geschwindigkeit im gesamten Treppenhaus ausgebreitet und im Flur des Dachgeschosses den 27-jährigen Ghanaer erfasst, der an schwersten Verbrennungen und einer Rauchvergiftung starb.

Defizite bei den bisherigen Ermittlungen

Vor rund zwei Jahren hatte die Bundesanwaltschaft den Fall übernommen. Die zuvor bei der Justiz im Saarland geführten Ermittlungen waren eingestellt worden, nachdem ein Täter nicht ermittelt werden konnte. Die Ermittlungen seien „auf Grundlage neuer Erkenntnisse“ neu aufgenommen worden, hieß es. Details dazu nannte die Bundesanwaltschaft nicht.

Die im August 2020 vom saarländischen Landespolizeipräsidenten eingerichtete Arbeitsgruppe (AG) „Causa“ hingegen hat Defizite und Schwachstellen bei den einstigen Ermittlungen identifiziert. Nach bisherigen Feststellungen habe die saarländische Polizei in der damaligen Organisationsstruktur „in Teilen nicht richtig funktioniert“, heißt es in einer Stellungnahme des Landespolizeipräsidiums. Inzwischen seien Arbeitsabläufe so umgestellt worden, dass eine „unvoreingenommene“ Prüfung von Spuren und Hinweisen ermöglicht werden, heißt es weiter.

Festnahme „unerträglich spät“

„Ich bin erleichtert, dass diese schreckliche Tat, nach über 30 Jahren, endlich aufgeklärt scheint. Unsere Arbeit ist damit jedoch noch nicht abgeschlossen“, erklärte Landespolizeipräsident Norbert Rupp. Die AG „Causa“ setze die interne Aufarbeitung fort. „Ich entschuldige mich im Namen des Landespolizeipräsidiums dafür, dass offensichtlich auch Defizite in der damaligen Polizeiarbeit zur Einstellung der Ermittlungen geführt haben. So etwas darf sich nicht wiederholen, dazu haben wir, wie dargestellt, Qualitätsstandards eingeführt.“

Die saarländische Bundestagsabgeordnete Josephine Ortleb (SPD) nannte die Festnahme „unerträglich spät“. Ohne die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wäre der mutmaßliche Täter nie festgenommen worden, schrieb die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion bei Twitter. „Das Vorgehen von Polizei und Justiz im Saarland muss uns jetzt beschäftigen.“ (epd/mig) Leitartikel Panorama

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  1. Levent Öztürk sagt:

    Was soll man da noch sagen? Beim Brandanschlag in Lübeck mit 10 ermordeten Opfern hat die Polizei 2 Neonazis mit Brandspuren in Tatortnähe gefasst. Diese wurden wieder freigelassen und ein Heimbewohner wurde bezichtigt, den Brand gelegt zu haben. Der Fall kam so ad Akta, ebenso wie der Brandanschlag in Ludwigshafen, wo 9 türkische Frauen und Kinder ermordet wurden konnten die Ermittler keine Täter ermitteln. Im Gebäude gab es vorher eine Neonazi-Szenen-Kniepe. Der türkische Vermieter verlängerte den Mietvertrag nicht und es kam danach zu einigen Brandanschlag-Versuchen (!!!!!) auf dieses Haus. Angela Merkel versprach über 3.800 solcher existenten Cold-Case-Fälle dieser Art vom BKA aufklären zu lassen und hat aber auch diese Zusage wie ihr Versprechen die NSU-Morde aufzuklären mit in den Ruhestand genommen. Auffällig ist, dass bei den Anschlägen in Mölln, Solingen und auch in Lübeck die Polizei die Täter ermitteln und festnehmen konnte. Nach dem Brandanschlag in Lübeck wurde bei all den folgenden rassistisch motivierten Hasstaten, Anschlägen und Verbrechen die Polizei in die 2. Reihe gedrängt und die Ermittlungen wurden nun von Beamten des Staatsschutzes durchgeführt. Seit diesem „Regie-Wechsel“ werden bei solchen Straftaten, wie NSU und auch vielen anderen rassistisch motivierten Verbrechen keine Täter ermittelt. Allen voran, dass Deutschland bei all den vielen hunderten Anschlägen auf Moscheen Weltmeister ist (sic !!) aber die Aufklärungsquote unter 5% liegt.