Kein Türkei-Einfluss
Islamischer Religionsunterricht in Hessen weiter mit Ditib
Um den islamischen Religionsunterricht in Zusammenarbeit mit Ditib gibt es in Hessen seit Jahren Diskussionen. Nun hat das Ministerium ein neues Gutachten ausgewertet. Danach gibt es keinen Beleg für eine politische Instrumentalisierung und eine Einflussnahme der Türkei.
Donnerstag, 11.01.2024, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 11.01.2024, 14:30 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Das hessische Kultusministerium führt die Kooperation mit dem türkischen Moscheeverband Ditib beim islamischen Religionsunterricht bis auf Weiteres fort. Grundlage der Entscheidung seien die Ergebnisse einer erneuten Begutachtung durch drei unabhängige Wissenschaftler, teilte das Ministerium am Donnerstag in Wiesbaden mit.
Es bestehe zwar „die abstrakte Gefahr“, dass die Unabhängigkeit von Ditib Hessen von der Regierung der Republik Türkei „nicht hinreichend gewährleistet ist“, erläuterte das Ministerium unter Berufung auf das Gutachten. Die Kooperation könne jedoch erst dann widerrufen werden, wenn sich das damit verbundene Risiko einer politischen Instrumentalisierung von Ditib Hessen in konkreter Weise realisiere. Dies sei auch mit Blick auf den aktuellen Nahostkonflikt bislang nicht der Fall.
Landesregierung will wachsam sein
Kultusminister Alexander Lorz (CDU) erklärte: „Gleichwohl wird die hessische Landesregierung stets wachsam sein und genau hinschauen, damit der unter staatlicher Aufsicht stehende Unterricht zu jedem Zeitpunkt unseren demokratischen Werten und Vorstellungen entspricht.“
In Hessen war der sogenannte bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht zusammen mit Ditib zum Schuljahr 2013/14 eingeführt worden. Im April 2020 hatte das Kultusministerium angekündigt, den Unterricht im darauffolgenden Schuljahr auszusetzen und dies mit Zweifeln an der Eignung des Verbandes als Kooperationspartner begründet. Es sei fraglich, ob die notwendige Unabhängigkeit vom türkischen Staat vorhanden sei, hieß es damals. In der Folge gingen die Schülerzahlen, die am islamischen Religionsunterricht teilnehmen, zurück. Gegen diese Entscheidung war der türkische Moscheeverband erfolgreich juristisch vorgegangen. Der Unterricht wurde 2022/2023 wieder eingeführt.
Ditib beklagt „unsachlich geführten Diskurs“
Die Islamische Religionsgemeinschaft Ditib Hessen erklärte in Frankfurt, sie blicke „mit Zuversicht“ auf die Entscheidung des Kultusministeriums, die Partnerschaft zu wahren und fortzuführen. Sie habe die Hoffnung, „dass der zuweilen unsachlich geführte Diskurs“ bezüglich des Religionsunterrichts und der Kooperationspartnerschaft wieder auf einen sachlichen Pfad geführt werde, teilte der Verband mit. „Der Religionsunterricht trägt im Sinne unserer freiheitlichen Gesellschaft dazu bei, dass die verfassungsrechtlichen Ansprüche von hessischen Musliminnen und Muslimen gewahrt und mit Leben gefüllt werden“, erläuterte Ditib Hessen.
Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Moritz Promny, erklärte, die Entscheidung des Kultusministers möge angesichts der Entwicklung in der Türkei zwar verwundern. Sie sei jedoch aus juristischer und sachlicher Perspektive nachvollziehbar. „Laut Gutachten gibt es zwar eine abstrakte Gefahr, aber keinen konkreten Beleg für eine politische Instrumentalisierung und eine Einflussnahme des türkischen Staats“, ergänzte Promny.
Er rief die künftige schwarz-rote Landesregierung dazu auf, das Handeln von Ditib im Zusammenhang mit dem bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht genau zu beobachten und der staatlichen Aufsichtspflicht gerecht zu werden. „Sobald eine Einflussnahme nachgewiesen ist und die Werte unserer Gesellschaft infrage gestellt werden, muss die Kooperation beendet werden“, forderte Promny.
Islamischer Religionsunterricht mit Ditib an 32 Schulen
Der islamische Religionsunterricht in Kooperation mit Ditib Hessen wird im Schuljahr 2023/2024 laut Kultusministerium an 27 Grundschulen und fünf weiterführende Schulen angeboten. Der Unterricht wird von 42 staatlichen Lehrkräften erteilt, deren Dienstherr das Land ist. Es gibt derzeit 106 Lerngruppen mit 1.677 Schülerinnen und Schülern, wie das Ministerium ergänzte. Der Kooperationspartner Ditib Hessen habe die Aufgabe, auf die Übereinstimmung des Unterrichts mit seinen bekenntnismäßigen Grundsätzen zu achten und den Lehrkräften die religionsgemeinschaftliche Bevollmächtigung zu erteilen.
Neben dem Unterricht in Kooperation mit Ditib Hessen gibt es einen weiteren islamischen Religionsunterricht in Kooperation mit dem Verband Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland, der von fünf staatlichen Lehrkräften für 225 Kinder an fünf Grundschulen erteilt wird.
Darüber hinaus läuft weiterhin der Schulversuch „Islamunterricht“ mit derzeit rund 2.200 Schülerinnen und Schülern an 25 Schulen (20 Grundschulen und fünf weiterführende Schulen), wie das Ministerium ausführte. Dieser islamkundliche Unterricht ist verfassungsrechtlich umstritten, weil sie in alleiniger staatlicher Verantwortung liegt. Es sei kein Religionsunterricht. Insgesamt gibt es rund 1.800 öffentliche Schulen in Hessen. (dpa/mig) Aktuell Politik
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