Horror im Gazastreifen

Todes- und Flüchtlingszahlen steigen rapide

Gut fünf Wochen nach dem Beginn der israelischen Bodenoffensive im Norden des Gazastreifens hat das Militär seine Einsätze auf den Süden des Palästinensergebietes ausgeweitet. UN beklagen einen rapiden Anstieg der Zahl der Todesopfer unter den Zivilisten und steigende Flüchtlingszahlen.

Dienstag, 05.12.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 05.12.2023, 15:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Rund zwei Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs sind im Gazastreifen nach Angaben des Palästinenserhilfswerkes UNRWA fast 1,9 Millionen Menschen auf der Flucht. Dies seien mehr als 80 Prozent der Bevölkerung, teilte UNRWA am Montag mit. Fast eine Million Binnenflüchtlinge würden sich in 99 Einrichtungen im Zentrum des Küstengebietes sowie in Chan Junis und Rafah im Süden aufhalten. Im Gazastreifen leben mehr als 2,2 Millionen Menschen – auf einer Fläche, die nur etwas größer als jene der Stadt München ist.

Zuletzt hatten UN-Organisationen noch von rund 1,8 Millionen Binnenflüchtlingen gesprochen. Gut fünf Wochen nach Beginn der Bodenoffensive im Norden hat das israelische Militär seine Einsätze im Kampf gegen die Hamas am Boden auf den gesamten Küstenstreifen aufgeweitet. Israel reagiert damit auf das Hamas-Massaker am 7. Oktober. Mehr als 1.200 Menschen wurden dabei und bei Kämpfen in den folgenden Tagen in Israel getötet.

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Hunderttausende Palästinenser waren nach Aufforderung der israelischen Armee aus dem umkämpften Norden in den Süden geflohen, wo es nun auch verstärkt Kämpfe am Boden geben dürfte. Wegen der hohen Opferzahl in der Zivilbevölkerung im Gazastreifen infolge der massiven Angriffe wächst international die Kritik am Vorgehen der israelischen Armee. Das Militär wiederum wirft der Hamas vor, Angriffe aus Wohngebieten und Krankenhäusern heraus zu verüben und Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.

Zahl der getöteten Zivilisten „nimmt rapide zu“

Nach Angaben der Vereinten Nationen führt die Ausweitung der israelischen Angriffe im Süden zu immer mehr Todesopfern unter der Zivilbevölkerung. „Die Zahl der getöteten Zivilisten nimmt rapide zu“, schrieb der Generalkommissar des Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini, am Montag (Ortszeit) in einer Mitteilung. Zivilisten, darunter Frauen, Kinder, Ältere, Kranke und Menschen mit Behinderungen, seien die Hauptleidtragenden des Krieges. Mit der Wiederaufnahme der Militäroperation und ihrer Ausweitung im Süden Gazas „wiederholen sich die Schrecken der vergangenen Wochen“, beklagte Lazzarini.

Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums sind inzwischen fast 15.900 Menschen getötet worden. Die Opferzahlen lassen sich gegenwärtig nicht unabhängig überprüfen, die Vereinten Nationen und andere Beobachter weisen aber darauf hin, dass sich die Zahlen der Behörde in der Vergangenheit als insgesamt glaubwürdig herausgestellt hätten.

Die israelische Armee hat zwar eine Evakuierungskarte aktiviert, die den Gazastreifen in Hunderte kleiner Zonen unterteilt, um die Zivilisten über Kampfzonen zu informieren. Kritiker beklagen jedoch, dass die Menschen vielfach weder Strom noch Internet hätten, um sich die Karte anzusehen. Viele wüssten auch nicht, wie sie mit ihr umgehen sollten. Im Süden Gazas drängen sich Hunderttausende Palästinenser, die auf Israels Anweisung aus dem Norden des Gebiets dorthin geflohen waren.

Unicef schlägt Alarm: „Horror“

Das UN-Kinderhilfswerk warnt angesichts der aktuellen Situation vor dramatischen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Es kritisiert die desolate humanitäre Lage dort. Keiner fühle sich sicher, wenn alle zehn Minuten Bomben fallen würden, sagte Unicef-Sprecher James Elder am Montag der britischen BBC. Er bezeichnete die Lage als „Horror“.

„Wenn ich sehe, wie ein Kind nach dem anderen hereingerollt wird, wie Eltern mit schrecklichen Kriegsverletzungen auf Bahren schreien – dann sind sie weder in Krankenhäusern noch in Unterkünften sicher“, sagte Elder. Für die Menschen komme neben der Gefahr vor Angriffen erschwerend hinzu, dass sie schon von der Flucht aus dem Norden erschöpft seien.

Auch die Präsidentin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Mirjana Spoljaric, beklagte, dass derzeit keine angemessene humanitäre Hilfe möglich sei. „Das Ausmaß des menschlichen Leids ist unerträglich“, sagte sie bei einem Besuch in dem umkämpften Palästinensergebiet. Es sei zudem inakzeptabel, dass es für die Bevölkerung keine sicheren Zufluchtsorte gebe. (dpa/mig) Aktuell Ausland

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