„Ein parteipolitisches Theater“

Hanau-Abschlussbericht im Landtag vorgelegt

Der Untersuchungsausschuss zum rassistischen Anschlag von Hanau hat seine Arbeit beendet, der Abschlussbericht wurde im Landtag debattiert. Die Meinungen gehen weit auseinander. Die Kritik ist stellenweise sehr scharf; die Betroffenen sind enttäuscht.

Dienstag, 05.12.2023, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 05.12.2023, 19:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Abgeordneten im hessischen Landtag haben am Dienstag erneut an die Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau erinnert. Die Getöteten würden nicht vergessen, betonte der CDU-Abgeordnete Michael Ruhl zu Beginn der Debatte über den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zum rassistischen Anschlag. Ruhl sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus sowie sein Bedauern, dass es dem Staat nicht gelungen sei, die Opfer zu schützen.

Der Abschlussbericht werde – abgesehen von kleineren Sondervoten – von einer breiten Mehrheit des Ausschusses getragen, sagte Ruhl in Wiesbaden. Am 19. Februar 2020 hatte ein deutscher Täter in Hanau neun junge Menschen aus rassistischen Motiven erschossen. Danach tötete er seine Mutter und sich selbst.

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Durch den Tod des Täters sei keine strafrechtliche Aufarbeitung der schrecklichen Tat möglich gewesen, sagte Ruhl. Die Sicherheitsbehörden hätten die Gefährlichkeit des Täters nicht erkennen und die Tat daher nicht verhindern können. Rückblickend lasse sich jedoch unter anderem festhalten, dass die Kommunikation mit den Angehörigen hätte besser sein können. Ein Notausgang an einem der Tatorte sei laut Abschlussbericht verschlossen gewesen. Auch die Organisation des Notrufes sei verbesserungsfähig gewesen, sagte Ruhl.

„Niemand hat politische Verantwortung übernommen“

Ein 22-Jähriger hatte den Täter nach den ersten Schüssen in der Hanauer Innenstadt mit seinem Auto verfolgt, um ihn zu stoppen und dabei mehrfach vergeblich den Notruf 110 gewählt. Kurz darauf war er von dem Attentäter in seinem Auto erschossen worden.

Die „Initiative 19. Februar“, in der sich Hinterbliebene und Betroffene zusammengeschlossen haben, kritisierte: „Niemand hat die politische Verantwortung übernommen. Es gab keine Konsequenzen.“ Der Untersuchungsausschuss habe die Chance einer ernsthaften Aufarbeitung gehabt, aber er habe sie nicht wahrgenommen. „Stattdessen erlebten wir über nahezu zwei Jahre ein parteipolitisches Theater, das nun mit einem nichtssagenden Bericht mehr als enttäuschend zu Ende geht“, teilte die Initiative mit.

Polizeieinsatz – Opfer fühlten sich wie Täter

Die Obfrau der SPD-Landtagsfraktion, Heike Hofmann, sagte, in wichtigen Punkten des Untersuchungsausschusses sei ein Dissens geblieben. Daher habe die SPD-Fraktion ein Sondervotum erstellt. Versäumnisse und Verantwortlichkeiten etwa zur mangelnden Erreichbarkeit des Notrufes müssten auch als solche benannt werden. Beim Polizeieinsatz habe die Sensibilität gegenüber den Angehörigen der Opfer gefehlt. Das habe dazu geführt, dass sie sich teils wie Täter behandelt gefühlt hätten.

Jörg-Uwe Hahn von der FDP-Fraktion zeigte sich grundsätzlich zufrieden: „Es ist gelungen, das Geschehen in der Tatnacht aufzuarbeiten und Fehler zu identifizieren.“ Die Notruf-Infrastruktur der zuständigen Polizeistation sei bereits Jahre vor dem Anschlag unzureichend gewesen. „Obgleich unklar ist, ob ein funktionierender Notruf in der Tatnacht Leben hätte retten können, ist dieser Zustand nicht tolerierbar“, erklärte Hahn. Experten hatten wiederholt darauf hingewiesen, dass ein erreichbarer Polizeinotruf zumindest den Anrufenden hätte retten können.

Linke: Bericht Unterschlägt Fehler

„Ein anderes Handeln der zuständigen Behörden hätte aus unserer Sicht die Durchführung der Tat erschweren oder den Ablauf der Tat verändern können“, sagte die Grünen-Abgeordnete Vanessa Gronemann. „Wäre mit den Angehörigen der Opfer angemessen umgegangen worden, hätten eine zusätzliche Traumatisierung und weitere Zweifel am Funktionieren staatlicher Institutionen vermieden werden können.“ Zudem wäre die Waffenbeschaffung für den Täter schwieriger gewesen, hätte er keinen Waffenschein gehabt.

Der mehrheitlich beschlossene Abschlussbericht falle leider hinter die Aufklärungsarbeit des Ausschusses zurück, sagte Elisabeth Kula, Vorsitzende der Linksfraktion. Der Bericht unterschlage, dass es in einer Anzeige des Täters bei der Staatsanwaltschaft Ende 2019 Hinweise auf seine Gefährlichkeit gegeben habe. „Hier hätte es eine Prüfung auf Waffenbesitz geben müssen“, sagte Kula. (dpa/mig) Aktuell Leitartikel

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