Das große Bild
Rassismus als Institution
Rassismus kann überall um sich greifen - bei der Polizei, in der Schule oder im Krankenhaus. Wichtig ist es, das große Bild zu sehen. Dafür muss man ihn identifizieren. Gut, dass ein Anfang gemacht wurde.
Von David Galanopoulos Mittwoch, 29.11.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 29.11.2023, 14:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die aktuelle Ausgabe des sogenannten „Rassismusmonitors“ des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) hat sich auf das Rassismusproblem im Gesundheitswesen fokussiert. Ein Anlass, um über den Rassismus in Institutionen zu sprechen.
Am 7. November dieses Jahres wurde der Bericht des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) des DeZIM veröffentlicht. Dieser Bericht soll auf Basis unterschiedlicher Datenquellen dauerhaft verlässliche Aussagen über Ursachen, Ausmaße und Folgen von Diskriminierung und Rassismus in Deutschland treffen. Die Auftaktstudie von 2022 startete das großangelegte Projekt, welches nach den rassistisch und rechtsextremistisch motivierten Anschlägen in Hanau im Jahre 2020 ins Leben gerufen wurde.
Neben der kontinuierlichen Thematisierung von Rassismuserfahrungen in Deutschland, dazu hat das MiGAZIN bereits geschrieben, wurde in der diesjährigen Ausgabe der Fokus gezielt auf den Rassismus im Gesundheitswesen gelegt. Eine gewonnene Erkenntnis ist zum Beispiel die große Mehrheit von muslimischen Frauen, die sich von Ärzt:innen oder medizinischen Mitarbeiter:innen schlechter behandelt gefühlt haben als andere Personengruppen. Über 60 Prozent der Befragten, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten, fand man auch in den Gruppen „asiatische Frauen“, „schwarze Frauen“ oder „schwarze Männer“. Rassistisch markierte Personen gaben zudem häufiger an, den Arzt bzw. die Ärztin aufgrund von ungerechter Behandlung zu wechseln. Auch bei der Terminvergabe, besonders im Bereich der Psychotherapie, gab es erhebliche Unterschiede – für rassistisch markierte Personen stets zum Nachteil.
Diese Rassismuserfahrungen haben auch einen Einfluss auf das Vertrauen in die Institutionen. So haben Rassismusbetroffene in der Regel „eigentlich“ ein hohes Vertrauen in die Institutionen, jedoch kann sich dies nach wiederkehrenden Diskriminierungserfahrungen in Institutionen auch wieder ändern.
„Durch das ständige Auftreten von Diskriminierung in den Institutionen setzt sich Rassismus fest.“
Doch warum ist die Perspektive auf einen institutionellen Rassismus so wichtig? Dadurch, dass Rassismus als regelhaftes Phänomen in bestimmten Organisationen, Sektoren oder Branchen auftritt, verinnerlichen deren Akteur:innen ihn. Durch das ständige Auftreten von Diskriminierung in den Institutionen setzt sich Rassismus fest. In den einfachsten Verhaltensweisen lassen sich Vorgänge finden, die zu einer Benachteiligung vulnerabler Gruppen führen.
Im institutionellen Rassismus ist jedoch nicht nur das Handeln eine wesentliche Komponente, die das Leben von Rassismusbetroffenen schwer macht. Gerade das passive Nicht-Handeln von Institutionen beim Umgang mit oder in der Aufklärung von Rassismus ist ein Problem. Ignorieren oder Wegschauen bei rassistischen Situationen hilft nur dem Festsetzen von institutionellem Rassismus. Gerade durch diese Fülle an rassistischen Formen, ist es umso schwieriger, solche zu identifizieren oder gar zu bekämpfen.
Eine solche Fokussierung ist auch keine Selbstverständlichkeit, da seit jeher verschiedenste Rassismusbegriffe im öffentlichen Diskurs besprochen werden, die sich teilweise bekämpfen. Ist der Rassismus ideologisch oder doch institutionell? Ist der Rassismus aus individuellen Überzeugungen oder doch durch das gesellschaftliche System entstanden? Ideologisch, institutionell, individuell oder doch systematisch? Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass Rassismus nicht auch durch mehrere Zugänge heranwachsen kann.
„Ein Antirassismus, der auf struktureller Ebene agiert, müsse vielmehr als Chance angesehen werden, da er neue Zugänge und Perspektiven schafft.“
Antirassistische Bewegungen bemühen sich deshalb darum, Rassismus vernünftig zu adressieren. Intern arbeitet man dafür an einer einheitlichen Kommunikation. Antirassismus soll nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern in seiner Vielfalt betont und durch Verzahnung wirkmächtiger gemacht werden. Ein Antirassismus, der auf struktureller Ebene agiert, müsse deshalb vielmehr als Chance angesehen werden, da er neue Zugänge und Perspektiven schafft. Bei der Polizei, in der Schule oder im Krankenhaus. Überall kann Rassismus um sich greifen. Es ist deshalb wichtig, das große Bild nicht aus den Augen zu verlieren, ohne die Momentaufnahmen zu ignorieren.
Deshalb will das DeZIM seinen NaDiRa, den „Rassismusmonitor“, jedes Jahr mit einem anderen thematischen Fokus veröffentlichen. Nach dem Themenschwerpunkt auf Gesundheit, sollen nacheinander Bildung, Wohnen und Arbeit im Rotationsformat behandelt werden. Irgendwann wird, so die Hoffnung, eine Fülle an Datenmaterial zur Verfügung stehen, um spätere Vertiefungsanalysen zu beginnen. Bis man alle Verstecke des Rassismus hinter jeder Wand identifiziert hat, kann noch eine unbeschreiblich lange Zeit vergehen. Es ist jedoch ein sinnvoller Ausgangspunkt, mit der Arbeit anzufangen. Meinung
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