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Antisemitismus im Wörterbuch © de.depositphotos.com

Staatliche Gelder

Berliner Antisemitismus-Präventionsprogramme auf dem Prüfstand

Seit dem Nahostkonflikt zwischen Israel und der Hamas werden in Berlin mehr antisemitischen Ausfälle verzeichnet. Eine jüdische Beratungsstelle fordert jetzt mehr Geld von der Politik. Derweil prüft Berlin Zahlungen an Antisemitismus-Präventionsprogramme.

Montag, 30.10.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 30.10.2023, 15:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung (OFEK) in Berlin wünscht sich angesichts der gestiegenen Zahl Hilfesuchender mehr Unterstützung von der Politik, nicht zuletzt mehr Geld. „Damit wir unsere Arbeit in gleicher Qualität bei einer wachsenden Nachfrage fortführen können, benötigen wir mehr Planungssicherheit, mehr Ressourcen und mehr Sichtbarkeit“, heißt es in einem Schreiben von Geschäftsführerin Marina Chernivsky an die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD, Grünen und Linken im Abgeordnetenhaus.

Seit dem Krieg im Nahost und einer Zuspitzung antisemitischer Gewalt in Deutschland sei der Bedarf an Betroffenenberatung und Unterstützung der jüdischen und israelischen Community enorm angestiegen. „Die Beratungsstelle OFEK Berlin muss auf diese Entwicklungen mit ausgeweiteten Krisenangeboten reagieren. Seit dem 7. Oktober 2023 verzehnfachte sich das Beratungsaufkommen im Vergleich zu vergangenen Monaten“, so Chernivsky.

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„Ein beträchtlicher Anteil dieser Anfragen bezieht sich auf antisemitische Vorfälle, die den Ratsuchenden an Schulen, Hochschulen, in Krankenhäusern, auf Demonstrationen, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, digital wie analog widerfahren sind“, berichtete sie. Hinzu komme akuter Bedarf an mehrsprachigen Beratungsangeboten für jüdische Eltern, Kitas, Schulen, Jugendzentren, Gemeindevorstände und Krisenteams.

Grüne fordern Sofortprogramm zur Antisemitismus-Prävention

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch stellte sich anlässlich eines Besuchs der Beratungsstelle hinter die OFEK- Forderung. „Alle demokratischen Berliner Parteien haben sich nach dem Terrorangriff der Hamas in Israel zum konsequenten Kampf gegen Antisemitismus und zum Schutz jüdischen Lebens bekannt“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Das dürfen keine Lippenbekenntnisse bleiben.“ Die jüdischen Berlinerinnen und Berliner erwarteten zurecht konkrete Unterstützung.

Nötig sei ein Sofortprogramm des Senats in Höhe von einer Million Euro für alle Träger der Antisemitismus-Prävention wie OFEK, um insbesondere in Schulen und in der Jugendarbeit das Lehrpersonal zu unterstützen und Beratungsangebote auszubauen. „Außerdem brauchen die Projekte Planungssicherheit, denn der Kampf gegen Antisemitismus ist eine Daueraufgabe. Wir werden deshalb ein entsprechendes Demokratie-Stärkungspaket für den nächsten Doppelhaushalt vorlegen.“

CDU-Fraktionschef: Wir überprüfen die Antisemitismus-Arbeit

Derweil stehen die bisherigen Präventionsprogramme gegen Antisemitismus nach Angaben von Berlins CDU-Fraktionschef Dirk Stettner auf dem Prüfstand. „Ich würde nicht pauschal behaupten, dass alle Antisemitismus-Programme gescheitert sind. Aber wir müssen genau schauen, ob unter dem Deckmantel vermeintlicher Antisemitismus-Arbeit auch Organisationen tätig sind, die gar nichts für den Dialog der Religionen machen wollen, sondern andere Ziele haben“, sagte er dem „Tagesspiegel“. „Wir überprüfen gerade alle geförderten Organisationen genau. Klar ist, wer sich nicht eindeutig von jeglichem Terror und Hass abgrenzt und unsere freiheitliche, demokratische Grundordnung akzeptiert, bekommt keinen Cent“, sagte der CDU-Politiker.

CDU-Innenpolitik-Experte Burkard Dregger hatte bereits vor einer Woche für Berlin eine neue Strategie im Kampf gegen Antisemitismus gefordert. Er bemängelte, teuer finanzierte Antisemitismus-Präventionsprogramme hätten keinen Erfolg gehabt.

Bundestag beschließt Erhöhung der Mittel an Zentralrat der Juden

Bereits Mitte Oktober hat der Bundestag einstimmig eine Erhöhung der staatlichen Mittel an den Zentralrat der Juden beschlossen. Die sogenannten Staatsleistungen werden damit von 13 auf 22 Millionen Euro angehoben. Die höhere Summe soll bereits in diesem Jahr zur Verfügung stehen. Mit den zusätzlichen Mitteln sollen insbesondere die Bildungs- und Erinnerungsarbeit sowie die Sicherheit jüdischer Gemeinden gestärkt werden.

Ein Teil des Geldes soll der Jüdischen Akademie in Frankfurt am Main zugutekommen. Ein weiterer Teil der erhöhten Staatsleistungen soll den Angaben nach in ein bundesweites Ausbildungsprogramm für Sicherheitspersonal an jüdischen Einrichtungen gehen. Nach wie vor stehen sie in Deutschland unter erhöhten Schutzvorkehrungen. Mehrere Redner verwiesen im Bundestag vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse auf die besondere Verantwortung für den Schutz und die Förderung jüdischen Lebens in Deutschland.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Zentralratspräsident Josef Schuster hatten den geänderten Staatsvertrag mit den höheren Zuwendungen bereits im April unterzeichnet. Als Grundlage benötigt er ein Gesetz, das nach dem Bundestag auch noch vom Bundesrat beraten werden muss. Der Zentralrat der Juden ist der Dachverband der jüdischen Gemeinden in Deutschland. Derzeit gehören ihm nach eigenen Angaben 105 Gemeinden mit rund 100.000 Mitgliedern an. (dpa/epd/mig) Aktuell Panorama

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