Kein AfD-Erfolg

Warum die Extremisten in Nordhausen scheiterten

Die AfD wollte in Nordhausen einen weiteren kommunalen Erfolg feiern, doch die Menschen in der Stadt lehnten sich dagegen auf - und wählten den Amtsinhaber für sechs weitere Jahre zum Stadtchef. Ein Experte glaubt, dass es die AfD in Städten schwerer hat.

Montag, 25.09.2023, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.11.2023, 11:21 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Sieg schien sicher, doch die Nordhäuser sorgten an der Wahlurne für eine Trendwende: Nach dem Scheitern der AfD bei der Oberbürgermeisterwahl in Nordhausen halten Experten und Beobachter eine breite Mobilisierung von AfD-Gegnern für wahlentscheidend. Was genau brachte die Nordhäuser dazu, sich offenbar in letzter Minute hinter den Amtsinhaber Kai Buchmann (parteilos) zu versammeln – und dem AfD-Kandidaten Jörg Prophet eine Abfuhr zu erteilen? Prophet, der im Vorfeld als klarer Favorit galt, erhielt am Sonntag bei der Stichwahl 45,1 Prozent der Stimmen, Buchmann dagegen 54,9 Prozent.

Der Jenaer Soziologe Axel Salheiser sieht unter anderem Unterschiede zwischen Stadt und Land als maßgeblich. „Nordhausen ist nicht Sonneberg, und es macht einen deutlichen Unterschied, ob wir über einen Landkreis reden oder eine Stadt“, sagte der wissenschaftliche Leiter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) Jena.

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Die AfD sei in Städten weniger erfolgreich als einer ländlichen Region wie dem Landkreis Sonneberg, wo im Juni der AfD-Politiker Robert Sesselmann zum ersten AfD-Landrat Deutschlands gewählt wurde. „In den urbanen Räumen, auch schon in kleinen Mittelstädten, gibt es eine andere Komposition der Wahlbevölkerung und andere sozio-demografische Bedingungen“, sagte Salheiser, der auch am Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) wirkt. In den Städten seien die Menschen weniger gefährdet, sich als soziale Gruppe besonders benachteiligt zu fühlen, erläuterte der Forscher.

Demokratische Gegenmobilisierung

Thüringens Landtagspräsidentin Birgit Pommer, die selbst in Nordhausen lebt und viele Jahre lang Landrätin in der Region war, sagte nach der Wahl, die Bürger der Stadt hätten mit der Wahl ein Zeichen gesetzt. „Sie haben gesagt: Wir sind eine weltoffene Stadt, wir sind tolerant.“

Salheiser betonte, dass es in Nordhausen in den vergangenen zwei Wochen seit dem ersten Wahldurchgang eine „starke, demokratische Gegenmobilisierung“ gegeben habe. „Das hat eine große Rolle gespielt, glaube ich.“ Zudem hätten „Deutungseliten“ klar Position bezogen. Diese hätten faktenbasiert darüber aufgeklärt, „was auf dem Spiel steht, wenn radikal rechte und antidemokratische Akteure sich zur Wahl stellen“. Dieser Einfluss sei nicht zu unterschätzen. Außerdem hat seiner Meinung nach geholfen, dass der Amtsinhaber nicht einer der regierungstragenden Parteien angehört.

„Geschlossenes, geschichtsrevisionistisches Weltbild“

Es hatte unter anderem der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, vor einer Wahl des AfD-Kandidaten gewarnt und ihm ein „geschlossenes, geschichtsrevisionistisches Weltbild“ bescheinigt. Nach der Wahl sagte Wagner, das Signal dieses Wahlergebnisses sei, dass es eine Zivilgesellschaft schaffen könne, „einen rechtsextremen Geschichtsrevisionisten in die Schranken zu weisen“. Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft und beobachtet.

Die Ausgangslage galt für den Amtsinhaber Buchmann als äußerst schwierig. Gegen ihn läuft ein Disziplinarverfahren, zwischenzeitlich war er wegen Mobbingvorwürfen suspendiert worden, bis dies ein Gericht wieder aufhob. Prophet dagegen galt nach dem ersten Wahldurchgang als klarer Favorit – er erzielte am 10. September 42,1 Prozent der Stimmen, Buchmann nur 23,7 Prozent. Bürger sprachen noch am Wahltag davon, die Wahl zwischen „Not und Elend“ zu haben.

Medien weniger „skandalisierend“

Anders als in Sonneberg hielten sich die im Landtag vertretenen Parteien mit Wahlempfehlungen, die es vereinzelt auch diesmal gab, eher zurück. Salheiser sagte, dass auch die Berichterstattung in den Medien weniger „skandalisierend und dramatisierend“ gewesen sei, trotz großen Interesses.

Nach Meinung der langjährigen Nordhäuser Rathauschefin Barbara Rinke zeigt der Ausgang der Wahl, was Bürgerengagement erreichen kann. „Viele Menschen glauben ja oft nicht, dass sie etwas bewirken können“, sagte die ehemalige SPD-Oberbürgermeisterin von Nordhausen der Deutschen Presse-Agentur. „Viele zusammen können etwas erreichen.“

Bündnis „#Nordhausenzusammen“

In der Kreisstadt hatte sich unter dem Titel „#Nordhausenzusammen“ ein Bündnis unter anderem aus Vertretern von lokalen Vereinen, der Hochschule, der Gedenkstättenstiftung Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie zahlreicher Bürger gegen eine Spaltung der Gesellschaft eingesetzt.

Dieser Zusammenschluss habe es in den Tagen vor der Entscheidung geschafft, Leichtigkeit und eine gelöste Stimmung zu verbreiten, unter anderem mit einem Familienfest. Beides sei enorm wichtig, um Wahlen zu gewinnen, sagte Rinke. „Es ist eigentlich ein Wunder geschehen.“ Rinke war von 1994 bis 2012 Oberbürgermeisterin Nordhausens und hatte sich auch im Deutschen Städtetag engagiert. (dpa/mig) Aktuell Gesellschaft

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