Witzmechanismus
Böhmermann verteidigt CDU-Nazi-Post
ZDF-Satiriker Jan Böhmermann geht gern in die Vollen und ist gewohnt, dafür auch was einzustecken - derzeit wegen einem Post über CDU-Chef Merz bzw. „Nazis mit Substanz“. Im Interview verteidigt Böhmermann seinen Post.
Von Anna Ringle und Christoph Driessen Dienstag, 12.09.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 12.09.2023, 14:13 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Wie messen Sie eigentlich den Erfolg Ihrer Sendung „ZDF Magazin Royale“?
Jan Böhmermann: Erfolgreich ist eine Sendung, wenn wir bei der Abnahme der Sendung vor ihrer Ausstrahlung das Gefühl haben, dass es nicht langweilig ist, man vielleicht etwas lernt und alles auf einem erträglich hohen Niveau herausfordernd und lustig ist.
Gar nicht lustig fand das ZDF kürzlich einen Post auf X (früher Twitter) von Ihnen zu CDU-Chef Friedrich Merz. Der hatte die Union als „Alternative für Deutschland mit Substanz“ bezeichnet, was Sie unter anderem zu dem Post inspirierte: „Keine Sorge, die Nazis mit Substanz wollen nach aktuellem Stand voraussichtlich nur auf kommunaler Ebene mit Nazis zusammenarbeiten“.
Wenn der Vorsitzende der größten deutschen Volkspartei seine Partei rhetorisch in die Nähe von Nazis rückt, indem er sagt: „Wir sind die Alternative für Deutschland mit Substanz“, dann ist es allein witzmechanisch schon keine große intellektuelle Verrenkung, das mal knackig in verständliche Sprache zu übersetzen. Wenn er nicht meinte, was er gesagt hat, was denn dann? Im Nachhinein haben sich einige Leute aus der CDU bei mir bedankt, dass die öffentliche Aufmerksamkeit nach meinem Tweet nicht mehr bei den brandgefährlichen rhetorischen Experimenten von Herrn Merz lag, sondern sich alle über den fiesen Witz des gemeinen Clowns hermachen konnten. Gern geschehen.
Aber bei vielen Menschen dürfte nicht der Witz ankommen, sondern der Eindruck, dass Sie hier CDU und AfD gleichsetzen könnten.
Ich sag mal selbstkritisch: Vielleicht muss ich ein bisschen mehr erklären. Einerseits. Andererseits, ist es wirklich mein Job, mich zu erklären?
Keine Sorge, die Nazis mit Substanz wollen nach aktuellem Stand voraussichtlich nur auf kommunaler Ebene mit Nazis zusammenarbeiten. pic.twitter.com/3xVQqRhmSf
— Jan Böhmermann 🤨 (@janboehm) July 23, 2023
Das ZDF jedenfalls hat sich distanziert von Ihrem Post.
Es ist nicht das erste Mal, dass das ZDF einen Witz bewusst verletzend findet. Das respektiere ich und kann ich nachvollziehen. Ich habe mich in der Vergangenheit ja auch das ein oder andere Mal von meinem geliebten Heimatsender distanziert, allerdings ohne das direkt an die große Glocke zu hängen. Das ZDF ist eine tolle, pluralistische Struktur, ein orangener Riese, in dem sowohl Andrea Kiewel, Giovanni Zarrella, Markus Lanz, Richard David Precht als auch der Frechdachs Jan Böhmermann und seine verrückte Outlaw-Rockertruppe aus Köln-Ehrenfeld ein Zuhause finden können. Gelebte Vielfalt von Perspektiven und Meinungen, das ist doch unser Auftrag.
Ist der Witz das Vehikel, um die Leute dazu zu bekommen, sich mit ernsten Themen zu beschäftigen?
Natürlich ist es eine Frage der Ansprache. Wie betreibt man Aufklärung so humorvoll, dass sie auch ihren Adressaten findet? Das verhandeln wir hier jeden Tag neu. Wir sind natürlich nicht die einzigen, die das machen. Es gibt die „heute show“. Anja Reschke hat eine hervorragende Sendung. Carolin Kebekus bearbeitet leidenschaftlich komplexe Themen mit Unterhaltung. Gegenwart breit und nachvollziehbar zu bearbeiten, das ist doch ein großer, wichtiger Spaß. Das hat nicht mal was mit Haltung zu tun.
„Haltung zeigen kostet gar nichts“ – sagt Harald Schmidt.
Genial! Was kostet denn keine Haltung zeigen?
Hat Sie das kürzlich im Netz verbreitete Foto von ihm mit Hans-Georg Maaßen und Matthias Matussek enttäuscht?
Ich finde es enttäuschend, dass Hans-Georg Maaßen in solch eine Gesellschaft abgerutscht ist.
Was haben Sie Harald Schmidt zu verdanken?
Er ist ein wahnsinnig toller, disziplinierter, charmanter, liebenswerter, tief gläubiger und blitzgescheiter Mensch, der das Licht der Bühne und die öffentliche Aufmerksamkeit zum Leben braucht. Er kann gönnen und hat den Shownachwuchs immer selbstlos gefördert, unterstützt und stand uns mit Rat und Tat zur Seite. Ich erinnere mich sehr gerne zurück an die spannenden Redaktionskonferenzen mit seinen stundenlangen Monologen, diese göttlichen Lästereien! Ich wünschte, es gäbe einen Sender, der den Mut hat, ihm endlich wieder eine tägliche Late-Night-Show zu geben. (dpa/mig) Aktuell Panorama Politik
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