Regierung beschließt
Georgien und Moldau werden sichere Herkunftsländer
Die Bundesregierung hat Georgien und Moldau zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Damit soll die Flucht aus diesen Ländern gebremst oder in andere Bahnen gelenkt werden. Statt Asyl wolle Deutschland Arbeit bieten, sagt Innenministerin Faeser.
Mittwoch, 30.08.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 30.08.2023, 18:39 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Georgien und Moldau werden von der Bundesregierung als sichere Herkunftsstaaten eingestuft. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch im brandenburgischen Meseberg einen Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Damit werden die Asylverfahren für Bewerberinnen und Bewerbern aus diesen Ländern verkürzt und Abschiebungen beschleunigt.
Faeser verteidigte die Entscheidung als weiteren Schritt gegen irreguläre Migration. Georgien und Moldau wollten Mitglieder der Europäischen Union werden. In beiden Staaten drohe Menschen in aller Regel keine politische Verfolgung, sagte sie: „Hier können wir also sehr schnell irreguläre Migration wirksam reduzieren.“
Faeser kündigte im Gegenzug Migrationsabkommen mit Moldau und Georgien an. Damit eröffne man Menschen aus den beiden Ländern die Chance, in Deutschland eine Ausbildung zu absolvieren oder zu arbeiten, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Gleichzeitig vereinbaren wir, dass jene, die bei uns kein Bleiberecht haben, von ihren Herkunftsstaaten wieder aufgenommen werden müssen.“ Daran scheiterten bislang viele Abschiebungen, sagte Faeser. Der Sonderbevollmächtigte für Migrationsabkommen, Joachim Stamp, versicherte, beide Länder wollten eine engere Partnerschaft: „Wir können jetzt gezielte Migrationsvereinbarungen umsetzen.“
Info: Das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten war Teil des 1993 beschlossenen Asylkompromisses. Angesichts der damals hohen Zahl von Flüchtlingen wurden im Grundgesetz Regelungen ergänzt, die eine Bewilligung von politischem Asyl für Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten in der Regel ausschließen. Asylverfahren von Bewerbern aus als sicher eingestuften Ländern können beschleunigt werden, weil angenommen wird, dass sie nicht politisch verfolgt sind. Die Antragsteller müssen das Gegenteil glaubhaft machen, damit ihre Anträge nicht als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden. Gegner des Konzepts sehen durch die Umkehrung den Grundsatz der Einzelfallprüfung im Asylrecht verletzt. Als sicher eingestuft werden Länder, aus denen viele Asylbewerber kommen, deren Anträge nicht anerkannt werden. Auf der Liste stehen die Länder der EU, Ghana und Senegal. In der Folge der Fluchtbewegung seit 2015 wurden Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro und Albanien auf die Liste gesetzt. Eine Einstufung von Tunesien, Algerien und Marokko sowie Georgien scheiterte am Widerstand der von den Grünen mitgeführten Landesregierungen im Bundesrat.
Bei sicheren Herkunftsstaaten gehen die deutschen Behörden davon aus, dass den Asylbewerbern und -bewerberinnen keine staatliche Verfolgung droht und die Gesetze in ihrem Herkunftsland sie auch vor nichtstaatlicher Verfolgung schützen. Dem Bundesinnenministerium zufolge lagen die Anerkennungsquoten für Asylbewerber aus den beiden Ländern in diesem Jahr bei 0,15 Prozent. Von Januar bis Juli 2023 stellten georgische Staatsangehörige 6.612 Asylanträge und Staatsangehörige aus Moldau 1.910 Anträge.
Daimagüler und Pro Asyl kritisieren Regierungsbeschluss
Mit Blick auf Moldau kritisierte der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, das Land sei für Angehörige der Roma-Community kein sicherer Herkunftsstaat. Moldauische Roma lebten ausgegrenzt und seien in allen Lebensbereichen Diskriminierung ausgesetzt. Außerdem sei die Republik Moldau von den ökonomischen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine am stärksten von allen Anrainerstaaten betroffen: „Vor diesem Hintergrund scheint die Einstufung als ’sicher‘ wirklichkeitsfremd“, kritisierte Daimagüler.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisierte den Beschluss der Bundesregierung. In beiden Ländern gebe es Regionen, die von Russland kontrolliert werden und nicht sicher seien. Die rechtsstaatlichen Rückschritte in Georgien würden nicht berücksichtigt. Queere und homosexuelle Menschen würden nicht vor gewaltsamen Übergriffen geschützt, erklärte die Organisation und forderte die Ampel-Koalition auf, „auf das Abschreckungskonzept der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten zu verzichten“.
Union fordert Erweiterung sicherer Herkunftsstaaten
Aus der Union kam hingegen Kritik, die Regierung tue zu wenig. Der innenpolitische Sprecher, Alexander Throm (CDU), erklärte, „angesichts der dramatisch hohen Asyl-Zuwanderung“ sei es zwar richtig, Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Dies müsse aber auch mit den Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien geschehen, aus denen ebenfalls nur wenige Asylbewerber anerkannt würden. Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU). Weil die Regierung nicht handele, zeichne sich ab, dass 2023 das fünftstärkste Asylzugangsjahr in der Geschichte der Bundesrepublik werde.
Auf der Liste der sicheren Herkunftsländer stehen alle EU-Länder, Ghana und Senegal sowie Bosnien-Herzegowina, Serbien, Nordmazedonien, Albanien, Kosovo und Montenegro. (epd/mig) Aktuell Politik
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