Sachsen-Anhalt
Viele Anträge, zu wenig Personal – Antragsstau bei Einbürgerungen
Der Weg zum deutschen Pass verlangt vielen Migranten immer mehr Geduld ab. Weil immer mehr Menschen die Voraussetzungen erfüllen, nimmt die Zahl der Einbürgerungsanträge rapide zu. Die Behörden kommen nicht mehr hinterher. Die Hoffnung liegt auf zusätzlichem Personal und digitalen Möglichkeiten.
Von Dörthe Hein Montag, 21.08.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 21.08.2023, 8:24 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
In Sachsen-Anhalt sind im vergangenen Jahr so viele Menschen eingebürgert worden wie nie zuvor – angesichts deutlich gestiegener Antragszahlen und Personalengpässen gibt es aber erhebliche Antragsstaus. „Ja, es kann von einem Antragsstau gesprochen werden“, erklärte ein Sprecher des Landkreises Stendal. „Diesem kann nur durch zusätzliches Personal entgegengewirkt werden.“ Ähnliche Einschätzungen kamen aus anderen Landkreisen, und auch die kreisfreien Städte Halle und Magdeburg haben Mühe, die Antragsberge abzuarbeiten.
Sachsen-Anhalts Integrationsbeauftragte Susi Möbbeck sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Sachsen-Anhalt muss im Wettbewerb mit anderen Ländern als Einwanderungsland attraktiver werden. Migrantinnen und Migranten sollen sich willkommen fühlen und die Chance erhalten, heimisch zu werden.“ Dazu gehöre, Barrieren auf dem Weg zur Einbürgerung abzubauen. Die Einbürgerung sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Integration mit großer Bedeutung für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft, betonte Möbbeck.
Im Landkreis Stendal beispielsweise ist die Zahl der neu eingegangenen Einbürgerungsanträge 2022 auf 184 gestiegen – nach 169 im Jahr 2021. 2018 bis 2020 seien es nur jeweils zwischen 40 und 72 gewesen. Entsprechend erhöhte sich die Bearbeitungszeit von bis zu einem halben Jahr auf nun bis zu 14 Monate. In diesem Jahr habe es im Landkreis bislang 61 Einbürgerungen gegeben.
Aktuelle Bearbeitungszeit unbekannt
Aus der Landeshauptstadt Magdeburg hieß es, die Zahl der Interessierten an einer Einbürgerung sei in den zurückliegenden Jahren gestiegen. 2022 seien 828 Anträge neu gestellt worden, es habe 170 Einbürgerungen gegeben – deutlich mehr als in den Vorjahren, 2021 waren es beispielsweise 94. In diesem Jahr seien bislang 635 neue Anträge eingegangen, 219 Personen wurden eingebürgert.
„Da die Wartesituation zur Bearbeitung von Einbürgerungsanträgen in der Landeshauptstadt Magdeburg noch nicht zufriedenstellend ist, wurden eine Vielzahl von Maßnahmen und Projekten gestartet und unter anderem die personellen Kapazitäten der Einbürgerungsbehörde erweitert“, hieß es. Ziel sei es, Anträge innerhalb weniger Monate abschließend bearbeiten zu können. Es blieb offen, wie lang die Bearbeitungszeiten derzeit sind.
Verfahren wie eine Blackbox
Mamad Mohamad, Geschäftsführer des Landesnetzwerks Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt, führt regelmäßig Gespräche mit Einbürgerungswilligen. Viele hätten Panik vor den nicht absehbaren Zeiten. „Die Ungewissheit ist unerträglich.“ Das Verfahren sei wie eine Blackbox, sagte Mohamad. Die Einbürgerungswilligen wüssten nicht, in welchem Stadium sie sich befänden und könnten keinen Einfluss nehmen.
Die Einbürgerungen nehmen nicht nur in Sachsen-Anhalt so stark zu. Hintergrund ist, dass viele Schutzsuchende, die ab 2014 nach Deutschland gekommen sind, inzwischen die Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllen. Unter ihnen sind besonders viele Syrer. Für eine Einbürgerung muss man unter anderem einen Aufenthalt von mindestens acht Jahren im Land nachweisen. Die Ampel-Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, dass Migranten leichter die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können. So soll der Mindestaufenthalt von acht auf fünf Jahre verkürzt werden.
Personeller Aufwuchs geplant
„Die Regelbearbeitungszeit von sechs Monaten kann aufgrund der Fülle der vorliegenden Anträge auf Einbürgerung und der hohen Nachfrage zu den Voraussetzungen nicht mehr eingehalten werden“, erklärte der Leiter des Amtes für Zuwanderung und Integration im Saalekreis, Uwe Biermann. „Aktuell liegt die durchschnittliche Bearbeitungszeit bei 16 Monaten.“ 2021 habe es 62 Anträge gegeben, 2022 dann 161 und in diesem Jahr sei diese Zahl schon knapp überschritten. Die Zahl der Einbürgerungen habe 2022 bei 57 gelegen.
Amtsleiter Biermann spricht ebenfalls von einem Antragsstau. „Zudem konnten nicht alle Einbürgerungswilligen einen Termin für 2023 zur Vorsprache und Abgabe von Einbürgerungsunterlagen erhalten, da alle Termine innerhalb kurzer Zeit (ab Februar 2023) ausgebucht waren.“ Abhilfe solle im kommenden Jahr geschaffen werden, dann sei ein personeller Aufwuchs geplant.
20.000 potenzielle Antragsteller
Aus der Stadtverwaltung der Stadt Halle hieß es, die Bearbeitungszeit der Einbürgerungsanträge sei schwer zu ermitteln und sei im Einzelfall von vielen Faktoren abhängig. „Tendenziell ist sie aber in den letzten Jahren angewachsen.“ Ursachen seien zum einen die gestiegenen Fallzahlen, 2019 gab es noch 299 Anträge, im vergangenen Jahr 746. Zum anderen gebe es immer noch Nach- und Auswirkungen der Corona-Pandemie wie geschlossene Botschaften und Auslandsvertretungen, längere Bearbeitungszeiten bei ausländischen Behörden und verzögerte Zuarbeiten anderer Behörden. 2019 waren in der Saalestadt 205 Menschen eingebürgert worden, 2022 schon 316. In diesem Jahr liegt die Zahl bislang bereits bei 346.
Der Bereich der Staatsangehörigkeitsbehörde habe in Halle bereits Priorität, hieß es weiter. Es habe personelle und organisatorische Veränderungen gegeben. Da es rund 20.000 potenzielle Antragsteller gebe und das Einbürgerungsverfahren aufgrund der gesetzlichen Vorgaben komplex sei, könne nicht jedem Antragswilligen kurzfristig eine Antragstellung ermöglicht werden. 1.600 Verfahren liefen derzeit.
Beauftragte: Einbürgerung muss beschleunigt werden
Lamsa-Geschäftsführer Mohamad kann sich gut vorstellen, dass eine Bündelung der vorhandenen Kompetenzen der Kommunen zu schnelleren Verfahren führen kann. Drei zentrale Einbürgerungsbehörden hält er für denkbar. Zudem könne die Digitalisierung für Beschleunigung sorgen.
Das sieht auch Sachsen-Anhalts Integrationsbeauftragte Susi Möbbeck so: „Wenn wir als Land nach innen zusammenwachsen und gleichzeitig attraktiver für internationale Fachkräfte werden wollen, muss der Weg zur Einbürgerung dringend entbürokratisiert und beschleunigt werden.“ Viele Kommunen hätten sich schon auf den Weg gemacht, ihre Ausländerbehörden personell zu stärken. Bis das Wirkung entfalte, brauche es Zeit. Möbbeck betonte: “Bund, Länder und Kommunen müssen zusammenwirken, dann können wir eine echte Beschleunigung erreichen.“ (dpa/mig) Leitartikel Panorama
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