Mord, Totschlag, Spuren, Ermittlungen, Verbrechen, Straftat
Ermittlungen nach einem Mord (Symbolfoto) © 123rf.com

Mahnwache für 16-jährigen Mouhamed

Experte: „Denn wir haben Grund, den Erzählungen der Polizei zu misstrauen“

Mahnwache in Dortmund ein Jahr nach den tödlichen Polizeischüssen auf den 16-jährigen Mouhamed Dramé. Experte fordert Bodycam-Pflicht für Polizisten für objektive Beweise. Aussagen von Polizisten könne man nicht trauen.

Mittwoch, 09.08.2023, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 09.08.2023, 15:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Ein Jahr nach Polizeischüssen auf einen 16-Jährigen haben Menschen in Dortmund an den getöteten Jugendlichen erinnert. Am Dienstagnachmittag fand in der Nähe des damaligen Einsatzortes eine Mahnwache statt, zu der ein Solidaritätskreis aufgerufen hatte. Menschen legten Bilder und Blumen ab, wie ein dpa-Reporter berichtete. Darüber hinaus hatte das Bündnis zum Austausch eingeladen. An einem „offenen Mikrofon“ sollten Erfahrungen und Gedanken geteilt werden, berichteten die Veranstalter. Für Samstag hat der Solidaritätskreis außerdem zu einer Demonstration in der Dortmunder Innenstadt aufgerufen.

Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) drückte den Angehörigen und Freunden des Verstorbenen sein Mitgefühl aus. „Der 8. August 2022 hat Bestürzung ausgelöst. Er ist ein Tag des Schmerzes und der Wut für Familie und Freunde“, teilte Westphal mit. „Gleichzeitig hat er eklatante Lücken unserer Hilfesysteme aufgezeigt und den Anstoß für wichtige und notwendige Veränderungen gegeben.“

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So wurde etwa das verpflichtende jährliche Einsatztraining für Polizisten nach Angaben des Innenministers Herbert Reul (CDU) um zwei auf insgesamt sieben Tage ausgeweitet. Seit Ende April gilt bei der Polizei in NRW zudem eine Tragepflicht für Bodycams – ebenfalls eine Konsequenz aus den Schüssen auf den 16 Jahre alten Flüchtling. Eine Einschaltpflicht für die an der Uniform befestigten Kameras gibt es aber bisher nicht. Bei dem tödlichen Polizeieinsatz in Dortmund waren die Bodycams der beteiligten Beamten nicht eingeschaltet. Erst nach einer umfangreichen Rekonstruktion des Tatverlaufs stellte sich, entgegen den Aussagen der am Einsatz beteiligten Polizeibeamten, ein massives Polizeiversagen heraus.

Hat die Polizei aus rassistischen Motiven getötet?

Die Dortmunder Polizei war am 8. August 2022 zu einer Jugendhilfeeinrichtung gerufen worden, wo der 16-Jährige zunächst gedroht haben soll, sich mit einem Messer zu töten. Er wurde von der Polizei erst mit Pfefferspray und zwei Tasern beschossen. Schließlich schoss ein Polizist mit einer Maschinenpistole, der Jugendliche starb im Krankenhaus. Bei der Rekonstruktion stellte sich heraus, dass vom Jugendlichen keine Gefahr ausgegangen war.

Claus Melter von der Fachhochschule Bielefeld hegt den Verdacht, dass beim Tod des sechzehnjährigen Mouhamed D. die Polizei unprofessionell gehandelt hat und der Jugendliche ohne Not oder gar aus rassistischen Motiven getötet worden sein könnte. Die Polizei habe mit außergewöhnlich großem Aufgebot, massiver Bewaffnung und scheinbar ohne psychologische Unterstützung und Sprachmittlung gehandelt. „Es ist schwer vorstellbar, dass bei einem Anruf einer Jugendhilfeeinrichtung bei einem, als weiß und christlich angesehenem suizid-gefährdetem Jugendlichen, ähnlich gehandelt worden wäre“, erklärt Melter.

Experte fordert Bodycam-Einschaltpflicht

Als Konsequenz fordert der Polizei-Experte Rafael Behr eine Einschaltpflicht für die Bodycams der Beamten. „Immer noch bleibt es den Beamten überlassen, das ist mangelhaft, das muss geändert werden“, sagte Behr am Dienstagmorgen im WDR. „Denn wir haben Grund, den Erzählungen der Polizei zu misstrauen, gerade nach solchen Fällen.“ Da brauche es objektive Beweismittel. Behr ist Professor für Polizeiwissenschaften mit den Schwerpunkten Kriminologie und Soziologie am Hochschulbereich der Akademie der Polizei Hamburg.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Schützen Anklage wegen des Vorwurfs des Totschlags erhoben. Die vier anderen Polizisten müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung beziehungsweise Anstiftung dazu verantworten. Wann der Prozess beginnt, steht noch nicht fest. Oberbürgermeister Westphal bedauerte bei der Mahnwache, dass weiterhin unklar sei, wann der Strafprozess gegen die an dem Vorfall beteiligten Polizisten beginne. (dpa/epd/mig) Leitartikel Panorama

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