Polen, Flagge, Fahne, Mast, Polnisch
Die polnische Flagge © Szift @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Polen vor der Wahl

Ultrarechte Partei Konfederacja im Aufschwung

Seit acht Jahren hat Polen eine rechtskonservative Regierung. Doch bei der nächsten Wahl muss die PiS um ihre Mehrheit fürchten. Ihre möglichen Nothelfer: Junge Typen, die noch weiter rechts stehen.

Von Dienstag, 08.08.2023, 17:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.11.2023, 11:22 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Der neue Stern der rechten Szene in Polen hat eine spitze Zunge. In kurzen, ironischen Videos teilt Slawomir Mentzen, Ko-Vorsitzender der rechtsradikalen Partei Konfederacja, gegen das Establishment aus, gegen Steuern und gegen die EU. „Mein Plan für die Zukunft: Bier, Steuern, Sozialabgaben, Inflation und Linke auf Null setzen“, witzelt der 36-Jährige auf Tiktok. Es ist rechte Politik – nicht mit Springerstiefeln, sondern als Stand-up-Comedy.

Mit Umfragewerten von derzeit um die 15 Prozent kann Konfederacja damit rechnen, bei der polnischen Parlamentswahl im Herbst drittstärkste Kraft zu werden. Sie könnte womöglich mitentscheiden, wer danach regiert. Würde Deutschlands östliches Nachbarland dann politisch noch weiter nach rechts rücken?

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Mentzen, Steuerberater aus Torun (Thorn), greift die großen Parteien PiS und PO frontal an. Polen werde es besser gehen, wenn man sie abschaffe, ätzt er. Die nationalkonservative Partei Prawo i Sprawiedliwosc (Recht und Gerechtigkeit) dominiert Polen seit acht Jahren. Umfragewerte um die 34 Prozent lassen erwarten, dass sie erneut stärkste Partei wird, aber nicht allein regieren kann.

Wahl eine Wegscheide für Polen

Die oppositionelle Platforma Obywatelska (Bürgerplattform) war bis 2015 am Ruder. Ihr politisches Lager steht bei etwa 31 Prozent. Doch selbst falls alle anderen Oppositionsparteien noch dazustoßen sollten, sieht es nicht nach einer gemeinsamen Mehrheit aus.

Die PiS hat die Unabhängigkeit der Justiz eingeschränkt und liegt im Dauerstreit mit der EU. Manche Beobachter halten diese Wahl, deren Datum noch nicht feststeht, für eine Wegscheide. Entschieden werde, „ob das seit zwei Legislaturperioden von der rechtspopulistischen Regierung aufgebaute autoritäre System zur Vollendung kommt“, schreibt etwa der Soziologe Janusz A. Majcherek in den deutschen „Polen-Analysen“. „Sollte es dazu kommen, könnten dies die letzten Wahlen sein, welche die demokratische Opposition gewinnen könnte.“

Auseinandersetzung älterer Männer

Bislang ist der Wahlkampf in Polen eine Auseinandersetzung älterer Männer: PiS-Chef Jarowlaw Kaczynski (74) gegen PO-Chef Donald Tusk (66), den früheren EU-Ratspräsidenten. Mit Unschuldsmiene sinniert der 36-jährige Mentzen darüber, ob die beiden in ein Sanatorium oder ein Irrenhaus in Rente geschickt werden sollten. Auch der zweite Vorsitzende der Konfederacja, Krzysztof Bosak, zählt erst 41 Jahre.

Auf Tiktok verfolgen 781.000 Menschen, was Mentzen sagt, auf Facebook 479.000, auf Instagram 337.000. Vor allem bei jungen männlichen Wählern kommt er gut an. Bei denen, die rechts wählen wollen, liegt Konfederacja vor der PiS. Langzeitpolitiker Tusk hat 1,6 Millionen Follower auf Twitter, bei den jüngeren Netzwerken Instagram und Tiktok hat er weniger als Mentzen. Der PiS folgen auf Facebook 395.000 Menschen, auf Instagram sind es nur 34.000.

Mentzen, nationalistisch und anti-europäisch

Mentzen denkt nationalistisch und anti-europäisch, ist gesellschaftlich konservativ und strikt gegen Abtreibung. Darin mischt sich radikal libertäres Denken: Kein Sozialstaat, jeder soll für sich selber sorgen. „Für die Konfederacja stimmen Leute, die ihr Leben in eigene Hände nehmen möchten“, sagt er. Ohne lästige Abgaben solle sich jeder arbeitende Pole ein Haus mit Rasen, einen Grill, zwei Autos und Urlaub leisten können.

2019 fasste Mentzen die fünf Ziele der Partei noch so zusammen: „Wir wollen keine Juden, Homosexuelle, Abtreibung, Steuern und auch keine Europäische Union!“ Davon versucht er sich mittlerweile zu distanzieren. „Das sind nicht meine Ansichten“, sagte er im März. Zu Migration sagte er in einem aktuellen Interview: Ukrainer, „die uns kulturell nahe sind“, dürften kommen. Aber Menschen „vom anderen Ende der Welt“ sollten nach drei bis sechs Monaten wieder ausreisen.

Sammelbecken extremer Rechten

Voller Name der Ende 2018 gegründeten Partei ist Konföderation der Freiheit und Unabhängigkeit; sie ist ein Sammelbecken verschiedener Strömungen der extremen Rechten in Polen. Ex-Chef Janusz Korwin-Mikke ist Monarchist. Die nationalkatholische Volksbewegung RN gehört dazu. Der Regisseur Grzegorz Braun, ebenfalls Monarchist, hat bei aller Feindseligkeit gegen Deutschland Kontakte zur AfD. Seit 2019 stellt die Partei Abgeordnete im Parlament in Warschau.

„Liberalismus hoch zwei, übergossen mit patriotisch-konservativer Soße, soll das Rezept für alle Übel der Gegenwart sein“, kommentierte der Politologe Kamil Sikora das Programm. Aber junge Leute seien von Konfederacja fasziniert, weil ihnen der Staat sonst wenig zu bieten habe, schrieb er in der Zeitung „Rzeczpospolita“.

Debatte um mögliche Koalition

Einem möglichen Zusammengehen haben Kazcynski wie Mentzen bislang eine Absage erteilt. Die Rechten unterscheiden sich in sozialen Fragen, die PiS will mit Sozialleistungen wie höherem Kindergeld Zustimmung gewinnen. „Wir gehen nicht in diese Wahl, um einen Deal mit der PiS zu machen“, sagte Mentzen. Doch kürzlich wurde er mit Äußerungen zitiert, er wolle Finanzminister werden. Er könne sich nicht vorstellen zu verhandeln, wenn es nicht um diesen Posten gehe, sagte er der Wirtschaftszeitung „Puls Biznesu“.

So erwarten viele in der polnischen Politik, dass die Konfederacja die PiS nach der Wahl an der Macht halten könnte. „Sie kann mit der PiS regieren“, sagte der Soziologe Jaroslaw Flis von der Universität Krakau. Bei den möglichen Szenarien geht es nicht unbedingt um eine feste Koalition, auch die Duldung einer Minderheitsregierung scheint denkbar. PiS-Vertreter, die um ihre Wiederwahl fürchten, wechseln derzeit zur Konfederacja. Sie könnten nach der Wahl zurückkehren und so vielleicht für eine Mehrheit sorgen. (dpa/mig) Aktuell Ausland

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