Bundeskunsthalle, Gebäude, Bonn, Kunst, Ausstellung, Museum
Bundeskunsthalle © Raimond Spekking (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, Link

Normalfall Einwanderung

Ausstellung über Migration und Rassismus in der Bundeskunsthalle

Die Bundeskunsthalle in Bonn stellt in einer Ausstellung Fragen an das Einwanderungsland Deutschland. Im Mittelpunkt stehen die Themen Rassismus und Diskriminierung.

Von Donnerstag, 27.07.2023, 19:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 27.07.2023, 15:48 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

„Wo kommen Sie denn her? Und möchten Sie wieder zurückgehen?“ Diese Fragen werden Menschen mit dunklerer Hautfarbe immer noch häufig gestellt, selbst wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind. Die Gruppe „Kanak Attak“ drehte den Spieß einfach einmal herum. Sie stellte Konzertbesuchern in der Kölner Philharmonie diese Fragen und erntete damit erstaunte Blicke bei den Kölnern, Neussern oder Essenern.

„Migration ist keine Besonderheit unserer Zeit“, heißt es in der Ausstellung „Wer wir sind. Fragen an ein Einwanderungsland“ in der Bundeskunsthalle in Bonn. Vielmehr sei Einwanderung der Normalfall. Nur der Umgang der Mehrheitsgesellschaft mit diesem Phänomen sei offenbar noch immer nicht selbstverständlich.

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Raum für kritische Fragen

Die Bundeskunsthalle gibt deshalb den kritischen Fragen an das Einwanderungsland Deutschland mit einer Ausstellung breiten Raum. Zu sehen sind neben zahlreichen dokumentarischen Fotografien rund 300 Objekte und Dokumente zur Einwanderungsgeschichte in Deutschland. Sie stammen aus der Sammlung des DOMiD (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland). Der Verein, der über eine Sammlung mit rund 150.000 Objekten verfügt, will 2027 in Köln ein Migrationsmuseum eröffnen. Für die Bonner Ausstellung hat die Bundeskunsthalle außerdem mit dem Migrationsforscher Mark Terkessidis und dem Migrationsreferenten der Linken-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung, Massimo Perinelli, zusammengearbeitet.

In Video-Interviews kommen zahlreiche Zeitzeugen sowie Politiker oder Kulturschaffende mit Einwanderungsgeschichte zu Wort. Ergänzt werden die dokumentarischen Abschnitte der Ausstellung durch Arbeiten von 50 Künstlerinnen und Künstlern unterschiedlicher Herkunft, darunter Mona Hatoum, Ülkü Süngün, Hito Steyerl, Alicja Kwade, Ulay, Lerato Shadi und Katharina Sieverding.

Struktureller Rassismus im Zentrum

Im Zentrum stehe der strukturelle Rassismus in Deutschland, erklärt Kuratorin Johanna Adam. „Rassismus ist kein individuelles Phänomen, sondern ein gesamtgesellschaftliches“, ergänzt Ko-Kuratorin Lynhan Balatbat-Helbock. Dies habe in Deutschland eine lange Tradition.

Was macht eigentlich das „Deutschsein“ aus? Mit dieser Frage beschäftigt sich unter anderem die Künstlerin Alicja Kwade. Als Kind wanderte sie mit ihrer Familie aus Polen ein und wurde bei der Einbürgerung ohne ihr Einverständnis „eingedeutscht“. Aus Alicja wurde im deutschen Personalausweis „Alice“. Kwade dokumentiert ihren Versuch, diese Umbenennung rückgängig zu machen, anhand der entsprechenden Urkunden.

Einwanderung von Arbeitskräften

Ein Kapitel der bis zum 8. Oktober gezeigten Ausstellung widmet sich der Einwanderung von Arbeitskräften nach dem Zweiten Weltkrieg. Während die Bundesrepublik sogenannte Gastarbeiter vorwiegend aus Südeuropa und der Türkei anwarb, kamen Menschen aus kommunistischen Bruderländern wie Vietnam oder Mosambik in die damalige DDR. Serkan Sarier thematisiert das Gefühl der Fremdheit der Gastarbeiter in seinem Gemälde „The Ghosts of The Past are Present (Die Gastarbeiter-Oper)“: Spärlich mit Arbeitskleidung bekleidete Gestalten winden sich vor der Kulisse einer Industrielandschaft.

Die Ausstellung beleuchtet auch das Leben von Juden in Deutschland, etwa mit der bedrückenden Videoarbeit von Hito Steyerl. Sie widmet sich dem Schicksal von Tony Abraham Merin, dem letzten in Babenhausen verbliebenen Juden. Nach Repressalien verlässt er das Land. Sein Haus wird 1997 angezündet.

Mölln, Solingen und der NSU-Komplex

Breiten Raum nehmen rassistische Gewalttaten gegen eingewanderte Menschen ein, unter anderem die Brandanschläge in Mölln und Solingen sowie der NSU-Komplex. Erstmals sind einige der rund 700 Briefe an die Familie Arslan zu sehen, die nach dem Anschlag auf das Haus der Familie 1992 bei der Stadt Mölln eingingen. Sie Stadt reichte die Solidaritätsbekundungen aber nicht weiter. Erst 2019 erfuhr die Familie von dem Zuspruch und der Anteilnahme vieler Mitbürger.

Die Ausstellung lässt Erfolgsgeschichten geglückter Integration und Beispiele guten Miteinanders von Menschen verschiedener Kulturen außen vor. Auch die Ursachen von Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit werden ausgeblendet. Wie das Gefühl des „Wir“ in einer offenbar strukturell rassistischen Gesellschaft entstehen soll, bleibt am Ende offen. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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