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Schulhof (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Niederlage gegen Rechts

Brandbrief-Lehrer gehen nach rechten Anfeindungen

Zwei Lehrer aus dem Spreewald schreiben einen Brandbrief und berichten von rechtsextremen Vorfällen an ihrer Schule. Nun haben sie eine Entscheidung gefällt, die aufhorchen lässt - und gleichzeitig für Bestürzung sorgt.

Von und Donnerstag, 13.07.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 13.07.2023, 19:40 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Der Rückzug zweier Lehrer von ihrer Schule im Spreewald wegen rechter Anfeindungen hat in Brandenburg für Bestürzung gesorgt. Neben strafrechtlichen Ermittlungen soll der Kampf gegen Rechtsextremismus verstärkt werden. „Ob auf der Straße, in Vereinen, Schulen oder Betrieben: In Brandenburg darf es keinen Ort geben, in denen Rechte Ängste schüren und Andersdenkende vertreiben wollen“, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Donnerstag. Und er betonte: „Allen, die sich mit Engagement und mutig dem Rechtsextremismus entgegenstellen, gilt unsere Unterstützung.“

Damit bezog er sich auf die Lehrkräfte Max Teske und Laura Nickel. Sie hatten im April in einem Brandbrief öffentlich gemacht, dass sie an ihrer Schule in Burg im Spreewald täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert seien. Das Schreiben löste eine Debatte aus, die auch bundesweit verfolgt wurde.

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Lehrer zunehmenden Anfeindungen ausgesetzt

Die Lehrerin und der Lehrer waren danach zunehmend Anfeindungen ausgesetzt. In dem Ort waren in den vergangenen Tagen Aufkleber zu sehen, auf denen ein Foto der beiden zu sehen war, darunter stand: „#’pisst Euch nach Berl*in“. Beide wurden zudem in einem sozialen Netzwerk bedroht. Am Mittwoch wurde bekannt, dass nun beide die Schule verlassen.

Die Vorfälle sind in Brandenburg kein Einzelfall. Die Schulämter meldeten seit Bekanntwerden der rechtsextremen Taten in Burg mehr solcher Fälle. Und die Zahl politisch motivierter rechter Straftaten in Brandenburg insgesamt stieg im ersten Halbjahr dieses Jahres nach vorläufigen Zahlen des Innenministeriums um ein Drittel auf 1049.

Steinmeier sieht Zusammenhang zwischen Burg und AfD-Erfolg

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht einen indirekten Zusammenhang zwischen den rechtsextremen Vorfällen in Burg und den jüngsten AfD-Wahlerfolgen. Es gebe einen Zusammenhang insofern, als dass die Vorteile einer Demokratie nicht überall wertgeschätzt würden, sagte Steinmeier am Donnerstag bei einem Besuch in Werder/Havel. Man müsse wieder mehr Menschen davon überzeugen, dass die Demokratie nicht vom Himmel gefallen sei.

„Dass diejenigen, die sich rechtsextremem Hass entschlossen entgegenstellen, mehr und mehr selbst zum Ziel rechter Gewalt werden, ist alarmierend“, sagte die Grünen-Innenpolitikerin Misbah Khan. „Neben einer nachhaltigen Stärkung demokratischer und antifaschistischer Strukturen“ gelte es, die Betroffenen besser zu schützen. In der geplanten Reform des Melderechts werde die Ampel-Koalition daher die Möglichkeit von Auskunftssperren vereinfachen. Ist eine solche Sperre eingetragen, erteilt die Meldebehörde keine Auskunft über die Adresse. Die Hürden für eine solche Sperre sind allerdings bislang relativ hoch. Sie muss zudem alle zwei Jahre neu beantragt werden.

Rechtsextrem bei 28 Prozent

In Brandenburg wird im kommenden Jahr ein neuer Landtag gewählt, in der jüngsten Umfrage des Instituts Insa für das Boulevardblatt „Bild“ kam die AfD bei der Sonntagsfrage auf 28 Prozent – vor der SPD mit 21 Prozent. Der Verfassungsschutz stufte den AfD-Landesverband dort 2020 als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein, die AfD-Jugend Junge Alternative gilt seit Mittwoch gesichert rechtsextremistisch.

Wegen der Bedrohungen aus der rechten Szene gegen die beiden Lehrkräfte prüft das Staatliche Schulamt Cottbus Strafanzeigen gegen unbekannt. „Dass Beamte oder Angestellte des Landes bedroht werden, ist inakzeptabel“, sagte Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Das Schulamt sei in der Schule nach dem Brandbrief sofort tätig geworden. Es habe Gespräche mit Betroffenen, Eltern, Lehrern und Schülern gegeben. „Auch ich persönlich habe den Lehrkräften meine Unterstützung angeboten“, sagte Freiberg. Die beiden hätten sich vor ihrer Entscheidung, die Schule zu verlassen, in der Sache aber weder an ihn noch an das Schulamt gewandt.

Lehrergewerkschaft für weitere Aufarbeitung

Die beiden Lehrkräfte gründeten im Frühjahr mit einem Pfarrer das Bündnis „Schule für mehr Demokratie“. Am Donnerstag kritisierte das Bündnis, Teske und Nickel seien von der Landespolitik und der Schule nicht ausreichend unterstützt worden. „Der Minister, die Schulleitung und die zuständigen Beratungsstellen müssen das Problem in seiner ganzen Dramatik öffentlich anerkennen und so den Druck von engagierten Einzelpersonen wegnehmen.“

Auch die Lehrergewerkschaft GEW hält eine weitere Aufarbeitung für nötig. „Ich habe großes Verständnis für die Entscheidung der Lehrkräfte, die Schule wegen der Bedrohungen aus der rechten Szene zu verlassen“, betonte der GEW-Landesvorsitzende Günther Fuchs. Solche rechtsextremen Vorfälle seien aber kein Problem der Schule allein. Vielmehr seien vermehrte rechte Tendenzen eine Folge der gesellschaftlichen Entwicklung.

„Alarmsignal“, „Verheerend“

Brandenburgs Grünen-Fraktionschefin Petra Budke sprach von einem „Alarmsignal an die ganze Gesellschaft“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Ludwig Scheetz, sagte: „Es ist verheerend für Brandenburg und schadet allem, was wir mühsam aufgebaut haben.“ Linksfraktionschef Sebastian Walter sieht ein Versagen der Behörden: „An dieser Stelle haben die Rechten gewonnen, weil es ein Staatsversagen gab, weil es keine Zusammenarbeit gab.“

Der Verein Opferperspektive warnte: „Das Problem, das Burg mit der extremen Rechten hat, verschwindet nicht, wenn niemand mehr da ist, um es zu thematisieren.“ An diesem Freitag wollen 30 Akteure aus Politik, Wirtschaft und Bürgerschaft das „Bündnis für Brandenburg“ von 2015 erneuern. Es wirbt für eine stärkere Willkommenskultur für Geflüchtete und stellt sich gegen Fremdenhass und Rechtsextremismus. (dpa/mig) Aktuell Panorama

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