„Absolut schleierhaft“

„Gesichert rechtsextremer“ AfD-Landrat besteht „Demokratie-Check“

Die Wahl von Sesselmann zum ersten AfD-Landrat Deutschlands hatte Empörung ausgelöst. Kann ein Mitglied einer in Thüringen als rechtsextrem eingestuften Partei dort ein kommunales Spitzenamt übernehmen? Ja, sagt die Aufsichtsbehörde. Linke kritisiert Entscheidung scharf.

Mittwoch, 12.07.2023, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 11.07.2023, 20:48 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Der am 25. Juni im südthüringischen Landkreis Sonneberg in einer Stichwahl zum ersten AfD-Landrat Deutschlands gewählte AfD-Politiker Robert Sesselmann darf sein Amt ausüben. Das ergab eine Überprüfung unter Einbeziehung der Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, wie das Thüringer Landesverwaltungsamt in Weimar mitteilte.

Es gebe derzeit keinen Grund zum Eingreifen, erklärte die Aufsichtsbehörde. Bei Sesselmann, dem ersten AfD-Landrat in Deutschland, würden „derzeit keine konkreten Umstände gesehen, die von hinreichendem Gewicht und objektiv geeignet sind, eine ernsthafte Besorgnis an dessen künftiger Erfüllung der Verfassungstreuepflicht auszulösen“.

___STEADY_PAYWALL___

Gesichert Rechtsextrem besteht Demokratie-Check

Die Thüringer AfD mit ihrem Landespartei- und Fraktionschef Björn Höcke wurde bereits im März 2021 vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Das bedeutet laut Landesverwaltungsamt, dass Mitglieder des AfD-Landesverbands Thüringen rechtsextremistische Bestrebungen verfolgen. Der Landesverband ging gegen die Einstufung bislang nicht juristisch vor.

Aufgrund der Einstufung wurde nach Sesselmanns Wahl eine Überprüfung gestartet, ob er Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzustehen. Durch die Zugehörigkeit des neu gewählten Landrats zum AfD-Landesverband Thüringen sei im konkreten Einzelfall zu überprüfen gewesen, ob er zu dieser Gruppe der AfD-Mitglieder gehört. Das sei nicht der Fall, wie jetzt entschieden wurde. Damit gilt der Demokratie-Check als bestanden.

Linke kritisiert Ergebnis der Sesselmann-Überprüfung

Das stößt bei der Linke-Abgeordneten Katharina König-Preuss auf Unverständnis. Sesselmann sei nicht nur Mitglied einer Partei, die als gesichert rechtsextrem eingestuft ist, „er ist auch durch seine Rolle im Landesvorstand in herausgehobener Stellung dieser extrem rechten Partei aktiv“, sagte König-Preuss der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Das bedeute, dass „er die Inhalte nicht nur vertritt, sondern selber mit erarbeitet“.

König-Preuss nannte das Ergebnis unbefriedigend. Es gebe Entscheidungen von Oberverwaltungsgerichten in Thüringen und Sachsen sowie mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, „welche in Summe ausdrücken, dass die Treuepflichtverletzung bereits mit Mandatskandidaturen für extrem rechte Parteien und der exponierten Stellung durch die Landesvorstandsmitgliedschaft bejaht werden sollte, noch dazu, wenn gar keine Distanzierung erkennbar ist, sondern sich der Amtsträger weiter hinter Höcke stellt“, so König-Preuss. Wie das Landesverwaltungsamt angesichts dessen zu dem für Sesselmann positiven Ergebnis kommen konnte, sei ihr „absolut schleierhaft“.

Linke sehen methodisches Problem

Die Sprecherin für Antifaschismus der größten Fraktion (Linke) im Thüringer Landtag nannte es ein methodisches Problem, dass nicht schon der Wahlausschuss vor der Landratswahl im Kreis Sonneberg aktiv wurde. „Das Innenministerium und das Landesverwaltungsamt müssen diese Gremien künftig noch stärker bei der Bewertung der Frage Zulässigkeit ja/nein unterstützen“, forderte sie.

Für Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, sage das Ergebnis der Überprüfung aus, dass diese auf sich selbst gestellt seien. „Ich frage mich, wie wehrhaft – ausgehend von diesem Ergebnis – die Demokratie ist, wenn Personen, die in herausgehobener Stellung für extrem rechte Parteien tätig sind, faktisch einen Persilschein durch die Verwaltung ausgestellt bekommen“, sagte König-Preuss.

Bewerber um ein kommunales Wahlbeamtenamt müssen demnach laut Thüringer Kommunalwahlgesetz unter anderen Bedingungen auch die persönliche Eignung für eine Berufung in ein Beamtenverhältnis erfüllen. Sesselmann hatte bei der Stichwahl um den Landratsposten im südthüringischen Sonneberg am 25. Juni 52,8 Prozent der Stimmen erhalten. Er setzte sich damit gegen Jürgen Köpper von der CDU durch.

Sachsen-Anhalt: Kein „Demokratie-Check“ für AfD-Bürgermeister

Derweil hat das Innenministerium in Sachsen-Anhalt mitgeteilt, dass es keine Prüfung der Verfassungstreue des bundesweit ersten direkt gewählten hauptamtlichen Bürgermeisters der AfD, Hannes Loth, geben wird. Für einen solchen Demokratie-Check fehle dem Land die Zuständigkeit. Über die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl entscheide laut Kommunalwahlgesetz der Stadtrat. Der bisherige AfD-Landtagsabgeordnete Hannes Loth war am 2. Juli zum neuen Bürgermeister von Raguhn-Jeßnitz im Kreis Anhalt-Bitterfeld gewählt worden.

Laut Innenministerium muss der Stadtrat als zuständige Ernennungsbehörde auch die Voraussetzungen für eine Berufung in das Beamtenverhältnis prüfen. Dies umfasse stets auch eine Prüfung der Verfassungstreue. Als wichtige Grundlage für diese Entscheidung nannte das Innenministerium den aktuellen Verfassungsschutzbericht. Hier sei abzulesen, welche Einzelpersonen oder Personenzusammenschlüsse von den Sicherheitsbehörden als gesichert rechtsextremistisch eingestuft worden seien. Anders als in Thüringen wird die AfD in Sachsen-Anhalt nicht als gesichert rechtsextrem, sondern nur als Verdachtsfall eingestuft. (dpa/epd/mig) Leitartikel Politik

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. JS sagt:

    Nannte das Ergebnis unbefriedigend… Nun das gute in Deutschland ist ja – das wir hier keine Gesinnungsdemokratie haben. In dem Fall wurde -er- geprüft und es gab keine Beanstandungen.
    das die Linke hier ein PRoblem sehen kann man nachvollziehen. andersrum hätten auch viele demokratische Parteien die gleichen Vorbehalte gegen Landräte der Linken…