Walter Lübcke, Mord, Rassismus, Rechtsextremismus, Trauerfeier
Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke wurde Opfer eine rechtsextrem motivierten Anschlags

Lübcke-Ausschuss

Opposition zieht mit Sondervoten Bilanz

Im Juli soll der Abschlussbericht des Lübcke-Untersuchungsausschusses im Landtagsplenum vorgestellt werden. In nicht-öffentlicher Sitzung ging es am Dienstag um die Sondervoten der Opposition. Welches Fazit lässt sich aus drei Jahren Ausschussarbeit ziehen?

Dienstag, 20.06.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 20.06.2023, 14:25 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Opposition hat im Lübcke-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags mehrere Sondervoten vorgelegt. Das Gremium in Wiesbaden hatte sich zuvor nicht auf einen gemeinsamen Abschlussbericht einigen können – SPD, FDP, Linke und AfD formulierten daraufhin eigene Bewertungen.

Die SPD- und die FDP-Opposition legten zusammen ein mehr als 400-seitiges Sondervotum vor, wie der Ausschussvorsitzende Christian Heinz (CDU) am Dienstag mitteilte. Die Linke hätte kürzlich ein gut 200-seitiges und die AfD-Fraktion ein Papier mit etwa 15 Seiten präsentiert. Der von Schwarz-Grün zuvor vorgelegte Abschlussbericht war Ende Mai mit den Stimmen der Regierungsfraktionen verabschiedet worden.

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Worum geht es bei dem Untersuchungsausschuss?

Im Juni 2019 erschütterte der gewaltsame Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) die Menschen weit über die Grenzen Hessens hinaus. Schon kurz darauf fassen die Ermittler einen Verdächtigen und es wird klar: Er stammt aus dem rechtsextremen Milieu. Stephan Ernst wird im Januar 2021 wegen Mordes verurteilt.

Im Juni 2020 war im hessischen Landtag mit den Stimmen aller Fraktionen der Untersuchungsausschuss 20/1 eingesetzt worden. Das Gremium soll beleuchten, ob in hessischen Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Mordfall Fehler passierten.

Im Kern steht die Frage, ob die schreckliche Tat hätte verhindert werden können. Der verurteilte Mörder Ernst war als Rechtsextremist aktenkundig, aber zum Tatzeitpunkt nicht mehr unter besonderer Beobachtung des Verfassungsschutzes gewesen. Warum konnte der Mann vom Radar der Behörde verschwinden? Zudem ging es unter anderem darum, wie der später im Mordprozess mitangeklagte Markus H. an eine Waffenbesitzkarte kommen konnte.

Hat die Ausschussarbeit zu neuen Erkenntnissen geführt?

Bahnbrechende neue Erkenntnisse gibt es nach Einschätzung von Beobachtern nicht. Dass es rückblickend ein Fehler war, Ernst als „abgekühlt“, also nicht mehr gefährlich, einzustufen, dürfte niemand verneinen. In diesem Zusammenhang ging es im Gremium etwa um die handschriftliche Bemerkung „brandgefährlich“, die Hessens früherer Verfassungsschutz-Präsident Alexander Eisvogel 2009 in einem Vermerk zu Ernst schrieb.

Nachrichtendienstliche Maßnahmen seien mangels tatsächlicher Anhaltspunkte auf bevorstehende Straftaten nicht möglich gewesen, hatte Eisvogel als Zeuge im Ausschuss gesagt. Er berichtete unter anderem von einem „notleidenden“ Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden und massiven Ausbildungsmängeln beim Verfassungsschutz.

Welche prominenten Zeugen wurden gehört?

Große öffentliche Aufmerksamkeit gab es unter anderem bei den Aussagen von Ministerpräsident Boris Rhein, seinem Vorgänger Volker Bouffier und Innenminister Peter Beuth (alle CDU). Alle drei zeigten sich tief erschüttert über den Tod ihres Parteifreundes. Der frühere hessische Innenminister Rhein erklärte unter anderem, er sei zu der Überzeugung gelangt, dass die Tat nicht hätte verhindert werden können. Ähnlich äußerte sich auch Bouffier.

Beuth bekräftigte bei seiner Aussage im Februar 2023, der Druck hessischer Sicherheitsbehörden auf die rechtsextreme Szene habe sich seit dem Mord erhöht. Es würden verstärkt Einzelne beobachtet, nicht nur Gruppen. Die Tat sei nicht vorhersehbar gewesen, sagte Beuth.

Unter großem Sicherheitsaufwand wurde auch Ernst im Ausschuss befragt. Dazu zog das Gremium für eine Sitzung ins Wiesbadener Landgericht um. Bei den Fragen der Abgeordneten etwa zu Waffen und Schießtraining machte Ernst überwiegend von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.

Wie war der Strafprozess gegen Stephan Ernst ausgegangen?

Das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) verurteilte Ernst wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Den Mitangeklagten Markus H., einen Freund von Ernst aus der rechten Szene, verurteilte das OLG zu einer anderthalbjährigen Bewährungsstrafe wegen eines Waffendeliktes – aber nicht wie angeklagt wegen Beihilfe zum Mord an Lübcke.

Wie geht es nun weiter mit den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses?

Der Abschlussbericht und die Sondervoten sollen voraussichtlich im Juli im Landtagsplenum debattiert werden. (dpa/mig) Aktuell Panorama

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