Baden-Württemberg
Immer mehr Anfragen bei Antidiskriminierungsstellen
Die Dunkelziffer bei der Benachteiligung von Menschen ist nach Ansicht von Experten hoch. Doch immer mehr Bürger im Südwesten trauen sich, professionelle Unterstützung anzunehmen, wenn sie sich diskriminiert fühlen.
Dienstag, 02.05.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 02.05.2023, 13:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bei den Antidiskriminierungsstellen in Baden-Württemberg hat die Zahl der Beschwerden in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Das berichtet Nina Guérin, die die Antidiskriminierungsstelle des Landes leitet. Wer sich diskriminiert fühlt, kann sich in Baden-Württemberg in einem dichten Beratungsnetz Hilfe holen.
Auf die Arbeit der Antidiskriminierungsstellen im Land fiel jüngst ein Schlaglicht, als sich eine schwarze Frau bei der Heilbronner Einrichtung meldete, die sich durch die Dekoration eines Faschings-Berliners verletzt fühlte. Der Aufstecker stellte eine halbnackte schwarze Frau mit Bastrock und Knochenkette dar. Die Bitte, das Dekorationsmaterial „diskriminierungssensibel abzuändern“, erfüllte der Bäcker nicht. Im Netz erntete er dafür Lob, während die Antidiskriminierungsstelle von einem Shitstorm überrollt wurde.
Rassistische Diskriminierungen am häufigsten genannt
Die Beschwerde der Frau in Heilbronn ist kein Einzelfall: Die Antidiskriminierungsstelle des Landes zählte 2019 noch 75 Anfragen und im vergangenen Jahr schon 301. Und in einer Studie der Antidiskriminierungsstellen des Bundes von 2017 gab mehr als jeder dritte Befragte an, in den letzten zwei Jahren Diskriminierung erlebt zu haben. „Die am häufigsten genannten Gründe sind hierbei rassistische Diskriminierungen sowie Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung oder chronischen Erkrankung“, sagt Nina Guérin.
Die aktuell mit Hetze überschüttete Stelle in Heilbronn ist eine von neun lokalen Beratungsstellen unter anderem in Esslingen, Freiburg, Heidelberg und Mannheim. Eine überregionale Beratungsstelle für alle Menschen in Tübingen sowie drei weitere für den ländlichen Raum ergänzen das Angebot, das aus Sicht von Guérin bundesweit seinesgleichen sucht.
Die meisten Betroffenen melden sich nicht
Auch bei den Stellen vor Ort stieg die Zahl der Anfragen von 414 im Jahr 2019 auf je um 800 in den letzten Jahren. Diese Zahlen sagten allerdings nichts über die tatsächliche Anzahl an Diskriminierungen aus, meint Sozialwissenschaftlerin Guérin. „Die meisten Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, melden dies nicht, unter anderem weil vielen Menschen nicht bewusst ist, dass das, was sie vielleicht tagtäglich erleben, diskriminierend ist.“
Die Berater informieren über mögliche rechtliche Schritte gegen Diskriminierung und helfen bei der Suche nach Anwälten, formulieren Beschwerdebriefe oder begleiten die Hilfesuchenden zu einem Vermittlungsgespräch.
Zahl der Beschwerden steigt
Die Zahl der Beschwerden über Diskriminierungen geht nach oben, die Gründe bleiben aber relativ konstant, hat Expertin Guérin beobachtet. So bezogen sich die Anfragen im vergangenen Jahr zu über 30 Prozent auf rassistische Diskriminierungen, weitere 30 Prozent entfielen jeweils auf Diskriminierungen wegen einer Behinderung oder wegen einer chronischen Erkrankung.
Diskriminierungen erleben Menschen überall: In 15 bis 20 Prozent der Fälle ging es um den Behördenbereich, worunter etwa kommunale Ämter fallen. Aber auch Beschwerden über Diskriminierung im Job, über Benachteiligung in Bewerbungsverfahren oder Fälle in Kindergärten, Schulen und Hochschulen wurden gemeldet.
Antidiskriminierungsstelle für Landesgesetz
Die Arbeit der von Land und Kommunen geförderten Berater beruht auf dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz; dessen Ziel es ist, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“.
Die Antidiskriminierungsstelle des Landes setzt sich mit vielen anderen Organisationen auch für ein Antidiskriminierungsgesetz auf Landesebene ein, damit sich Betroffene besser gegen Diskriminierungen durch öffentliche Stellen zur Wehr setzen können. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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