Rhetorik wie in 1930ern
Großbritannien will Schutzsuchende auf Lastkahn unterbringen
Großbritannien will schutzsuchende Menschen auf Lastkähnen internieren ehe sie abgeschoben werden. Das Vorhaben erntet Kritik. Ex-Fußballstar Gary Lineker hält an seiner Kritik fest, dass die Rhetorik auf der Insel der Sprache im Deutschland der 1930er Jahre „nicht unähnlich“ ist.
Montag, 10.04.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 10.04.2023, 13:58 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die britische Regierung will schutzsuchende Menschen übergangsweise in einer schwimmenden Behausung unterbringen und hat dafür trotz Kritik aus den eigenen Reihen ein erstes Schiff organisiert. Das Innenministerium bestätigte, in der Grafschaft Dorset den Lastkahn „Bibby Stockholm“ geleast zu haben, auf dem etwa 500 Menschen untergebracht werden sollen. Zuvor hatten verschiedene Medien über die Pläne berichtet. Lokale konservative Abgeordnete hatten diese scharf kritisiert und sogar Klagen angedroht.
Die Unterbringung auf Lastkähnen ist Teil des Plans, unerwünscht in Großbritannien ankommende Schutzsuchende zunächst in speziell für sie vorgesehene Unterkünften zu internieren und sie dann entweder in ihre Herkunftsländer oder nach Ruanda auszuweisen. Mit dem ostafrikanischen Land hat London ein entsprechendes Abkommen. Aufgrund von Klagen und ausstehenden Prüfungen ist bislang jedoch keine einzige Person ausgeflogen worden.
Man müsse alternative Unterkünfte wie Kähne und Fähren nutzen, um das Geld britischer Steuerzahler zu sparen und zu verhindern, dass „Großbritannien zum Magneten für Asyl-Shopper in Europa“ werde, sagte der Staatssekretär für Migration, Robert Jenrick.
Kein Recht auf Asylantrag
Premierminister Rishi Sunak beklagte am Mittwoch die hohen staatlichen Kosten für Hotels, in denen derzeit Tausende Menschen untergebracht sind. Die schwimmende Unterkunft soll eine günstigere Alternative darstellen – die tatsächlichen Kosten für die Anmietung des Schiffes wurden jedoch zunächst nicht öffentlich gemacht.
Die konservative Regierung will mit aller Macht gegen unerwünschte Schutzsuchende vorgehen. Das Recht auf einen Asylantrag soll den meisten verwehrt werden. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) kritisiert das Vorhaben scharf. Kritiker werfen den Tories vor, das Problem aufzubauschen und mit demonstrativ hartem Vorgehen Wähler zurückgewinnen zu wollen. Wegen des Brexits hat London kein Rücknahmeabkommen mit der EU mehr.
Lineker: „Grausame“ Asylpoltik „faktisch zutreffend“
Derweil hat der Ex-Fußballstar und BBC-Moderator Gary Lineker mitgeteilt, an seiner Kritik der britischen Asylpolitik festzuhalten. Er sei weiter der Meinung, dass sein Tweet über die „grausame“ Asylpolitik „faktisch zutreffend“ sei, sagte Lineker der Zeitschrift „Men’s Health UK“. Der 62-Jährige hatte zuvor getwittert, die Rhetorik von Innenministerin Suella Braverman sei der Sprache im Deutschland der 1930er Jahre „nicht unähnlich“, und dafür bei den Konservativen für Empörung gesorgt. Die BBC suspendierte den beliebten Moderator – musste aber zurückrudern, als sich zahlreiche Kommentatoren und auch die Premier League mit Lineker solidarisierten.
„Ich habe jahrelang mit Flüchtlingshilfsorganisationen gearbeitet“, sagte der englische Ex-Nationalspieler nun. „Als ich Suella Bravermans Videoclip sah, fand ich ihn ziemlich furchtbar.“ Er habe dann auf einen Kommentar, dass er sich um Fußball kümmern und aus der Politik heraushalten solle, geantwortet. Innenministerin Braverman hatte Schutzsuchende, die unerwünscht über den Ärmelkanal einreisen, unter anderem als „Invasion“ bezeichnet.
„Ich war nicht bereit einzuknicken“
Die BBC hat sich einer strikten Neutralität verschrieben. Lineker ist aber nicht fest bei dem öffentlich-rechtlichen Sender angestellt. Er betonte, er habe vereinbart gehabt, dass er „gelegentlich“ über zwei Themen twittern dürfe, bei denen er sich persönlich engagiert – Klimawandel und Flüchtlinge.
„Ich war nicht bereit einzuknicken, vor allem da ich den Eindruck hatte und habe, dass das, was ich getwittert habe, fair und wahr ist“, sagte Lineker der Zeitschrift. „Ich war nicht beleidigend, ich habe (Braverman) nicht einen Nazi genannt. Ich habe über die Nutzung von Wörtern wie „Invasion“, „Schwärme“, „Kriminelle“ und „Vergewaltiger“ gesprochen, mit denen wir sehr vorsichtig sein sollten, weil sie Konsequenzen im echten Leben haben.“ (dpa/mig) Aktuell Ausland
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