Indigene in Brasilien
Der illegale Bergbau von Roraima und die tödliche Not der Yanomami
Unter Ex-Präsident Bolsonaro ist die Lage der Yanomami in Brasilien katastrophal geworden. Die neue Regierung hat den Notstand ausgerufen und geht Vorwürfen des Völkermords nach. Die Indigenen brauchen aber mehr: ein Ende des illegalen Bergbaus.
Von Lisa Kuner Donnerstag, 09.02.2023, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 09.02.2023, 13:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Hunderte Kinder, die an Krankheiten und den Folgen extremer Unterernährung gestorben sind, und mehr als 1.000 Menschen, die Anfang des Jahres in kritischem Zustand in Kliniken geflogen werden mussten: Im Schutzgebiet der Yanomami-Indigenen im Norden von Brasilien ist die Gesundheitslage katastrophal. Die neue Regierung von Luiz Inácio Lula da Silva hat drei Wochen nach Amtsantritt zu Jahresbeginn den Gesundheitsnotstand in dem Gebiet im Bundesstaat Roraima ausgerufen. Gegen den früheren Präsidenten Jair Bolsonaro werden Vorwürfe des Völkermords erhoben.
„Die Yanomami-Kinder sind nicht an Hunger gestorben“, betont Davi Kopenawa, einer der Anführer der Yanomami, im Interview mit der brasilianischen Nachrichtenplattform Amazônia Real. „Sie sind an Krankheiten gestorben, die illegale Bergarbeiter und Goldgräber bringen.“ Während der Amtszeit des rechtsextremen Bolsonaro starben mindestens 570 Kinder unter fünf Jahren und die Fälle von Malaria und Infektionskrankheiten schossen in die Höhe.
Zahl illegaler Bergarbeiter stark zugenommen
„Weil sie so weit abgelegen leben, war die Gesundheitsversorgung der Yanomami schon immer eine große Herausforderung“, sagt die Anthropologin Gilmara Fernandes Ribeiro vom Indigenen Missionsrat Cimi. Das Territorium der Yanomami ist mehr als doppelt so groß wie die Schweiz und viele Orte sind nur mit dem Flugzeug zu erreichen. Doch die Lage hatte sich unter Bolsonaro zugespitzt.
Dafür gebe es zwei Gründe, erklärt Estevão Benfica Senra von der Nichtregierungsorganisation Instituto Socioambiental. Zum einen sei die Gesundheitsversorgung stark gekürzt worden. Zum anderen habe die Zahl der illegalen Bergarbeiter, die in der Region beispielsweise an offenen Minen Gold schürfen, stark zugenommen. Mehr als 20.000 sollen sich in der Region befinden. Ermutigt wurden sie vom Ex-Präsidenten.
Zunahme von Malaria
Für ihre Minen fällen die Goldsucher nicht nur Bäume, sie verunreinigen auch Flüsse mit Quecksilber, und durch ihre Arbeit entstehen stehende Gewässer, in denen sich etwa Malaria-Mücken schnell verbreiten. Studien zeigen, dass im ganzen Amazonasgebiet mit einer steigenden Zahl von Minen auch eine Zunahme von Malaria einhergeht.
Viele Malariafälle im Schutzgebiet der Yanomami wurden jedoch nicht oder nicht ausreichend behandelt, weil Gesundheitspersonal oder Medikamente fehlten. „Immer wieder mussten Gesundheitsteams ihre Einsätze in der Region abbrechen, weil es zu gewaltsamen Konflikten mit den illegalen Bergarbeitern kam“, fügt die Anthropologin Fernandes Ribeiro hinzu.
Lebensraum geraubt
Der illegale Abbau ist auch der Grund, warum die Yanomami es zunehmend schwer haben, sich selbst zu versorgen: Er schränkt die Jagdmöglichkeiten ein, raubt fruchtbaren Boden und vernichtet so die Lebensgrundlagen der Indigenen. Der Wissenschaftler Benfica Senra, der regelmäßig mit den Yanomami zusammenarbeitet, hat beobachtet, wie es zuletzt für die Menschen in dem Gebiet immer schlimmer wurde. Schon im vergangenen Jahr sei er überrascht gewesen, wie schlecht einige Personen, mit denen er schon länger zu tun habe, aussahen, sagt er. „Das ganze Ausmaß der Katastrophe schockiert mich jetzt trotzdem“, fügt er hinzu.
Die Hutukara-Vereinigung, die die Yanomami politisch vertritt, begann aufgrund der Entwicklungen bereits 2020 Alarm zu schlagen. Die Regierung Bolsonaro ignorierte die Warnungen aber weitgehend. Deshalb wird das Ausmaß der Not auch erst jetzt richtig sichtbar. Inzwischen hat sich die brasilianische Justiz eingeschaltet und Ermittlungen aufgenommen.
Katastrophe kein Einzelfall
Doch die Katastrophe im Yanomami-Gebiet ist dem WWF zufolge kein Einzelfall. Umwelt- und Gesundheitsschäden durch illegalen Bergbau seien weit verbreitet, so auch im Bundesstaat Para im Land der Mundurukus. Dort sind demnach 90 Prozent der Indigenen mit Quecksilber vergiftet.
In Roraima ist unterdessen eine Notversorgung angelaufen. In der Hauptstadt Boa Vista wurde ein Notkrankenhaus errichtet, das Militär fliegt große Lebensmittellieferungen zu den Indigenen. Langfristig könne sich die Lage aber nur verbessern, wenn die Regierung dafür sorge, dass der illegale Bergbau in der Region ein Ende habe, sagt Fernandes Ribeiro. (epd/mig) Aktuell Ausland
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