Die Goldene Kartoffel 2022
Unterirdische SWR-Doku über Russlanddeutsche
Putin-affin, nicht integriert und eine Gefahr für die Demokratie. Für dieses verzerrte Bild der Russlanddeutschen erntete eine SWR-Doku im Sommer 2022 heftige Kritik. Nach der Pflicht kommt nun die Kür: Die „Goldene Kartoffel“ 2022, der Medienpreis für besonders missratene Berichte über Minderheiten.
Von Tatjana Kohler Donnerstag, 10.11.2022, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 11.11.2022, 5:53 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Am 12. November 2022 verleihen die „Neuen deutschen Medienmacher:innen“ (NdW) zum fünften Mal „Die Goldene Kartoffel“, ihren Medienpreis „für besonders einseitige oder missratene Berichterstattung über Aspekte der Einwanderungsgesellschaft.“ Dass diese Nicht-Auszeichnung im größten Krisenjahr des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks ausgerechnet an den SWR geht, dürfte alle Beteiligten aufmerken lassen.
Das Meisterstück des Südwest-Rundfunks war die Dokumentation Russlanddeutsche – unsere fremden Nachbarn? Wie die Jury festhält, erhebt der im Juli ausgestrahlte Beitrag den „Anspruch, einen differenzierteren Blick auf die Gruppe zu werfen – löst dies aber nicht ein. Die Doku zeichnet ein tendenziöses, stigmatisierendes und verzerrtes Bild. Das beginnt schon mit dem ersten Satz: ‚Russlanddeutsche. Sie wohnen bei uns. Sie arbeiten bei uns. Aber gehören sie wirklich dazu?‘“
Dazu sieht man „Bilder von aggressiv wirkenden Männern, die Russland-Fahnen schwenken – diese unjournalistische Wort-Bild-Verknüpfung gibt einen Rahmen für die folgenden 45 Minuten vor“, so die Russlanddeutsche Ira Peter im taz-Artikel „Mär der ‚bösen Russlanddeutschen‘“. Darin wird das mit über 100 Beteiligten eingeleitete Beschwerdeverfahren beim Rundfunkrat ausführlich begründet.
SWR-Doku nur ein Beispiel
Ob die Empörung im Verhältnis steht? Streng genommen war die SWR-Doku nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Viele Russlanddeutsche und Russischsprachige erleben sich seit dem 24. Februar 2022 wiederholt in die Nähe des Aggressors im Russland-Ukraine-Krieg gedrängt. So verweist das NdM-Netzwerk in seiner Pressemitteilung auf weitere Medienhäuser, deren undifferenzierte Reportagen über Russlanddeutsche sich für „Die Goldene Kartoffel“ qualifiziert hatten.
Eine Zeitreise ins Frühjahr 2022:
- Russlanddeutsche demonstrieren mit Hupkonzert – wofür oder wogegen eigentlich? (Merkur)
- Russlanddeutsche in Stuttgart: Der russische Teil der Seele schmerzt (Stuttgarter Zeitung)
- „Klein-Moskau“ in Pforzheim: Russlanddeutsches Leben zwischen Gartenzwerg und „Aussiedlerbote“ (Redaktionsnetzwerk Deutschland)
- Eine Debatte über die Russlanddeutschen ist überfällig (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Bezahlschranke)
Goldene Kartoffel als Mahnung
Zur Debatte kam es tatsächlich: Zwei Veranstaltungen mit dem Titel „Russlanddeutsche treffen SWR“ fanden Ende September in Freiburg sowie zuletzt Ende Oktober in Heilbronn statt. Das Auftakttreffen kommentierte die SWR-Landessendedirektorin Stefanie Schneider damit, dass gegenseitige Vorwürfe nichts bringen würden. Beim Fortsetzungstreffen warben sie und der SWR-Intendant Kai Gniffke für mehr Teilhabe, sei es durch Themenvorschläge für Sendungen oder perspektivisch durch die Mitarbeit in den Redaktionen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks.
Es wird wohl beides notwendig sein, um die noch immer virulenten Kritikpunkte aus der Welt zu schaffen. Denn wie Ernst Strohmaier von der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland betonte, fehle die Unterscheidung innerhalb der sehr vielfältigen Gruppe der Russlanddeutschen – eine oftmals allzu weit verstandene Sammelbezeichnung. Und: „Die Deutschen aus Russland wollen nicht immer wieder nur vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges vor die Kamera geholt werden.“ Dafür soll „Die Goldene Kartoffel 2022“ eine Mahnung sein. (tk) Aktuell Panorama
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