Netz zweifelt Echtheit an

Verfassungsschutz stellt Strafantrag nach NSU-Aktenveröffentlichung

Im Fall der veröffentlichten Akten zum Umgang des Verfassungsschutzes mit dem NSU ist jetzt das Hessische Landeskriminalamt am Zuge. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat Strafanzeige gestellt. Die Bundesregierung reagiert eher zurückhaltend. Im Netz wird die Echtheit der Akten angezweifelt.

Dienstag, 01.11.2022, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 02.11.2022, 5:33 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat nach der Veröffentlichung vertraulicher Akten zum NSU-Komplex Strafanzeige gestellt. „Da die unrechtmäßige Weitergabe von als Verschlusssachen eingestuften Dokumenten im Raum steht, hat das LfV Hessen – wie üblich in solchen Fällen – Strafanzeige gegen Unbekannt beim Hessischen Landeskriminalamt erstattet“, erklärte die Behörde am Montag. Sie begründete den Schritt unter anderem mit einer möglichen Gefährdung menschlicher Quellen des Verfassungsschutzes durch die Veröffentlichung. Indirekt bestätigte das Amt damit die Echtheit der Akten. Das ZDF sieht in der Veröffentlichung keinen Rechtsverstoß.

Das „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann und die Initiative „Frag den Staat“ hatten am Freitagabend sowohl in der Sendung als auch im Internet Dokumente veröffentlicht, die von den Sicherheitsbehörden für 30 Jahre als Verschlusssache eingestuft worden waren. Die Akten offenbarten ein „mehr als zweifelhaftes Bild“ von der Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes, hieß es zur Begründung. So werde deutlich, dass vor allem während der 90er Jahre – in denen sich auch die Rechtsterroristen des späteren NSU radikalisiert hätten – der Überblick über gesammelte Daten verloren gegangen sei und aus den Informationen nicht immer Konsequenzen folgten.

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Verfassungsschutz bestätigt Echtheit der Dokumente

Das Landesamt für Verfassungsschutz in Wiesbaden erklärte am Montag, wenn der Behörde Hinweise auf die Begehung von Straftaten bekannt werden, gebe sie diese grundsätzlich an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weiter, so auch im vorliegenden Fall. Bei den Dokumenten, die im Fokus medialer Berichterstattung stehen, handele es sich um als Verschlusssachen eingestufte Berichte aus den Jahren 2013 und 2014. Diese hätten das Ergebnis einer rückblickenden internen Prüfung der Erkenntnislage des LfV Hessen aus dem Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 30. Juni 2012 zum Gegenstand.

Die beiden Aktenprüfungsberichte hätten dem NSU-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags vorgelegen und lägen auch dem aktuell laufenden Untersuchungsausschuss zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vollständig vor. Darüber hinaus hätten die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission Verfassungsschutz jederzeit die Möglichkeit, die Berichte einzusehen. Zudem habe der hessische Verfassungsschutz die Aktenprüfungsberichte auch anderen Behörden zu deren jeweiliger Aufgabenerfüllung zur Verfügung gestellt, so dem Bundeskriminalamt, die Bundesanwaltschaft sowie dem Hessischen Landeskriminalamt.

ZDF: Veröffentlichung der Akten kein Rechtsverstoß

Die Berichte „konnten und können“ von dem Amt aber aus rechtlichen Gründen nicht veröffentlicht werden, weil sie als Verschlusssache eingestuft seien und klassifizierte Erkenntnisse des Verfassungsschutzes und anderer Behörden enthielten. Eine Weitergabe von Verschlusssachen an unbefugte Dritte stelle eine Straftat dar. „Menschlichen Quellen kann bei Bekanntwerden ihrer Tätigkeit für einen Nachrichtendienst eine Gefahr für Leib und Leben entstehen“, warnte das Amt.

Das ZDF indes sieht in der Veröffentlichung der Akten keinen Rechtsverstoß. Es bestünden keine rechtlichen Bedenken hinsichtlich der journalistischen Auswertung der sogenannten NSU-Akten und der daran anschließenden Veröffentlichung, teilte der Mainzer Sender am Dienstag auf Anfrage mit.

Netz zweifelt über Echtheit der Dokumente

Die Bundesregierung übte zwar keine harsche Kritik an der Veröffentlichung der NSU-Akten, sieht sie aber als problematisch an. Es gebe aus guten Gründen Einstufungen von Akten, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Verstöße dagegen sollten nicht Schule machen. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums führte aus, wenn eingestufte Akten veröffentlicht werden, sei unter Umständen damit zu rechnen, dass daraus etwas über die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden abzuleiten sei.

Derweil machen in sozialen Medien Zweifel über die Echtheit bzw. Vollständigkeit der Dokumente die Runde. Es stünde die Frage im Raum, warum die jetzt in die Öffentlichkeit gelangten Akten ursprünglich für 120 Jahre unter Verschluss gestellt wurden, wenn darin ohnehin keine nennenswerten neuen Erkenntnisse enthalten sind. Das Versagen der Sicherheitsbehörden, so wie sie aus den geleakten Akten hervorgehen, sei der Öffentlichkeit bereits hinlänglich bekannt gewesen und neue Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden ließen die Akten auch nicht zu. So wird vermutet, dass den Medien bewusst falsche Akten zugespielt wurden, um den öffentlichen Druck zur Veröffentlichung der echten Akten zu nehmen. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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