Brasilien
Linkspopulist und Hoffnungsträger: Lula zurück an der Spitze
Der Linkspolitiker Lula hat die Rückkehr ins Präsidentenamt in Brasiliens geschafft - mit beachtlichem Durchhaltevermögen und trotz einer Diffamierungskampagne in den sozialen Medien. Für die arme Bevölkerung ist er der größte Hoffnungsträger.
Von Susann Kreutzmann Dienstag, 01.11.2022, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 01.11.2022, 11:46 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Das Comeback des linksgerichteten Expräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva ist geglückt – wenn auch nur knapp. Doch Brasilien ist ein anderes Land als vor knapp 20 Jahren, als Lula seine Präsidentschaft (2003 bis 2011) zum ersten Mal antrat. Damals boomte die Wirtschaft der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas dank der Rohstoffförderung. Das brachte genügend Geld in den Staatshaushalt, um umfangreiche Sozialprogramme zu finanzieren. Millionen Brasilianer konnten so aus der Armut geholt werden.
Heute ist der Hunger zurückgekehrt, die Inflation hoch, und die Wirtschaft erholt sich nach der Corona-Pandemie nur langsam. Im Kongress hat Lula keine Mehrheit, bei der Umsetzung seiner Wahlversprechen muss er harte Kompromisse eingehen.
Dennoch bleibt der 77-Jährige für Millionen Brasilianer eine Lichtgestalt. Er schaffte den bisher beispiellosen Aufstieg aus einfachsten Verhältnissen über die Gewerkschaftsbewegung bis hin zum Staatsoberhaupt. Landesweite Bekanntheit erlangte er ab Ende der 1970-er Jahre im Kampf gegen die Militärdiktatur (1964 bis 1985). Auch jetzt im Wahlkampf hat er sein enormes Durchhaltevermögen gezeigt.
Lulas Leben
Der 1945 geborene Lula stammt aus dem armen Nordosten des Landes. Sein Vater verließ die Familie früh und brach den Kontakt ab. 1952 zog die Mutter auf der Suche nach Arbeit in die Nähe von São Paulo. Weil das Geld fehlte, verließ Lula bereits im Alter von zwölf Jahren die Schule. Er arbeitete unter anderem als Schuhputzer und in einer Wäscherei – auch, um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Später machte er eine Ausbildung zum Metallfacharbeiter.
Im Jahr 1969 heiratete er Maria de Lourdes. Zwei Jahre später starb sie an Hepatitis, während sie mit ihrem ersten Sohn schwanger war. Die Familie konnte sich eine lebensrettende Behandlung für die beiden nicht leisten. Mit seiner zweiten Frau Marisa Leticia Rocco hat Lula fünf Kinder. Sie verstarb im Jahr 2017 nach einem Schlaganfall. Seit diesem Jahr ist Lula mit Rosangela Silva (56 Jahre), genannt Janja, verheiratet, die auch im Wahlkampf eine wichtige Rolle übernahm.
Lulas Politische Laufbahn
Politisch aktiv wurde Lula in der Gewerkschaftsbewegung ab Ende der 1960-er Jahre. Im Jahr 1975 wählten ihn die Mitglieder der Metallarbeiter-Gewerkschaft zu ihrem Vorsitzenden. Während der Militärdiktatur beteiligte er sich an großen, damals noch illegalen Streiks. Im Jahre 1980 wurde er von der Polizei verhaftet und kam erst nach 31 Tagen wieder frei. Im selben Jahr war Lula Mitgründer der „Partido dos Trabalhadores“ (PT), der er bis heute angehört. Seit 1989 trat Lula bei jeder Präsidentschaftswahl an und gewann sie beim vierten Versuch im Jahr 2002 erstmals.
Auch dank einer konservativen Haushalts- und Industriepolitik erlebte Brasilien während seiner Präsidentschaft einen Aufschwung. Wegen eines Korruptionsskandals kam Lula jedoch unter Druck. Seine Regierung hatte Abgeordnete bestochen, damit diese im Sinne der Regierung stimmen. Trotzdem gelang ihm die Wiederwahl. 2012 trat Lula mit Sympathiewerten von 80 Prozent ab.
580 Tage im Gefängnis
2018 wurde Lula wegen Korruption und Geldwäsche zu mehr als zwölf Jahren Haft verurteilt. Er hatte die Korruptionsermittlungen gegen ihn stets als politisch motiviert zurückgewiesen. Insgesamt 580 Tage verbrachte er im Gefängnis im südbrasilianischen Curitiba. Während seine Anhänger vor der Haftanstalt Tag und Nacht Wache hielten, arbeitete Lula an seiner politischen Rückkehr.
Der Oberste Gerichtshof entschied später, die Urteile aus prozessualen Gründen aufzuheben. Im November 2019 wurde Lula aus der Haft entlassen und erhielt alle politischen Rechte zurück. Mit der Inhaftierung des damaligen Präsidentschaftskandidaten Lula war aber der Weg freigeworden für den Ex-Militär Jair Bolsonaro, der die Präsidentschaftswahl 2018 gewann. (epd/mig) Aktuell Ausland
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