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Familie in Armut (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Kindergeld-Abzocke

Staat prellte Nicht-EU-Ausländer 14 Jahre lang

Familien mit humanitärem Aufenthaltstitel hat Deutschland über viele Jahre das Kindergeld verweigert. Das Bundesverfassungsgericht hat nach neun Jahren Verfahrensdauer entschieden: zu Unrecht. Hoffnung auf Nachzahlung dürfen sich Betroffene aber nicht machen. Experten sprechen von einer schallenden Ohrfeige.

Donnerstag, 11.08.2022, 15:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 11.08.2022, 13:48 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

14 Jahre lange wurden Familien aus Nicht-EU-Ländern in Deutschland zu Unrecht Kindergeld vorenthalten. Das dafür verantwortliche Gesetz hat das Bundesverfassungsgericht jetzt für verfassungswidrig und nichtig. (Az. 2 BvL 9/14 u.a.) Betroffene Familien dürfen dennoch nicht auf eine Nachzahlung hoffen.

Das verfassungswidrige Gesetz war von 2006 bis 2020 in Kraft. Im März 2020 änderte der Gesetzgeber die Vorschrift. Bis dahin galt: Menschen, die aus humanitären, völkerrechtlichen oder politischen Gründen nach Deutschland gekommen sind, steht das Kindergeld erst nach mindestens dreijährigem Aufenthalt sowie erfolgreicher Integration in den Arbeitsmarkt zu. Letzteres haben die Karlsruher Richter jetzt mit ihrer Entscheidung verworfen. Begründung: nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung.

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In den zu entscheidenden Fällen ging es um Menschen mit humanitären Aufenthaltstiteln. Mit dem Kindergeld soll die Grundversorgung von Kindern gesichert werden. Bis Ende 1989 wurde es allen Familien in Deutschland gezahlt. Heute kommen nur noch alle Deutschen und alle EU-Ausländer, die in Deutschland leben und arbeiten, in den Genuss. Für alle anderen gelten Sonderregelungen.

Keine Hoffnung auf Nachzahlung

Hoffnungen auf Nachzahlungen dürfen sich betroffene Familien aber auch nach diesem Beschluss nicht machen. „Bescheide, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftig sind, bleiben von der Nichtigerklärung unberührt“, so die Richter. Von der Entscheidung profitieren daher zunächst nur jene Familien, die geklagt haben und deren Verfahren noch laufen.

Damit bleiben die allermeisten Betroffenen außen vor. Interessant ist dies deshalb, weil das Bundesverfassungsgericht seit der Vorlage neun Jahre gebraucht hat, um über die Verfassungswidrigkeit zu entscheiden. Laut Beschluss bleibe es dem Gesetzgeber es aber „unbenommen, eine andere Regelung zu treffen“.

Paus: Keine großen Veränderungen

Doch auch darauf sollten Betroffene nicht hoffen. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) rechnet „nicht mit großen Veränderungen in der Praxis der Kindergeld-Auszahlung“. Nach wie vor „wird es nur an Nicht-EU-Ausländer ausgezahlt, die sich voraussichtlich dauerhaft in Deutschland aufhalten“, sagte sie der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Bundesregierung werde das Urteil sorgfältig prüfen.

Claudius Voigt von der „Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender“ sieht in dem Urteil eine „schallende Ohrfeige für Bundesregierung und Gesetzgeberin“, die seit Jahren das Ziel habe, nicht-deutsche Menschen, die den „falschen Aufenthaltsstatus haben oder wirtschaftlich nicht verwertbar sind, vom Kindergeld und anderen Familienleistungen auszuschließen“. Die Verweigerung von Familienleistungen werde „als Instrument der Migrationssteuerung genutzt – oder passender: missbraucht“, so der Experte. (mig) Leitartikel Recht

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