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Studierende im Hörsaal © de.depositphotos.com

Hilfe kam zu spät

Studentin: „Von einem auf den anderen Tag war mein Lohn bei Null“

Franziska Zagura war im vierten Semester ihres Studiums, als die Corona-Pandemie kam. Im Lockdown verlor sie ihren Job - für viele internationale Studierende oft die einzige Einnahmequelle. Die staatliche Überbrückungshilfe kam zu spät.

Von Montag, 11.07.2022, 17:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 11.07.2022, 14:18 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Franziska Zagura arbeitete seit Beginn ihres Studiums als Nachhilfelehrerin bei der Schülerhilfe in Nürnberg, um sich ihre Ausbildung zur Medizinjournalistin an der Hochschule Ansbach zu finanzieren. Pro Woche hatte sie fünf Kurse, für eineinhalb Stunden erhielt sie 18 Euro. Dann kam Corona: „Von dem einen auf den anderen Tag ging mein monatlicher Lohn von rund 360 Euro runter auf Null,“ sagt die 23-jährige Zagura.

Etwa 40 Prozent der Studierenden verloren in der Pandemie ihren Job, wie eine Umfrage des Personaldienstleisters Zenjob ergab. Der Bund gewährte in finanzielle Not geratenen Studierenden eine monatlich zu beantragende Überbrückungshilfe von bis zu 500 Euro. „Der Corona-Zuschuss kam erst im Herbst und nicht, als ich ihn am meisten benötigt hätte“, sagt Zagura. Laut einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes leben etwa ein Drittel der Studierenden in Deutschland unter der Armutsgrenze, unter den BAföG-Beziehenden sind es 44,9 Prozent. Internationale Studierende sind überdurchschnittlich oft von Armut betroffen. Für sie ist ihr Studentenjob oft die einzige Einnahmequelle.

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Ministerin: Studium soll nicht vom Elternhaus abhängen

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will nun den Förderungshöchstsatz zum Wintersemester 2022/2023 von 861 Euro auf 931 Euro erhöhen. „In Deutschland sollen nicht die finanziellen Möglichkeiten im Elternhaus darüber entscheiden, ob jemand ein Studium oder eine schulische Ausbildung ihrer oder seiner Wahl aufnehmen kann, sondern Talent und Motivation“, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums. Doch genau das ist Untersuchungen zufolge der Ist-Zustand in Deutschland. Auch hier haben Studierende mit ausländischen Wurzeln vergleichsweise oft das Nachsehen.

Laut Ministerin soll jetzt auch die Zahl der BAföG-Beziehenden wieder steigen. So wurde nach einem Kabinettsbeschluss die Altersgrenze auf 45 Jahre erhöht. Zudem soll der Vermögensfreibetrag auf 45.000 Euro steigen. Diese Maßnahmen klingen zunächst gut, wenn da nicht die hohe Inflation von 7,9 Prozent wäre.

Experte: BAföG-Anpassungen Unzureichend

Ulrich Müller vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh hält die beschlossenen Anpassungen für unzureichend: „Die BAföG-Reformen kamen in den letzten zehn Jahren immer zu spät, waren immer zu zurückhaltend und zu kleinteilig.“ Das jetzige Änderungsgesetz sehe er als Art „provisorische Brückentechnologie“. Er hofft auf weitere Änderungen, denn ein Studium müsse auch ohne fehlende Hilfe der Eltern möglich sein. „89 Prozent der Studierenden erhalten kein BAföG. Damit hängt ein Studium faktisch an der Unterstützung durch die Eltern und an studentischen Nebenjobs.“ Eine regelmäßige Anhebung der Bemessungsgrenzen und Fördersätze wären hilfreich, sagt Müller.

Auch die Studentin und alleinerziehende Mutter Jennifer Schulte hatte während des Lockdowns mit Geldmangel zu kämpfen: „Ohne die Unterstützung meiner Mutter hätte ich es nicht geschafft“, sagt die 29-Jährige, die in Düsseldorf Kindheitspädagogik und Familienbildung studiert. Sie fordert ein elternunabhängiges BAföG. Zudem dauere die Bearbeitung der Weiterbewilligungsanträge zu lange. Nicht nur einmal stand die Mutter einer achtjährigen Tochter ohne Geld da. Auch würden die steigende Inflationsrate sowie die Krankenkassenbeträge nicht genügend berücksichtigt. „Ich erhalte so viel Geld wie ein Hartz-IV-Empfänger, muss aber noch 110 Euro für meine Krankenversicherung bezahlen.“

Gehalt reicht nur noch zum Überleben

Das BAföG wird nun um einen „Notfallmechanismus“ ergänzt, damit auch Studierende vorübergehend BAföG bekommen können, die normalerweise nicht dazu berechtigt sind. Er tritt in Kraft, sobald der Bundestag eine bundesweite Notlage durch Beschluss feststellt. Damit sollen Studienabbrüche ebenso verringert werden wie finanzielle Notlagen.

Als es wieder möglich war, nahm Franziska Zagura ihre Nebentätigkeit wieder auf. Doch waren die Stunden reduziert, der Unterricht fand digital und mit wesentlich weniger Gruppen statt: „Ich gab mein geringes Gehalt nur noch für Miete und Essen aus. Es hat gerade so zum Überleben gereicht.“ (epd/mig) Aktuell Panorama

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