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Menschen versuchen auf das rollende Flugzeug zu kommen © Sezene aus einem Twitter/Video

„Nichts ist gut.“

Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes im Bundestag beginnt

20 Jahre war die Bundeswehr in Afghanistan. Immer wieder wurde am Sinn des Einsatzes am Hindukusch gezweifelt - trotzdem wurde er immer verlängert. Jetzt kommt eine Aufarbeitung im Bundestag.

Samstag, 09.07.2022, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 11.07.2022, 6:17 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der 20-jährige Bundeswehreinsatz in Afghanistan und sein überstürztes Ende werden nach der Sommerpause im Bundestag aufgearbeitet. Das Parlament beschloss dafür am Freitag in Berlin die Einsetzung einer Enquete-Kommission und eines Untersuchungsausschusses. Der Untersuchungsausschuss beschränkt sich auf die militärische Evakuierungsaktion aus Kabul im August 2021, die wegen der schnellen Rückeroberung des Landes durch die Taliban nötig wurde. Die Enquete-Kommission schaut sich den gesamten Einsatz an und soll daraus mithilfe von Fachleuten aus der Wissenschaft Lehren für künftige Militäroperationen ziehen.

Der Untersuchungsausschuss mit dem Vorsitzenden Ralf Stegner (SPD) soll der Frage nachgehen, wie es dazu kam, dass zahlreiche afghanische Ortskräfte, die für die Bundeswehr und andere deutsche Institutionen gearbeitet hatten, zurückgelassen wurden. Dem Antrag zufolge soll ferner geklärt werden, wer in der Bundesregierung und in den zuständigen Behörden für die Beurteilung der Sicherheitslage sowie für den Abzug deutscher Streitkräfte und der afghanischen Ortskräfte zuständig war. Zudem soll untersucht werden, ob Notfallpläne für rechtzeitige Evakuierungen existierten. Auch der Frage, ob einigen Beschäftigten Gehaltserhöhungen für den Fall des Verbleibs in Afghanistan in Aussicht gestellt wurden, wird nachgegangen.

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Lehren aus Afghanistan

Die Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ soll wiederum am Beispiel des Einsatzes am Hindukusch „Schlüsse für das laufende und künftige internationale militärische und zivile Engagements Deutschlands“ ziehen. Spätestens nach der parlamentarischen Sommerpause 2024 sollen Ergebnisse und Handlungsempfehlungen vorgelegt werden.

Der internationale Einsatz in Afghanistan begann nach den Anschlägen in den USA vom 11. September 2001. Ein Beschluss des UN-Sicherheitsrats machte den Weg dafür frei. 2003 übernahm das Militärbündnis Nato die Führung der Mission, die allmählich gefährlicher wurde. Für Schlagzeilen sorgte in Deutschland die sogenannte Kundus-Affäre, als bei einem Nato-Luftangriff auf zwei Tanklaster im September 2009 Dutzende Afghaninnen und Afghanen ums Leben kamen. Den Angriff hatte der deutsche Oberst Georg Klein angeordnet, der befürchtete, dass Taliban-Kämpfer die Lastfahrzeuge als rollende Bomben einsetzen könnten.

„Nichts ist gut in Afghanistan.“

Rund 160.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten leisteten in 20 Jahren Dienst in Afghanistan, 59 verloren dabei ihr Leben. Drei von ihnen starben bei einem schweren Gefecht mit den Taliban am Karfreitag 2010 in Kundus. Kurz darauf sprach der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) als erster Regierungsvertreter von „Krieg“. Immer wieder wurden Zweifel am Sinn des Einsatzes geäußert. Vielfach zitiert wurde die Aussage der früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, im Jahr 2010: „Nichts ist gut in Afghanistan.“

Ende Juni 2021 verließen nach einem Nato-Beschluss die letzten deutschen Streitkräfte übereilt und ohne ausreichende Vorbereitung das Land. Die Taliban übernahmen kurz darauf die Macht. Mitte August wurde die Bundeswehr wieder in Afghanistan eingesetzt, als mehr als 20 Länder am Flughafen Kabul eine Luftbrücke einrichteten, um ihre Staatsangehörigen sowie schutzbedürftige Afghaninnen und Afghanen aus dem Land zu bringen. Die Bundeswehr flog nach eigenen Angaben mehr als 5.000 Menschen aus mindestens 45 Nationen aus. Am 27. August endete nach gut zehn Tagen auch diese heikle Mission. Viele afghanische Ortskräfte, die für die Bundeswehr und andere deutsche Institutionen gearbeitet hatten, wurden zurückgelassen. (epd/mig) Leitartikel Politik

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