Prof. Wilhelm Heitmeyer
Prof. Wilhelm Heitmeyer

Konfliktforscher

Teil der deutschen Bevölkerung nicht integriert

Zahlreiche Menschen in Deutschland sind nicht integriert. Nach Überzeugung des Konfliktforschers Heitmeyer sind fühlten sich diese Menschen auch nicht repräsentiert. Gemeint sind nicht Einwanderer, sondern AfD-Wähler.

Von Mittwoch, 08.12.2021, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 07.12.2021, 15:42 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Der Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer sieht die Demokratie in Deutschland massiv durch soziale Ungleichheit bedroht. Es gebe einen Teil der deutschen Bevölkerung, der nicht integriert sei, sagte Heitmeyer, der vor 25 Jahren das Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung in Bielefeld gründete, dem „Evangelischen Pressedienst“. Zahlreiche Menschen fühlten sich nicht repräsentiert und hätten das Gefühl, dass ihre Stimmen nicht gehört würden.

„Dann sucht man sich solche Orte, an denen diese Stimmen einen Widerhall finden, etwa bei rechtsautoritären oder rechtsextremistischen Gruppen und Parteien wie etwa die AfD.“ Bei Integration gehe es auch um Teilhabe an politischen Entscheidungen sowie an materiellen Gütern.

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Kontrollverlust macht anfällig für Verschwörung

Soziale Ungleichheit zerstöre eine Gesellschaft, unterstrich der Wissenschaftler. Durch große gesellschaftliche Krisen wie den Flüchtlingszustrom oder aktuell die Corona-Krise erlebe die Bevölkerung einen Kontrollverlust. Das fördere die Suche in autoritäre Richtungen, weil man sich dort Sicherheiten verspreche. „Es ist kein Zufall, dass diejenigen, die Kontrollverluste wahrnehmen, in besonderem Maße an Verschwörungsideologen glauben“, sagte der 76-jährige Heitmeyer, der als Forschungsprofessor weiterhin mit dem von ihm aufgebauten Institut verbunden ist.

Um gegen Verschwörungstheorien und rechtspopulistische Positionen vorzugehen, ist laut Heitmeyer vor allem die Auseinandersetzung im eigenen sozialen Umfeld entscheidend. Große Demonstrationen seien zwar wichtig, hätten jedoch den Nachteil, dass man unter sich bleibe. Ob sich das soziale Klima in der Gesellschaft positiv ändert, entscheide sich vor allem in nahen sozialen Bezugsgruppen wie Verwandtschaft, Freundeskreis, Sportverein, Kirchengemeinde, Schützenverein oder am Arbeitsplatz, sagte der Konfliktforscher.

Schweigen kostet mehr

Wenn Menschen in einer solchen Bezugsgruppe den Eindruck hätten, sie seien mit ihren problematischen Einstellungen Teil einer Mehrheit, dann verbreiteten sich solche Einstellungen, erklärte Heitmeyer. Entscheidend sei dann, ob man auch harte soziale Kosten ertragen könne, wenn der Abbruch sozialer Beziehungen und Kontakte drohe, weil man seine kritische Stimme erhebe. „Schweigen hat noch mehr Kosten für die offene Gesellschaft und die liberale Demokratie“, unterstrich der Soziologe.

Das Abkapseln in eigenen Echo-Kammern diene nicht mehr dem Ringen um die bessere Position, sagte der Konfliktforscher: „Da geht es nicht um Auseinandersetzung, sondern um Aufschaukeln.“ Heitmeyer warb dafür, diese Konflikte im sozialen Umfeld offen auszutragen. „Wir sind alle harmoniebesessen – das ist ein großer Fehler“, sagte der Forscher. „Da versagen auch durch die Bank die Universitäten, vor allem in der Lehrerausbildung.“ Wenn man bei Studierenden aller Fachrichtungen die Konfliktfähigkeit schule, könne viel erreicht werden. (epd/mig) Aktuell Panorama

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  1. urbuerger sagt:

    Die Politik ist nicht mehr in der Lage, sich mit dem Bürger auf Augenhöhe auseinander zu setzen!
    Die Politik glaubt den Bürger bevormunden zu müssen, da sie als Gesellschaft kaum Möglichkeiten haben, einzuschreiten, sollte die Politik sich so verhalten, dass es nach einer schlechten Entscheidung aussieht!
    Kein Politiker der letzten Jahrzehnte hat den Versuch unternommen, die Bürger in die Politik mit einzubinden, wo raus sich dann die Menschen abgespalten haben, die das als Problem wahrgenommen haben oder von Menschen manipuliert würden, die aus der Situation ihnen Vorteil ziehen könnten und wollten!!!