Wer feiert wo?
Religion und Diskriminierung am Beispiel von Hochzeiten
Muslimische Paare werden bei der Vergabe von Hochzeits-Locations diskriminiert. Sie bekommen im Vergleich zu nichtmuslimischen Paaren auf Anfragen seltener eine Zusage. Antworten an deutsche Paare sind zudem formeller und ausführlicher. Im Gespräch erläutert Sarah Carol ihre Befunde.
Dienstag, 26.10.2021, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 23.10.2021, 14:41 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Hochzeiten werden gerne groß gefeiert, dafür braucht es einen besonderen Rahmen. Ist es für Angehörige unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen unterschiedlich schwierig, Räume für solche Feste zu buchen? Dieses Beispiel möglicher Diskriminierung hat WZB-Fellow Sarah Carol, Assistant Professor am University College in Dublin, zusammen mit Coco Kuipers, Philipp Koesling und Milan Kaspers (Absolvent:innen der Universität Köln) untersucht. Im Gespräch mit Gabriele Kammerer erläutert Sarah Carol das Experiment und die Erkenntnisse daraus.
Warum haben Sie sich für Ihr Experiment ausgerechnet Hochzeitsfeste ausgesucht?
Tatsächlich hat sich sozialwissenschaftliche Forschung wahrscheinlich noch nie mit Hochzeitssälen befasst. Die existierenden Studien konzentrieren sich meist auf den Arbeits- oder Wohnungsmarkt. Aber Hochzeit und Familiengründung sind doch zentrale Lebensereignisse bei allen Menschen. Und für manche ethno-religiösen Gruppen ist Heiraten noch wichtiger als für die Mehrheitsgesellschaft. Das sehen wir daran, dass in manchen ethno-religiösen Gruppen der Anteil derer, die verheiratet sind, überdurchschnittlich hoch ist. Wenn aber dieses Ereignis für Menschen so wichtig ist, ist es fatal, wenn Gruppen hier Diskriminierung ausgesetzt sind. Wenn wir uns verschiedenste Lebensbereiche, auch das Privatleben, anschauen, können wir das Ausmaß von Diskriminierung viel besser einschätzen.
Wie sah das Experiment aus?
Wie in vielen Diskriminierungsstudien haben wir fiktive Profile von fünf Paaren entworfen und E-Mail-Accounts für sie angelegt. Von diesen Accounts haben wir E-Mails an im Internet gelistete Hochzeitslocations geschickt, mit der Anfrage, ob ihre Location noch für die Hochzeit verfügbar wäre. Dabei haben wir die Namen der Paare (deutschsprachiger vs. arabischsprachiger Ursprung) und die Religiosität (islamische, freikirchliche und nicht-religiöse Hochzeit) variiert.
„Wir finden wie auch in Studien zu Arbeitsmarktdiskriminierung, dass die islamische Religionszugehörigkeit die Chancen auf eine Zusage verringert: Paare, die eine islamische Hochzeit feiern wollen, bekommen seltener eine Zusage.“
Wir haben uns dabei an häufig vorkommenden Namen orientiert. Bei zwei Paaren waren die Vor- und Nachnamen deutschsprachigen Ursprungs. Das eine Paar hat in ihrer E-Mail erwähnt, dass sie nicht religiös heiraten, dass andere hat eine freikirchliche Zeremonie erwähnt. Drei weitere Paare hatten arabische Namen. Eins dieser Paare wollte eine islamische Hochzeit feiern, eins eine explizit nicht-religiöse Hochzeit, und bei dem letzten Paar haben wir gar keine Angaben zur Religion gemacht.
Damit wollten wir einen Vergleich ermöglichen, inwiefern das Anführen oder Auslassen der muslimischen Religionszugehörigkeit einen Einfluss auf die Entscheidung der Location hat. Wir haben in allen E-Mails die Anzahl der Gäste an die Locations angepasst und angemerkt, dass die Location das Catering übernehmen kann. Wir wollten ausschließen, dass Vermieter absagen, weil sie schlicht zu wenig Platz haben oder weil sie Einbußen fürchten, wenn das Catering nicht gewollt werden würde. Insgesamt haben wir 805 Anfragen an gültige E-Mail-Adressen in Deutschland und Österreich gesendet.
Was waren die Ergebnisse?
Wir finden wie auch in Studien zu Arbeitsmarktdiskriminierung, dass die islamische Religionszugehörigkeit die Chancen auf eine Zusage verringert: Paare, die eine islamische Hochzeit feiern wollen, bekommen seltener eine Zusage. Das ist ein robuster Befund, den wir in beiden Ländern finden. Interessanterweise betraf die Diskriminierung jedoch nicht Menschen mit arabischen Namen per se. Denn wir konnten keine Ungleichbehandlung von Menschen mit arabischen Namen finden, die keine religiöse Hochzeit feiern. Offensichtlich basiert Diskriminierung in diesem Fall in erster Linie auf religiösen Gründen.
„Wir konnten zum Beispiel nicht finden, dass Hochzeitslocations unfreundlichere E-Mails an die Paare mit arabischen Namen schreiben. Tendenziell sind die E-Mails an Paare mit deutschsprachigen Namen jedoch formeller und ausführlicher.“
Sie trifft aber nicht alle Religionen gleich, sondern speziell den Islam. Unser Paar, das eine freikirchliche Hochzeit feiern wollte, bekam nämlich genauso häufig Zusagen wie das andere Paar mit deutschsprachigen Namen und einer nicht-religiösen Hochzeit. Wenn Hochzeitslocations einfach nur einen arabischen Namen sehen, aber keine Informationen zur Religiosität erhalten, scheinen sie eine Zugehörigkeit zum Islam anzunehmen und schicken auch seltener eine Zusage. Die Betonung der Säkularität machte also den entscheidenden Unterschied bei Paaren mit arabischen Namen.
Sie haben ja nicht nur Quoten von Zu- und Absagen analysiert, sondern auch Ton und Umfang der Reaktionen. Was können Sie über subtile Formen von Diskriminierung sagen?
Viele Diskriminierungsstudien legen ihren Fokus vor allem auf die Zu- und Absagen. Wir wollten es genauer wissen. Wir haben uns auch angeschaut, wie lang die E-Mail ist, wie schnell Locations antworten, wie freundlich und formell die Antwort ist, oder ob zum Beispiel viele Rechtschreibfehler enthalten sind. Es zeigt sich, dass Diskriminierung sich vorwiegend im Anteil der Zusagen widerspiegelt. Wir konnten zum Beispiel nicht finden, dass Hochzeitslocations unfreundlichere E-Mails an die Paare mit arabischen Namen schreiben. Tendenziell sind die E-Mails an Paare mit deutschsprachigen Namen jedoch formeller und ausführlicher.
Was wiegt denn nun schwerer – die ethnische Zugehörigkeit oder die Religion?
Es ist weniger eine Frage des Entweder-Oder, sondern eine Interaktion dieser beiden Zugehörigkeiten. Das bedeutet, Religion wirkt anders für ethnische Minderheiten, insbesondere wenn diese Religion sich von der Mehrheitsreligion unterscheidet, wie es bei dem Islam der Fall ist. In zukünftigen Studien müssen wir deshalb unbedingt schauen, ob dies auch auf andere Religionen zutrifft, zum Beispiel Hinduismus.
Hätten Sie nicht auch muslimische Einheimische einschließen müssen?
Das stimmt; idealerweise hätten wir auch noch eine Vergleichsgruppe von Paaren mit deutschen Namen gehabt, die eine muslimische Hochzeit feiern. Diese Kombination kommt jedoch nicht so häufig vor. Die Gefahr ist also groß, dass die Studie entdeckt wird und Antworten verfälscht sind.
Was folgt aus Ihren Ergebnissen? Lassen sich Schlüsse für bessere Integration ziehen?
Die Rolle von Religion für Integration wird immer wieder viel diskutiert, sei es in Zusammenhang mit Werten, Arbeitsmarkt, Bildung, Freundschaften oder Partnerwahl. In allen diesen Bereichen können religiöse Unterschiede Herausforderungen darstellen. Säkularität geht tendenziell mit einer stärkeren Integration in eine relativ säkulare Mehrheitsgesellschaft einher. Diskriminierung auf Basis der Religion steht aber im Widerspruch zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und behindert Integration. Dies kann weitreichende Folgen für eine gesellschaftliche Integration haben und parallele Strukturen fördern.
Interview Leitartikel PanoramaInfo: Dieser Text wurde zuerst veröffentlicht auf „Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung“.
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