Frank-Walter Steinmeier, Rede, Bundespräsident, Kolonialismus
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Festakt zur Eröffnung des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst im Berliner Humboldt-Forum.

Zu viele blinde Flecken

Steinmeier ruft zur Auseinandersetzung mit Kolonialzeit auf

Mit den ethnologischen Sammlungen ist von Donnerstag an das Herzstück des Berliner Humboldt Forums zu sehen. Die Eröffnung wird begleitet von einer Debatte über die Herkunft vieler Exponate aus der Kolonialzeit.

Donnerstag, 23.09.2021, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22.09.2021, 16:00 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Mit einem Appell zu einem kritischen Umgang mit den Ausstellungsstücken aus ehemaligen Kolonien sind am Mittwoch im Berliner Humboldt Forum das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst eröffnet worden. Bei dem Festakt rief Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Deutschen zur Auseinandersetzung mit der eigenen Kolonialgeschichte auf. So lägen die Herkunftsgeschichten vieler Kunstwerke aus Afrika, Asien, Lateinamerika in den Museen noch im Dunkeln, sagte er.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) forderte das Humboldt Forum auf, künftig Maßstäbe im Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten zu setzen. Das Haus könne so eine „Arena demokratischer Streitkultur“ werden, sagte Grütters.

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Die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie sprach sich dafür aus, in den Museen über die vollständige Herkunfts- und Erwerbsgeschichte der Exponate zu informieren. Zugleich rief sie zum Dialog mit den Herkunftsgesellschaften auf und lobte die grundsätzliche Bereitschaft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) zur Rückgabe der umstrittenen Benin-Bronzen nach Nigeria.

Initiative fordert Restitutionen

Die Initiative „Berlin Postkolonial“ forderte anlässlich der Eröffnung das Humboldt Forum dazu auf, „sich endlich auf breiter Linie zu eigentumsrechtlichen Restitutionen bereit zu erklären“. SPK-Präsident Herrmann Parzinger betonte erneut die wichtige Rolle der Provenienzforschung und des gleichberechtigten Dialogs mit Vertretern der Herkunftsgesellschaften.

Steinmeier sagte, ethnologische Museen, die nicht nur Artefakte präsentierten, sondern sich auch der Geschichte des Kolonialismus ernsthaft stellten, „werden anders aussehen müssen als traditionelle Museen“. Hinter nicht wenigen Gegenständen stehe eine Geschichte von Unterwerfung, Plünderung, Raub und Mord: „Wenig ist eindeutig – und wie viel Forschung hier noch notwendig ist“, zeige die Debatte um das rund 15 Meter lange Luf-Boot aus der damaligen Kolonie Deutsch-Neuguinea, eine der Hauptattraktionen des Ethnologischen Museums.

Zu viele blinde Flecken

Weiter sagte Steinmeier, wenn es um die deutsche Kolonialzeit gehe, gebe es zu viele Leerstellen und blinde Flecken in der Erinnerung. Hier mehr Licht ins Dunkel zu bringen, sei nicht nur eine Aufgabe für Historiker. Vielmehr gehe das Unrecht, das Deutsche in der Kolonialzeit begangen haben, die ganze Gesellschaft an: „Denn in unserem Land gibt es auch in der Gegenwart, mitten im Alltag dieser Gesellschaft, Rassismus, Diskriminierung, Herabsetzung von vermeintlich Fremden – bis hin zu tätlichen Angriffen und furchtbaren Gewalttaten.“

Die Ausstellungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst sind ab Donnerstag für das Publikum geöffnet. Mit rund 10.000 Objekten bilden sie das Herzstück des Humboldt Forums. Sie waren bis Januar 2017 in Berlin-Dahlem zu besichtigen. Unter dem Motto „Begegnung der Vielheit“ sind aus Anlass der Neueröffnungen bis Ende der Woche Diskussionen, Workshops, Performances und Konzerte geplant. Der Eintritt ist kostenlos. (epd/mig) Feuilleton Leitartikel

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  1. Levent Öztürk sagt:

    Höhepunkt der Arroganz! Ganz unverschämt ist man in Deutschland der Auffassung, während der Kolonialzeit geraubte Kunstgegenstände ohne Rücksicht auf Emotionen der „Beraubten“ in deutschen Museen und Ausstellungen zur Ansicht darbieten zu können. Ein anderer Weg wäre doch auch die wissenschaftliche Untersuchung der Herkunft dieser geraubten Gegenstände und eine Rückführung an die legitimen Besitzer in Afrika und Asien. Dieses Verhalten passt aber zum Gesamtverhaltensbild: Der deutsche Bundestag hat 2016 angebliche Ereignisse im Osmanischen Reich in eigener Sichtweise darstellend eine sogenannte „Armenier Resolution“ verabschiedet aber in eigener Sache, bezugnehmend auf die 1905 von deutschen Soldaten unter dem Befehl des Generalleutnants Lothar Von Trotha ermordeten 100.000 Herero und Nama in der damaligen deutschen Kolonie „Deutsch-Südwest“ (heute Namibia), keine „Herero-Nama Resolution“ als offizielle Anerkennung des Völkermordes an der Herero- und Nama-Bevölkerung, verabschiedet. Mit diesem Hintergrund währedn der Kolonialbesetzung in Afrika den Afrikanern entwendete Kunstgegenstände und auch Objeklte jeglkicher Art auszustellen ist wirklich der I-Punkt der Arroganz. Dazu passt auch dieses Zitat: „Wir finden es sehr interessant, dass sich die Deutschen so aktiv für die Sache der Armenier einsetzen, während sie ihre eigenen Angelegenheiten unter den Tisch kehren“, wird Esther Muinjangue, die Vorsitzende des Ovaherero Genocide Committee (OGC) zitiert. (Quelle: Welt). Sie ging aber noch weiter. Sie bezeichnete Deutschland in den derzeitigen Verhandlungen als einen „Vergewaltiger, der gleichzeitig Richter ist“. Eine höhere gerichtliche Instanz müsse her, um die deutsche Schuld festzustellen, unter Beteiligung einer Stammesvertretung der Herero und Nama.