Kurt Biedenkopf, Sachsen, Ministerpräsident, Rede, Pult
Kurt Biedenkopf (1996) © Von Marc Darchinger / Bertelsmann Stiftung, CC BY-SA 3.0 de, Link

Kurt Biedenkopf

Sachsens Immunologe ist tot

„König Kurt“ wurde er in Sachsen genannt: Kurt Biedenkopf prägte in den 1990er Jahren die Politik im Freistaat. Mit 91 Jahren ist er in Dresden gestorben. In Erinnerung bleibt sein legendäres Attest: Sachsen sei Immun gegen Rechtsextremismus.

Montag, 16.08.2021, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 16.08.2021, 13:21 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der langjährige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf ist tot. Der CDU-Politiker starb am Donnerstagabend in Dresden mit 91 Jahren im Kreise seiner Familie, wie die sächsische Staatskanzlei am Freitag mitteilte. Er war von 1990 bis 2002 Ministerpräsident in Sachsen. Unter seiner Führung war Rechtsradikalismus kein Thema für die sächsische CDU – und wenn doch, dann immer relativ und stets in einem Atemzug mit linksradikalen.

Besonders in Erinnerung geblieben ist sein legendärer Satz aus dem Jahr 2000: „Die Sachsen sind immun gegen Rechtsextremismus.“ Vier Jahre später saß die NPD im Landtag. Davon unbeirrt hielt er Ende 2017 an seiner Aussage fest: „Das hat nichts mit Neonazis zu tun“, meinte er. Zwischenzeitlich war der NSU-Komplex aufgeflogen, Heidenau, Clausnitz und Bautzen waren geschehen, die AfD hatte bei der Bundestagswahl seine CDU knapp überholt.

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Merkel: Herausragender Denker

Nach seinem Tod stehen seine Verdienste im Vordergrund. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte den ersten Ministerpräsidenten im Freistaat nach der deutschen Wiedervereinigung eine Integrationsfigur und ein Symbol der Einheit. Biedenkopf habe in beeindruckender Weise Politik und Wissenschaft zu verbinden gewusst. In seiner Zeit als Ministerpräsident sei es ihm gelungen, Reformen voranzutreiben und zugleich die sächsische Tradition zu pflegen, erklärte der Bundespräsident.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte den ehemaligen CDU-Generalsekretär als einen herausragenden politischen Denker. Er habe beides gekonnt, intellektuell präzise zu analysieren und politisch-praktisch zu handeln, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Biedenkopf habe in sehr herausfordernden Zeiten das Land mitgeprägt. Viele Impulse für den wirtschaftlichen Wiederaufbau Sachsens, den Aufbau einer leistungsfähigen Verwaltung und eines hervorragenden Bildungssystems seien ihm zu verdanken.

Schäuble: Seiner Zeit voraus

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte, mit Biedenkopf verliere Deutschland einen seiner klügsten politischen Köpfe, einen weitsichtigen Gestalter und charismatischen Christdemokraten. Biedenkopf sei in der deutschen Politik ein Solitär gewesen, „in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik gleichermaßen zu Hause“ und als scharfsinniger Analytiker seiner Zeit häufig weit voraus. So habe er bereits in den 1970er Jahren eine Reform des Rentensystems angemahnt und sei in den 1980er Jahren für die ökologische Erneuerung der Marktwirtschaft eingetreten, sagte Schäuble.

Bundesratspräsident Reiner Haseloff (CDU) würdigte Biedenkopf als große und prägende Politikergestalt des Landes: „Dankbar und in großer Trauer verneige ich mich vor der Lebensleistung von Kurt Biedenkopf“, erklärte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach von einer großen deutschen Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts und einem klugen Visionär für Sachsen.

Jurist und Ökonom

Biedenkopf wurde am 28. Januar 1930 in Ludwigshafen am Rhein in Rheinland-Pfalz geboren und lebte mit seiner Familie zunächst in Schkopau bei Merseburg in Sachsen-Anhalt und später in Hessen, wo er sein Abitur ablegte. Er studierte in den USA und in Deutschland Politikwissenschaft, Rechtswissenschaften sowie Nationalökonomie. 1958 promovierte er zum Doktor der Rechte.

Mit 37 Jahren wurde der Jurist und Ökonom an der Ruhr-Universität Bochum Deutschlands jüngster Universitätsrektor, war danach Mitglied der Geschäftsführung des Henkel-Konzerns und als 43-jähriger Generalsekretär der CDU Deutschlands. Von 1976 bis 1980 gehörte er dem Deutschen Bundestag an. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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  1. Irmela Mensah-Schramm sagt:

    Wenn nach dem Tod des Nazi-Verharmlosers, Herr Biedenkopf von ‚politischen Größen‘ dermaßen gehuldigt wird, wohlwissend des auch von ihm zu verantwortenden Versagens in Sachsenso, so ist dies eine unerträgliche Zumutung auf dem Rücken all der Opfer neonazistischer Gewalt und der Menschen, die sich gegen diese unerträglichen Nazigewalt engagieren!
    Demgegenüber kann ich selbst von mir schon sagen, dass ich nunmehr mit meinen Aktionen gegen die Nazis seit 35 Jahren eine „Intensivtäterin“ bin.
    Ich wundere mich, dass ich mit den wöchentlichen Sachbeschädigungen all der viel zuoft und lange geduldeten „Politisch-motivierten-Sachbeschädigungen“ von ‚rechts‘ noch immer nicht auf der „Terrorliste“ stehe, wie die antifaschistische Initiative „Peng“, die noch nicht einmal annähernd so viel – wenn überhaupt „Sachbeschädigungen“ begangen hat ?
    In diesem Staat ist etwas ganz gewaltig ‚faul‘!
    Ich bin jedenfalls gewaltig ‚immun‘ gegen die Gutgläubigkeit und vor allem Verharmlosung – noch immer und auch nach NSU – all der neonazistischen, antisemitischen und rassistischen Aktivitäten!