Nebenan
Endlich wieder Frieden in Afghanistan
Endlich. Der Krieg an der deutsch-afghanischen Grenze ist zu Ende - ein triumphaler Erfolg für Demokratie, Menschenrechte und die Ortskräfte.
Von Sven Bensmann Dienstag, 13.07.2021, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 12.07.2021, 10:34 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Jetzt geht es also schließlich doch zu Ende. Der endlose Krieg, der kein Krieg sein durfte, weil Deutschland erstens keine Kriege führen und zweitens während eines Krieges keine Wahlen durchführen darf, ist beendet. Nachdem wir jahrelang die deutsch-afghanische Grenze verteidigen mussten, indem wir Mädchenschulen und Brunnen am Hindukusch gebaut haben, ziehen unsere Truppen nun glorreich wie dereinst aus Stalingrad ab.
Die Taliban sind ge- und zerschlagen, die westlichen Armeen haben einen demokratischen Staat aus dem Nichts errichtet. Und das direkt nebenan vom Iran. Ein Lehrbeispiel in moderner Kriegsführung, auf das wir noch jahrelang voller Stolz werden zurückblicken können. Wie zwischenzeitlich im Irak und noch derzeit in Syrien bekleckern sich die Weltpolizisten nicht nur mit Ruhm, sie suhlen sich geradezu darin.
Derweil muss sich wohl jeder von uns, der schon damals davor warnte, dass das Afghanistan-Abenteuer zum Scheitern verurteilt war, jeder, der einen fragwürdigen Angriffskrieg der Bundeswehr sah, Kriegsverbrechen deutscher Soldaten in einem fremden Land, Massaker, nun also widerlegt fühlen. Von den MacBeth-Aufführungen auf dem lokalen Friedhof bis hin zur heroischen Bombardierung hunderter Zivilisten durch Oberst Klein zur Vernichtung eines hochgefährlichen liegengebliebenen Tanklasters haben sich deutsche Soldaten stets vorbildlich verhalten. Afghanistan liebt den Westen, nachhaltig und innig.
Angesichts der triumphalen Lösung des Afghanistankonflikts ergeben sich nun aber doch noch kleinere Probleme: All denjenigen, die auf afghanischer Seite zum Endsieg beigetragen haben, die aber – warum auch immer, schlechtes Wetter wahrscheinlich – nicht im Lande verbleiben wollen, sollte nämlich jetzt ein Angebot zur Übersiedelung zu gemacht werden. Andere Länder tun das auch.
Deutschland drückt sich aber genau davor. Denn seltsamerweise fühlen sich einerseits fast alle Afghanen, die für Deutschland gearbeitet haben, unsicher, fürchten gar um ihr Leben und das ihrer Familien; andererseits will Deutschland nur denjenigen eine Einreiseerlaubnis geben, die in den letzten zwei Jahren offiziell für die Bundeswehr gearbeitet haben – nach 20 Jahren Krieg.
Was für den normaldenkenden Menschen nach Verrat an Menschen klingt, die sich selbst in Gefahr gebracht haben, um all dem entgegenzutreten, gegen das wir Krieg geführt haben, ist dabei selbst für die notorisch rechtsauslegende Bundeswehr nicht hinnehmbar. Mit Blick auf das sicher eintretende nächste Abenteuer deutscher Waffenträger im Ausland und die damit verbundene Notwendigkeit von lokal angeworbenen Mitarbeitern sind daher auch aus dieser heraus Forderungen zu vernehmen, die deutsche Haltung zur Aufnahme afghanischer Kollaborateure anzupassen.
Jetzt steht dem nur noch die selbsterklärte Partei der christlichen Nächstenliebe im Wege – aber für die sind aktuell ein paar abgeschriebene Zeilen in einem Buch, das andernfalls niemanden interessiert hätte, wohl einfach wichtiger. Meinung
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