„Taktiererei“

Aufnahme afghanischer Ortskräfte – Bundesregierung in der Kritik

Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr geht zu Ende. Die letzten Soldaten haben das Land am Hindukusch verlassen. Zurückgeblieben sind zahlreiche afghanische Ortskräfte. Die Grünen üben scharfe Kritik. Sie werfen der Regierung „Taktiererei“ vor. Pro Asyl fordert Abschiebestopp in das Land.

Donnerstag, 01.07.2021, 5:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 30.06.2021, 16:36 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Nach 20 Jahren kommt der deutsche Afghanistan-Einsatz zum Abschluss. Der letzte Soldat hat nach Angaben der Bundeswehr am Dienstag das Land am Hindukusch verlassen. Am frühen Mittwochnachmittag landeten die Streitkräfte demnach am Luftwaffenstützpunkt Wunstorf in Niedersachsen. Viele afghanische Ortskräfte haben ebenfalls ein Visum beantragt, um nach Deutschland übersiedeln zu können, für manche ist die Frist im Juni abgelaufen.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) erklärte: „Ein historisches Kapitel geht zu Ende, ein intensiver Einsatz, der die Bundeswehr gefordert und geprägt hat, bei dem sich die Bundeswehr im Kampf bewährt hat.“ Es sei aber auch ein Einsatz gewesen, „bei dem Angehörige unserer Streitkräfte an Leib und Seele verletzt wurden, bei dem Menschen ihr Leben verloren haben, bei dem wir Gefallene zu beklagen hatten“. Zugleich kündigte sie an, offen darüber zu reden, „was gut war, was nicht gut war und was wir gelernt haben“.

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Umgang mit afghanischen Ortskräften

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, teilte mit: „Die Bundeswehr wurde vom Parlament in den Einsatz nach Afghanistan entsandt. Deshalb haben wir eine besondere Verantwortung, jetzt auch eine kritische und ehrliche Bilanz zu ziehen.“ Sie schlug vor, dafür eine Enquete-Kommission im Bundestag zu bilden.

Seit den Abzugsplänen wird auch darum gerungen, was mit afghanischen Ortskräften passiert. Das sind einheimische Personen, die die Bundeswehr bei ihrem Einsatz vor Ort unterstützt haben und nun Gefahr laufen, von Terrororganisationen angefeindet und von Racheakten heimgesucht zu werden.

470 afghanische Ortskräfte haben Antrag gestellt

Nach Kritik hatte die Bundesregierung zuletzt die Regelung zur Aufnahme von afghanischen Ortskräften gelockert. Die Große Koalition hatte sich darauf verständigt, allen Ortskräften, die ab 2013 ein Visum für Deutschland anstrebten, dieses zu bewilligen. Bislang galt, dass ein Visum spätestens zwei Jahre nach der Tätigkeit für die Bundeswehr vor Ort gestellt werden musste.

Nach Angaben eines Bundeswehrsprechers haben seit dem 25. Mai mehr als 470 Afghanen, die für die deutschen Streitkräfte gearbeitet haben, Visumsanträge gestellt, weil sie wegen ihrer Tätigkeit gefährdet seien. Da auch deren Familienangehörige Visa bekommen können, handele es sich um insgesamt 2.380 Personen. 95 Prozent von ihnen hätten inzwischen die benötigten Dokumente bekommen.

Grüne: Regierung taktiert

Die Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour und Luise Amtsberg (beide Grüne) werfen der Bundesregierung Taktiererei vor. „Eine Kleine Anfrage hat ergeben, dass die Bundesregierung bei der Frage der Aufnahme von Ortskräften vage bleibt und taktiert“, so die beiden Grünen-Politiker. Ein unbürokratisches Gruppenverfahren lehne die Bundesregierung ab. „Insbesondere bei der Frage wie und an wen afghanische Ortskräfte nach Abzug der deutschen Truppen eine Gefährdungsanzeige richten können, hat die Bundesregierung keine Antwort“, so Nouripour und Amtsberg. Diese Intransparenz sorge für Verwirrung und könne dazu führen, dass in vielen Fällen keine Gefährdungsanzeige gestellt wird. „Dieses Verhalten der Bundesregierung ist verantwortungslos und beschämend“, so die beiden Abgeordneten.

Der Einsatz afghanischer Ortskräfte verdiene Anerkennung. „Andere Nationen sind viel großzügiger in ihrer Aufnahmepolitik, ermöglichen unbürokratische Verfahren und nehmen sogar teils Afghanen auf, die für Deutschland gearbeitet haben. Die Bundesregierung hingegen verliere „sich in Fristen und Vorschriften und vergisst darüber ihre Verantwortung“.

Strenge Antragsfrist für Ortskräfte

Tatsächlich werden Anträge laut einer Sprecherin des Auswärtigen Amtes an den Anlaufstellen nur noch bis Ende Juni angenommen – im Juli also nicht mehr. Als Ort, an dem ein solcher Antrag gestellt werden könne, nannte sie die deutsche Botschaft in Kabul.

Für alle Soldaten, die im Afghanistan-Einsatz dienten, soll es nach Angaben des Verteidigungsministeriums im Sommer einen Festakt geben. Insgesamt leisteten den Angaben zufolge rund 160.000 Soldatinnen und Soldaten Dienst in Afghanistan, 59 verloren im Zusammenhang mit dem Einsatz ihr Leben, 35 davon durch Fremdeinwirkung, also etwa bei Angriffen oder Anschlägen. Vor Beginn der Rückverlegung nach Deutschland im Mai betrug die Personalstärke in Afghanistan noch etwa 1.100.

Pro Asyl fordert Abschiebestopp

Die Organisation Pro Asyl forderte mit Blick auf die sich zuspitzende Lage in Afghanistan derweil die Bundesländer auf, eigenständig einen Abschiebestopp für drei Monate zu erlassen. „Niemand darf jetzt abgeschoben werden“, erklärte Geschäftsführer Günter Burkhardt. In dieser Zeit müsse das Auswärtige Amt einen aktuellen Lagebericht zu Afghanistan erstellen, auf dessen Grundlage Gerichte und das Bundesamt für Migration die Situation angemessen beurteilen könnten.

Die internationale Militärmission am Hindukusch begann nach den Anschlägen in den USA vom 11. September 2001. Der UN-Sicherheitsrat machte damals den Weg für eine „Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan“ (Isaf) frei. Das Jahr 2014 markierte den Abschluss des Militäreinsatzes und den Beginn der Mission „Resolute Support“ zur Unterstützung und Beratung afghanischer Sicherheitskräfte. Nun wird auch dieser Einsatz beendet. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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  1. urbuerger sagt:

    In meinen Augen führt die jetzige Regierung ihren Weg, des Missachten von Regeln weiter, wie sie es in vielen anderen Dingen der Migration schon seit geraumer Zeit darstellt!

    Andere Nationen, die an dem Afghanistan Einsatz beteiligt waren, nehmen Jene afghanischen Mitarbeiter problemlos auf und teilweise sogar Mitarbeiter, die den Deutschen unterstellt waren!
    Selbst wenn man der Meinung ist, dass man nicht jeden Migraten aufnehmen kann, sollte man gerade die, die sich schon in Afghanistan dem deutschen Staat gegenüber loyal gezeigt haben, die uneingeschränkte Aufnahme garantieren, zumal Deutschland weiterhin solche Einsätze weltweit plant!
    Wenn sich erst Mal herumgesprochen hat, dass man den Deutschen nicht trauen kann, wird die Bundeswehr niemals Helfer in den Ländern der kommenden Einsätze bekommen!

    Aber so kennt man unsere Recken aus der Politik und Regierung ja nun seit Jahrzehnten, nicht weiter denken als bis zur Nasenspitze!!!