Corona-Nachholpaket

Warten und Hoffen auf Zuschüsse

Zwei Milliarden Euro gibt der Bund wegen Corona für ein schulisches Aufholprogramm für Kinder und Jugendliche. Das klingt zunächst nach viel Geld. Aber Experten reicht die Summe nicht. Ob und wann das Fördergeld überhaupt fließt, ist noch offen. Integrationsstaatssekretärin fordert zusätzliche Anstrengungen für Migranten.

Von Dienstag, 08.06.2021, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 07.06.2021, 17:08 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

„Kinder und Jugendliche gehören bei allen Maßnahmen zur Pandemiebewältigung ganz oben auf die Agenda. Das geplante Aufholprogramm für Kinder und Jugendliche der Bundesregierung muss jetzt zügig und unbürokratisch umgesetzt werden“, fordert Diakonievorständin Maria Loheide: „Und dabei darf es nicht bleiben.“ Das Zitat eignet sich als Anknüpfungspunkt für mancherlei Bedenken an Umfang und Struktur des Nachholpaketes. Viele Fachleute sehen darin nur einen aktionistischen Schnellschuss, denn die zugesagten Fördergelder müssen bis Ende 2022 ausgegeben sein.

Dazu kommt das Problem, dass das Geld nicht nur über unterschiedliche Kanäle seine Bestimmungsorte erreichen soll, sondern dass die Fördergießkanne auch über ein sehr indifferentes Feld vieler Hilfsmaßnahmen ausgegossen wird. Eine Milliarde Euro sind für direkte Lernhilfen vorgesehen. 320 Millionen für die Schulsozialarbeit, Lernmentoren oder den Einsatz von Bundesfreiwilligen in den Schulen. Der Rest, so der Plan, fließt in einen nicht-schulischen Bereich wie etwa Kinder- und Jugendfreizeiten oder Kitas in sozialen Brennpunkten.

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Der Nachholbedarf bei Kindern, die schon vor der Pandemie Gefahr liefen, abgehängt zu werden, ist gewaltig. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) geht davon aus, dass jedes vierte oder fünfte Kind Unterstützung braucht. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Anette Widmann-Mauz mahnte bereits: „Familien mit Einwanderungs- und Fluchtgeschichte sind von den Auswirkungen der Corona-Pandemie besonders betroffen“. Sie fordert eine stärkere Bildungsförderung dieser Menschen. Doch die Lernlücken sind noch nirgendwo systematisch erforscht. Folglich haben auch die Länder keine Daten, wie groß die Anteile von Schülerinnen und Schülern sind, denen sie Hilfen zukommen lassen sollten.

Es dauert

Jugendhilfeexpertinnen und -experten sind sich einig, dass die Unterstützung nur langfristig wirkt, also die Kindertagesbetreuung, die Familienberatung und -erholung, die Kinder- und Jugendarbeit sowie die Jugendsozialarbeit auf Dauer angelegt sind. Genau dazu reiche eben keine kurzfristige Förderung, „sondern nur eine Stärkung der Angebote und Sicherung der Infrastruktur für Kinder und Jugendliche“, so Loheide.

Doch schon die jetzige Verteilung der Gelder braucht Zeit. Denn die Fördermilliarde für die Nachhilfe soll den Ländern über einen höheren Anteil von der Umsatzsteuer zufließen. Den außerschulischen Bereich kann die Bundesregierung direkt finanzieren. Aber damit das alles rechtlich sauber läuft, muss das Finanzausgleichsgesetz von Bundestag und Bundesrat geändert werden. Bevor das jedoch geschieht, will die Bundesregierung mit jedem Bundesland eine Vereinbarung schließen, damit das Geld auch da ankommt, wo es gebraucht wird. Auch das dauert.

Gut gemeint, aber kompliziert

Aus dem NRW-Sozialministerium heißt es dazu auf Anfrage: „Eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern hierzu ist noch nicht getroffen, so dass aktuell noch verschiedene Modelle für die Umsetzung diskutiert werden.“ In Hessen das gleiche Bild: „Dem Ergebnis der Gespräche mit dem Bund kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgegriffen werden.“

Das Anliegen der Förderung sei sehr gut gemeint, aber in der Umsetzung überaus kompliziert, urteilt Birgit Beierling, Referentin für Jugendsozialarbeit beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Es sei kaum vorstellbar, dass es gelinge, Gelder etwa für Freizeiten für Kinder und Familien bereits bis zu den Sommerferien bereitzustellen.

„Der Teufel liegt im Detail“

„Das ist sehr ambitioniert, der Teufel liegt im Detail“, denn es müssten klare Regelungen mit allen 16 Bundesländern vereinbart werden. Sie gehe eher davon aus, dass bis zu den Herbstferien alle Antragsmodalitäten geklärt sein werden.

Auch Beierling sprach sich dafür aus, verlässlich finanzierte Hilfestrukturen zu schaffen. „Die Pandemie hat gezeigt, wie fragil die Angebote in der Jugendhilfe sind.“ Mit schnellem Geld erreiche man hier nichts. „Die Gemengelage ist schwierig.“ Denn es brauche oft sehr spezielle Förderangebote, „die viele Facetten unterschiedlicher Lebenssituationen erfassen“, sagt die Expertin. (epd/mig) Aktuell Politik

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