Nina Mühe, Islam, Islamfeindlichkeit, Muslim, Nachruf
Nina Mühe © CLAIM

Nachruf

Zum Tod von Nina Mühe

Wir, die Mitglieder des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit (UEM), trauern um unsere hochgeschätzte Kollegin Nina Mühe, die am vergangenen Freitag im Alter von 48 Jahren verstorben ist. Ihr früher Tod hat uns alle zutiefst erschüttert.

Dienstag, 30.03.2021, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 30.03.2021, 12:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Gemeinsam mit ihr wurden wir im September 2020 vom Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer berufen, um Empfehlungen für die Bekämpfung der Stigmatisierung und Ausgrenzung von Muslim:innen zu formulieren – ein Themenfeld, das das berufliche und gesellschaftspolitische Engagement der Ethnologin Nina Mühe über viele Jahre geprägt hat und in dem sie viele wichtige Impulse gesetzt hat. Die Einrichtung eines solchen Gremiums verdankt sich nicht zuletzt auch den Erkenntnissen aus der Pionierarbeit, die Personen wie sie geleistet haben.

Nina Mühe hat sich viele Jahre als Wissenschaftlerin, Trainerin und politische Bildnerin im Bereich Antidiskriminierung, Empowerment und religiöse Vielfalt in Deutschland und auch darüber hinaus einen Namen gemacht. Mit Forschungsprojekten wie „At Home in Europe – Muslims in Berlin“, das sie von 2007 bis 2011 im Auftrag des Open Society Institute London leitete, beleuchtete sie die Alltags- und Diskriminierungserfahrungen der muslimischen Minderheit in den verschiedenen Lebensbereichen und trug zum Verständnis der gesellschaftlichen Partizipation wie auch der Teilhabelücken von Muslim:innen bei. Fragen der Identität und Zugehörigkeit spielten auch in dem EU-Forschungsprojekt ACCEPT Pluralism an der Europa-Universität Viadrina eine zentrale Rolle, in dem sie von 2011 bis 2013 mitwirkte. Ihre 2018 veröffentlichte Studie „Islamisches Gemeindeleben in Berlin“, die sie gemeinsam mit Riem Spielhaus für das Erlanger Zentrum Islam und Recht in Europa im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa durchführte, gibt einen wertvollen Überblick über die Vielfalt des islamischen Lebens in Berlin.

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„Die Vision der Chancengleichheit aller Menschen in einer offenen Gesellschaft war für Nina Mühe keine abstrakte Zielsetzung, mit ihrem unermüdlichen Engagement verkörperte sie die Zuversicht, dass ein Abbau von Vorurteilen und ein respektvolles Zusammenleben möglich sind.“

Nina Mühe setzte sich nicht nur wissenschaftlich mit den Themen, die ihr am Herzen lagen, auseinander. Sie legte stets großen Wert auf den Wissenstransfer in die Praxis – und umgekehrt, auf Impulse aus der Praxis in die Wissenschaft. Als Leiterin des Projekts „Akteure der Jugendbildung stärken – Jugendliche vor Radikalisierung schützen“ bei der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus bildete sie von 2016-2017 junge Muslim:innen für den Einsatz an Schulen, in Moscheegemeinden und Jugendeinrichtungen aus und bildete Multiplikator:innen im Bereich der Extremismusprävention fort. Seit Dezember 2017 baute sie schließlich mit dem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projekt „Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit (CLAIM)“ ein bundesweit einmaliges Netzwerkprojekt auf, das Organisationen aus dem gesamten Bundesgebiet vernetzt, die zu den Themen Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus arbeiten. In der Leitung dieses Projekts legte Nina Mühe ein besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen auf die Betroffenen und die Frage, wie diese gestärkt werden können.

Die Vision der Chancengleichheit aller Menschen in einer offenen Gesellschaft war für Nina Mühe keine abstrakte Zielsetzung, mit ihrem unermüdlichen Engagement verkörperte sie die Zuversicht, dass ein Abbau von Vorurteilen und ein respektvolles Zusammenleben möglich sind. Ihre besondere Herzlichkeit und ihr einnehmendes Wesen erlaubten ihr, sich als Brückenbauerin zwischen verschiedenen Communites zu betätigen – Nina Mühe brachte durch ihre Arbeit Menschen zusammen und ins Gespräch miteinander.

Wir werden Nina Mühe im UEM vermissen, nicht nur ihre fachliche Kompetenz und ihren kritischen Blick, sondern auch ihre Kollegialität, ihre verbindende Art und Zugewandheit. Ihr Tod hat nicht nur für all jene, die sich mit der Ausgrenzung von Muslim:innen beschäftigen, eine Lücke gerissen – wissenschaftlich, politisch und menschlich.

  • Karima Benbrahim, Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in Nordrhein-Westfalen (IDA-NRW)
  • Saba-Nur Cheema, Bildungsstätte Anne Frank e.V.
  • Dr. Yasemin El-Menouar, Bertelsmann Stiftung
  • Prof. Dr. Karim Fereidooni, Ruhr-Universität Bochum
  • Prof. Dr. Kai Hafez, Universität Erfurt
  • Özcan Karadeniz, Verband binationaler Familien und Partnerschaften e.V.
  • Prof. Dr. Anja Middelbeck-Varwick, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
  • Prof. Dr. Mathias Rohe, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
  • Prof. Dr. Christine Schirrmacher, Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Katholische Universität Löwen
  • Dr. Yasemin Shooman, Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM)
  • sowie das ausgeschiedene Mitglied Prof. Dr. Iman Attia, Alice Salomon Hochschule Berlin
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