Rassistische Chats

NRW-Polizei suspendierte Hinweisgeberin statt Chatter

NRW-Innenminister Reul hatte nach Bekanntwerden rassistischer WhatsApp-Chats bei der Polizei Aufklärung versprochen – das Gegenteil ist offenbar eingetreten: Laut OVG Münster hat das Düsseldorfer Polizeipräsidium ausgerechnet eine Hinweisgeberin suspendiert, gegenüber anderen Kommissaranwärtern aus den Chatgruppen jedoch keine Maßnahmen ergriffen.

Montag, 29.03.2021, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 28.03.2021, 12:59 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Die Suspendierung einer Polizeibeamtin wegen rechtsextremer Chatnachrichten auf ihrem Smartphone ist nach einem aktuellen Urteil rechtswidrig. Die 21-jährige Kommissaranwärterin habe die inakzeptablen Bilddateien und Sticker weder selbst verbreitet noch kommentiert, erklärte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG) am Freitag in Münster. Ihr könne geglaubt werden, dass sie die acht problematischen Nachrichten erst nach sensibilisierenden Gesprächen in ihrer Dienststelle unter Hunderttausenden WhatsApp-Nachrichten und -Bildern auf ihrem Handy wahrgenommen und sie daraufhin angezeigt habe (Az.: 6 B 2055/20).

Die Richter stellten fest, dass die geteilten Inhalte teils rassistischen, antisemitischen oder den Nationalsozialismus befürwortenden Charakter hätten. Ein Kommissaranwärter, der derartige Inhalte versende oder zustimmend kommentiere, begründe regelmäßig Zweifel an seiner charakterlichen Eignung und könne entlassen werden. Der vorliegende Fall der 21-jährigen Kommissaranwärterin liege jedoch anders.

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Nur Anzeigende suspendiert

Das Polizeipräsidium Düsseldorf habe in ihrem Fall „Maßstäbe angelegt, die sich in nicht nachvollziehbarer Weise von denjenigen unterschieden, die es in den übrigen Fällen zugrunde gelegt habe“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. „Während die Antragstellerin als Hinweisgeberin suspendiert worden sei und entlassen werden solle, habe das Polizeipräsidium gegenüber den anderen Kommissaranwärtern aus den Chatgruppen keine Maßnahmen ergriffen, insbesondere weder Suspendierungen noch Entlassungen ausgesprochen“, erklärt das Gericht.

Erst auf Nachfrage des Senats im Beschwerdeverfahren habe das Polizeipräsidium erklärt, nunmehr Disziplinarverfahren eingeleitet zu haben. Der Umstand, dass die Antragstellerin, nicht aber die anderen Polizeibeamten auf die Nachrichten aufmerksam gemacht hätten, sei „weder ihr zugute gehalten noch – soweit bekannt – den anderen negativ angelastet worden“, so das Gericht weiter.

Hintergrund

Nachdem NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im September die Aufdeckung rechtsextremer Chatgruppen in der Landespolizei öffentlich gemacht hatte, waren den Angaben zufolge auch im Polizeipräsidium Düsseldorf „Sensibilisierungsgespräche“ geführt worden. Die junge Polizistin, die dort ihre Ausbildung absolviert, habe sich danach an ihre Dienststellenleitung gewandt und angegeben, bei der Durchsicht ihres Smartphones in mehreren WhatsApp-Gruppen einzelne Nachrichten mit rechtsextremen Inhalten festgestellt zu haben. Drei von vier betroffenen Chatgruppen gehörten ausschließlich Kommissaranwärter an.

Das Polizeipräsidium hatte die Beamtin daraufhin vom Dienst suspendiert: Sie stehe im Verdacht, „eine mit einer demokratischen Grundordnung unvereinbare Gesinnung zu teilen und sei charakterlich für den Polizeidienst ungeeignet“. Nach Ansicht der Düsseldorfer Polizei hätte die 21-Jährige die Nachrichten nicht auf dem Smartphone belassen dürfen und hätte ihrer Verbreitung entgegenwirken müssen.

Die Polizistin hatte gegen die Suspendierung vergeblich vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf geklagt (Az.: VG Düsseldorf 2L 2370/20), das OVG gab ihr mit seinem Eilbeschluss vom Donnerstag jetzt recht. Die Beamtin darf ihren Dienst nun wieder aufnehmen. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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