Sprachkampf
Germanist: Neue Rechte instrumentalisiert deutsche Sprache
Neue Rechte missbrauchen die deutsche Sprache, um ihre Agenda in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Der Sprachwissenschaftler Henning Lobin ist überzeugt: Der Sprachkampf ist in Wahrheit der eigentliche Angriff auf die deutsche Sprache.
Von Michaela Hütig Freitag, 19.03.2021, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 18.03.2021, 17:07 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Sprachwissenschaftler Henning Lobin wirft der sogenannten Neuen Rechten vor, die deutsche Sprache für ihre Zwecke zu missbrauchen. Mit ihrem Kampf etwa gegen „politische Korrektheit“ oder geschlechtergerechte Sprache versuche diese politische Strömung gezielt, das gemäßigte Bürgertum und kulturaffine Schichten zu gewinnen, sagte der Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache dem „Evangelischen Pressedienst“. „Eine neurechte Agenda wird durch Sprachpolitik wie mit einem trojanischen Pferd weit in die Mitte der Gesellschaft hineingeführt“, erklärte er.
Die Neue Rechte stützt sich dabei nach Angaben des Germanisten vor allem auf den Begriff einer „kulturellen Identität“. Ihren Einsatz zum vermeintlichen Schutz der deutschen Sprache nutze sie als „Scharnierthema“ für allgemeinpolitische Anliegen. „Daher ist das öffentliche Reden über Sprache nicht einfach nur ein Reden über Sprache“, sagte Lobin. „Das scheinbar weltfremde Feuilleton-Thema ist zum Schlachtfeld für Schaukämpfe geworden, in denen viel umfassendere politische Ziele ausgefochten werden.“
Denn den Akteuren gehe es nicht lediglich um die Sprache als solche, sondern um das, was durch sie ausgedrückt werde, erklärte der Professor für Germanistische Linguistik an der Universität Mannheim. So verberge sich hinter der Forderung, Deutsch als Landessprache im Grundgesetz zu verankern, die Vorstellung kultureller Dominanz, und die Ablehnung einer „Gendersprache“ stehe für eine traditionelle Vorstellung von Familie und Gesellschaft allgemein.
Sprachkampf
Der von der Neuen Rechten geschürte Sprachkampf sei in Wahrheit der eigentliche Angriff auf die deutsche Sprache, betonte Lobin. Denn bewusste Verstöße gegen vorgebliche Regeln „politischer Korrektheit“ führten oft direkt zu einer Verrohung der Sprache, wie sie gerade in den ersten Monaten nach dem Einzug der AfD im Deutschen Bundestag zu verzeichnen gewesen sei. Keine andere in Parlamenten vertretene Partei verknüpfe ihre Programmatik so eng mit Sprachpolitik wie die AfD.
Der 56-jährige Direktor des Mannheimer Instituts sprach von einer „sehr problematischen Entwicklung“. Denn eine identitäre Aufladung und Politisierung von Sprache verhindere den notwendigen, nüchternen Diskurs über diese etwa in der Bildung oder mit Blick auf Minderheiten. „Das Deutsche gehört nicht der Nation oder einzelnen Gruppen, sondern Erst-, Zweit- und Fremdsprachlern in ihrer ganzen Vielfalt“, unterstrich Lobin. „Sie alle hauchen der Sprache wortwörtlich Leben ein und bewirken ihre ständige Anpassung an eine sich wandelnde Gesellschaft.“ (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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Tatsächlich kann man kaum bestreiten, dass sich hinter der Auseinandersetzung um Begriffe häufig viel mehr verbirgt, nämlich eine ‚identitäre Aufladung und Politisierung von Sprache‘. Bedauerlicherweise findet eine solche Aufladung aktuell aber nicht nur auf dem rechten politischen Spektrum, sondern ziemlich massiv auch auf dem linken statt. Empfehlenswert hierzu der von Sandra Kostner herausgegebene Sammelband ‚Identitätslinke Läuterungsagenda‘. Vielleicht wäre es deshalb insgesamt sinnvoller, sich mehr mit Sach- als mit Sprachfragen zu befassen?!
Herzliche Grüße
Stefan Böckler
Nur weil man die Verunstaltung der deutschen Sprache durch Genderismen ablehnt, braucht man nicht rechtsgerichtet zu sein. Wie es hier auch heißt, stehe die Ablehnung der Gendersprache „für eine traditionelle Vorstellung von Familie und Gesellschaft allgemein“, und diese kann ihre Ursache auch in der Religion haben.