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Migrationshintergrund © MiG

Kommission Integration

Begriff „Migrationshintergrund“ nicht mehr verwenden

Nach zweijähriger Arbeit hat die von der Bundesregierung eingesetzte Fachkommission Integrationsfähigkeit ihren Bericht vorgelegt. Darin formulieren Experten 14 Kernbotschaften und Empfehlungen an die Bundesregierung. Hauptthemen sind Chancengleichheit und Diskriminierung.

Donnerstag, 21.01.2021, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 20.01.2021, 17:00 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die von der Bundesregierung eingesetzte Fachkommission Integrationsfähigkeit empfiehlt, den Begriff „Migrationshintergrund“ künftig nicht mehr zu verwenden. Das sagte die Kommissionsvorsitzende Derya Çağlar am Mittwoch in Berlin. Stattdessen solle von „Eingewanderten und ihren (direkten) Nachkommen“ gesprochen werden. Die SPD-Politikerin, die auch Mitglied des Abgeordnetenhauses in Berlin ist, erläuterte, sie sei damit die Tochter von Eingewanderten, aber ihre Kinder seien „nur noch Deutsche“.

Zuvor hatte die Kommission nach zweijähriger Arbeit ihren Bericht an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übergeben. Das Gremium aus 25 Expertinnen und Experten befasste sich mit den Themen Sprache, Wohnen, Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe. Die Empfehlungen der Runde richten sich an Bund, Länder und Kommunen.

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Dauerproblem: Diskriminierung

Darin fordern die Experten Chancengleichheit, mithin eine adäquate Vertretung von gesellschaftlichen Gruppierungen in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Medien und Zivilgesellschaft. „In diesem Sinne ist eine Öffnung staatlicher Institutionen zu forcieren, die sich an der gesellschaftlichen Diversität orientiert, denn staatliches Handeln hat eine Signalwirkung für die Gesamtgesellschaft“, heißt es in dem Bericht.

 

Ein weiteres Handlungsfeld macht die Kommission beim Dauerproblem „Diskriminierung“ fest. Chancengleichheit sei „noch längst nicht erreicht“, konstatieren die Experten – „insbesondere strukturell und institutionell“. Abwertung, Ausgrenzung und Benachteiligung beeinträchtigen den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt, verursachten ökonomische Kosten und erschütterten das Vertrauen in den Staat. „Diskriminierung ist daher nachhaltig zu bekämpfen“, fordern die Experten und mahnen besseren rechtlichen und praktischen Schutz vor Diskriminierung an.

Kommission moniert fehlende Chancengleichheit

Weitere Kernbotschaften des Berichts sind: Chancengleichheit in der Bildung, die bessere Nutzung und Stärkung von Kompetenzen eingewanderter Menschen, eine nachhaltige Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik sowie Rechtsextremismus. Letzteres lasse sich nicht mit zeitlich befristeten Einzelprojekten bekämpfen, sondern müsse als Daueraufgabe verstanden werden.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU) dankte der Kommission für die Impulse. Der Begriff „Migrationshintergrund“ sei vor etwa 15 Jahren in die Statistik eingeführt worden und umfasse viele unterschiedliche Gruppen. Viele der 21 Millionen betroffenen Menschen fühlten sich dadurch nicht abgebildet. Es sei, „als stünde dieser Hintergrund immer im Vordergrund“. Der Begriff werde zwar nicht über Nacht ersetzt werden können, aber es sei eine Aufgabe für die Zukunft.

Polat: Bundesregierung steht in der Pflicht

Unterstützung bekommt der Begriffsvorschlag der Kommission von der migrationspolitischen Sprecherin der Grünen, Filiz Polat. Es sei richtig, dass die Fachkommission mit der statistischen Erfassung des „Migrationshintergrundes“ bricht. Der Begriff sei überholt und nicht praktikabel.

Die Bundesregierung stehe in der Pflicht, Integration zu ermöglichen, statt sie zu erschweren. „Zu viele Menschen werden mit Beschäftigungsverboten konfrontiert, bekommen ihren Abschluss nicht anerkannt oder erhalten keinen Anspruch auf einen Integrations- und Sprachkurs. Kinder in Ankerzentren werden vom regulären Schulbesuch ausgeschlossen. In Deutschland entscheidet viel zu oft die Herkunft über die Möglichkeit und Chance auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe“, so die Grünen Politikerin.

Arbeitsminister Heil: Corona trifft Migranten stark

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wies indes darauf hin, dass Menschen mit Einwanderungsgeschichte in der aktuellen Corona-Krise deutlich stärker von neuer Arbeitslosigkeit betroffen seien als andere. So habe deren Arbeitslosenquote im Dezember 2020 bei 14,1 Prozent gelegen – im Vergleich zum Durchschnitt von 4,7 Prozent.

Das hänge unter anderem damit zusammen, dass viele Menschen mit ausländischen Wurzeln in Dienstleistungsberufen tätig seien, die die Krise besonders treffe: als Reinigungskräfte, in Restaurants oder Hotels. Er warnte davor, dass die Erfolge bei der Integration dadurch gefährdet werden könnten. (epd/mig) Leitartikel Politik

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  1. Volkan sagt:

    Ok wird gemacht, nur benutze ich schon lange nicht mehr „Eingewanderte“ sondern Zugewanderte. Niemand ist in Deutschland „eingefallen“, sie sind zu uns gekommen

  2. Levent Öztürk sagt:

    Was ändert das? Nichts! Erst waren wir Gastarbeiter, dann Ausländer, danach Migrationshintergründler und die meisten sogar trotz dem Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft und abgeschlossenem Studium. So lange man es in Deutschland nicht schafft, Menschen nach ihrer Leistung und ihrem Charakter zu beurteilen wird sich nichts ändern. Menschen mit ausländisch klingendem Namen waren und werden stets Bürger 2. Klasse sein und alle Nachteile und Erschwernisse bei der Jobsuche und Wohnungssuche genießen dürfen.

  3. Kadir Özdemir sagt:

    Ich habe Migrationserbe als Arbeitsbegriff. Allerdings sind Begriffe nur kosmetischer Natur, wenn die Diskriminierung nicht abgebaut wird. Quoten überall, mindestens 70 % Anteil von weißen Deutschen in schlecht bezahlten Jobs und mindestens 30 % für Menschen mit Migrationserbe in gut bezahlten Jobs/Behörden/Medien.
    https://www.migazin.de/2020/07/13/migrationserbe-statt-migrationshintergrund/

    • Heinrich Ernst sagt:

      Quote anstelle von Qualifikation? Wenn dies unser Maßstab werden soll, dann gute Nacht. Laissez-faire ist immer eine schöne Sache, wenn es dem eigenen Nutzen dient, aber ungut für das Große und Ganze. Warum sollten wir mehr ausländische Abschlüsse anerkennen, wenn sie eben nicht unseren Maßstäben entsprechen? Das wäre nicht gerechter sondern nur naiv….